Wechselbeziehungen zwischen vorbeugendem Hochwasserschutz und regionaler Kulturlandschaftsgestaltung in Flusslandschaften - Analyse unter Einbeziehung der Auswirkungen von Extremniedrigwasser durch den Klimawandel

Hintergrund und Ziele

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, systematisch aufzuzeigen, wie die Zielvorstellungen der regionalen Kulturlandschaftsgestaltung und des vorbeugenden Hochwasserschutzes in Flusslandschaften unter Einbeziehung der Folgen des Klimawandels verzahnt werden können. Empfehlungen sollen insbesondere an die ⁠Raumordnung⁠ bezüglich ihrer formellen und informellen Instrumente erarbeitet werden. Exemplarisch werden hierzu Projekte empirisch untersucht, die die Anpassung an Hochwasserereignisse und Niedrigwassersituationen mit Prozessen der regionalen Kulturlandschaftsgestaltung zusammenführen. Beiträge liefern dazu sozialwissenschaftliche Ansätze der Institutionenforschung, die die Schwierigkeiten der Verzahnung von Hochwasserschutz und regionaler Kulturlandschaftsgestaltung als horizontale bzw. vertikale Interaktionsprobleme und Probleme räumlicher bzw. zeitlicher Passfähigkeit thematisieren.

Die Bewirtschaftung von Flüssen ist in letzter Zeit Gegenstand einer Reihe wichtiger politischer Reformen auf europäischer und nationaler Ebene gewesen. Nach dem verheerenden Hochwasserereignis im Sommer 2002 stellte die Bundesregierung ein 5-Punkte-Programm "Arbeitsschritte zur Verbesserung des Vorbeugenden Hochwasserschutzes" auf. Institutionalisiert wurde diese Initiative 2005 mit dem Gesetz zur Verbesserung des Vorbeugenden Hochwasserschutzes. Zusätzlich trat auf EU-Ebene im November 2007 die Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken in Kraft, die nun durch die einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird. Zu Grunde liegt diesen Maßnahmen eine Vorstellung, die den Fluss als Ganzes betrachtet - von der Quelle bis zur Mündung einschließlich seiner Zuflüsse und der Landschaften längs der Ufer. Damit ist auch die Ebene regionaler Kulturlandschaften und ihrer Gestaltung angesprochen.

Die Forschungskonzeption gliedert sich in folgende Arbeitsschritte auf:

  1. Literaturauswertung: Analyse der Synergien, Zielkonflikte und institutionellen Passfähigkeiten zwischen regionaler Kulturlandschaftsgestaltung und Hoch- bzw. Niedrigwasserschutz, Bestimmung der strategischen Relevanz einer ganzheitlichen regionalen Kulturlandschaftsgestaltung für den Hoch- und Niedrigwasserschutz in Flusslandschaften unter Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels und abschließende Thesenbildung.
  2. Institutionenanalyse Hochwasserschutz und Kulturlandschaftsgestaltung: Analyse der für den vorbeugenden Hochwasserschutz und die Kulturlandschaftsentwicklung relevanten Dokumente (z.B. EU-Hochwasserrichtlinie, EU-⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠, EUREK, Territoriale Agenda, EU-Grünbuch "⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ in Europa - Optionen für Maßnahmen der EU", künftige Deutsche ⁠Anpassungsstrategie⁠ an den Klimawandel, ROG, GeROG, Leitbilder der Raumordnung, Gesetz zur Verbesserung des Vorbeugenden Hochwasserschutzes, Landeswassergesetze etc.) auf europäischer, Bundes- und exemplarisch Länderebene; Darstellung der Zielvorgaben und Regelungen, die in Dokumenten zur regionalen Kulturlandschaftsgestaltung den vorbeugenden Hochwasserschutz berücksichtigen sowie der Zielvorgaben und Regelungen, die in hochwasserbezogenen Regelungen Kulturlandschaftsgestaltung berücksichtigen.
  3. Institutionenanalyse Niedrigwasservorsorge und Kulturlandschaftsgestaltung: Analyse der Dokumente zur Regelung von Mindestwasserständen in Flüssen auf europäischer, Bundes- und (exemplarisch) Länderebene; Darstellung der Zielvorgaben und Regelungen, die in Dokumenten zur regionalen Kulturlandschaftsgestaltung Niedrigwassersituationen berücksichtigen sowie der Zielvorgaben und Regelungen, die in Regelungen von Mindestwasserständen Kulturlandschaftsgestaltung berücksichtigen.
  4. Auswahl und Vorbereitung der Fallstudien: Erarbeitung von Untersuchungskriterien und Auswahl beispielhafter Projekte auf regionaler Ebene mit dem Schwerpunkt der regionalen Kulturlandschaftsgestaltung in Flusslandschaften, die Ziele und Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes bzw. zur Behebung von Niedrigwasserständen integrieren sowie nach Projekten zum vorbeugenden Hochwasserschutz, die über die fachlichen Planungen hinaus querschnittsorientierte Zielstellungen der Kulturlandschaftsgestaltung einbeziehen.
  5. Regionale Fallstudien: Untersuchung von vier qualitative Fallbeispiele aus unterschiedlichen Flusslandschaftstypen in Bezug auf die Akteurskonstellation, die formellen und informellen Instrumente insbesondere der Raumordnung zur regionalen Kulturlandschaftsgestaltung und zum vorbeugenden Hochwasserschutz bzw. Niedrigwasserschutz sowie die Umsetzungserfolge.
  6. Praxisempfehlungen: Ableitung von strategischen und instrumentellen Empfehlungen an die Raumordnung und den vorbeugenden Hochwasserschutz/Niedrigwasserschutz, aber auch an weitere Akteure informeller Regionalentwicklungspolitik (Projektträger, Kommunen); Generierung von Ideen und Implikationen für künftige Aufgaben der regionalen Kulturlandschaftsgestaltung in Flusseinzugsgebieten unter Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Baden-Württemberg
Naturräumliche Zuordnung
  • Alb und nordbayerisches Hügelland
  • Alpen
  • Alpenvorland
  • Erzgebirge, Thüringer und Bayrischer Wald
  • Links- und rechtsrheinische Mittelgebirge
  • Nordostdeutsches Tiefland
  • Nordwestdeutsches Tiefland
  • Südostdeutsche Becken und Hügel

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Literaturstudie zu klimawandelbedingten Veränderungen von Hochwässern und Niedrigwasserperioden.

Parameter (Klimasignale)
  • Flusshochwasser
  • Höhere mittlere Temperaturen
  • Niedrigwasser
  • Starkniederschlag (inkl. Hagel, Schnee)
  • Trockenheit
Weitere Parameter 

extreme Regenperioden und Starkniederschlagsereignisse sowie wärmere Sommer mit Trockenperioden

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Die betrachteten ⁠Klimafolgen⁠ sind einerseits Überflutungen der Siedlungsbereiche, der Industrie- und Gewerbeanlagen sowie der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen in Flusslandschaften. Andererseits führen lange Wärmeperioden mit geringen Niederschlagswerten zu Niedrigwassersituationen an Flussläufen mit Auswirkungen auf deren ökologische, soziale und ökonomische Funktionen.

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Hintergrund:
Regionale Kulturlandschaftsgestaltung in Flusseinzugsgebieten ist - wenn ihr entsprechend des Leitbildes der Raumentwicklung in Deutschland "Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten" ein ganzheitliches Verständnis zugrunde gelegt wird - ein integrativer und entwicklungsorientierter Ansatz. Folgende mögliche Potenziale bietet die regionale Kulturlandschaftsgestaltung:

  1. kreativer Umgang mit Nutzungskonflikten zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ansprüchen an Flusslandschaften, die sich aus Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes ergeben können und sich im Zuge des Klimawandels eher verschärfen werden;
  2. gestalterische und identitätsbasierte Maßnahmen, die an die Identifizierung der Anwohner mit dem Fluss anknüpfen, sich mit infrastrukturellen oder fachplanerischen Logiken des vorbeugenden Hochwasserschutzes verbindet und somit deren gesellschaftliche Akzeptanz erhöht;
  3. durch Integrationsfähigkeit sowohl die Ansprüche unterschiedlicher Fachplanungen als auch die unterschiedlicher Nutzergruppen einbeziehen und damit die Vielfalt der Nutzungsansprüche und Schutzinteressen berücksichtigen und einbinden;
  4. Überbrückung von politischen und siedlungsstrukturellen Grenzen zwischen städtischen und ländlichen Räumen.
Zeithorizont
  • 2011–2040 (nahe Zukunft)
  • 2071–2100 (ferne Zukunft)
Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Nutzungskonflikten zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ansprüchen an Flusslandschaften, die sich aus Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes ergeben können und im Zuge des Klimawandels verschärfen werden.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im Auftrag des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)

Projektleitung 

Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), Forschungsabteilung "Regionaler Institutionenwandel zur Sicherung von Gemeinschaftsgütern"

Ansprechpartner

BBR - Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
Deichmanns Aue 31-37
D-53179 Bonn

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Handlungsfelder:
 Finanzwirtschaft  Landwirtschaft  Raumplanung, Stadt- und Siedlungsentwicklung  Verkehr und Verkehrsinfrastruktur  Wald- und Forstwirtschaft  Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft