KliO – Klimawandel und Obstbau in Deutschland

Hintergrund und Ziele

Die Schadensrisiken einzelner Wirtschaftsbereiche gegenüber Klimaänderungen hängen sowohl von der regionalen Ausprägung des Klimawandels ab, als auch von dem möglichen Anpassungsgrad im jeweils betrachteten Sektor. Die Land- und Forstwirtschaft haben mit ca. 80% Nutzungsfläche in Deutschland einen hohen Stellenwert und gehören zu den klimasensitiven Bereichen.

Klimaänderungen werden sich in diesem Sektor differenziert auswirken. Ein bisher kaum berücksichtigter Bereich ist hierbei der Marktobstbau, in dem Deutschland mit zu den führenden Ländern gehört. Im Vergleich zum Pflanzenbau, wo Möglichkeiten zur Anpassung relativ schnell greifen können (umfangreiche Auswahl an Kulturarten und Sorten, kurze Umtriebszeiten), sind bei der Anlage und Umgestaltung von Obstplantagen längerfristige Aspekte wie klimatische Veränderungen unbedingt zu berücksichtigen.

Das Gesamtziel des Vorhabens
besteht darin, die Folgen des Klimawandels für den Obstbau in Deutschland zu untersuchen, regionale Differenzen in der potentiellen ⁠Vulnerabilität⁠ herauszuarbeiten, um hierauf basierend nachhaltige, praxisorientierte und ökonomisch vertretbare Anpassungsstrategien zu entwickeln. Diese sollen dazu beitragen, den Sektor Obstbau weiterhin wettbewerbsfähig und rentabel zu gestalten.

Folgende Forschungsziele bzw. -schwerpunkte werden betrachtet:

  • regionale Veränderungen der agrarklimatischen Bedingungen für den Obstanbau;
  • potenzielle Verschiebung von Anbauregionen (Grenzen des Obstbaus);
  • Modellierung der rezenten und künftigen Veränderungen der Pflanzenentwicklung;
  • Modellierung des Wasserhaushalts;
  • Veränderung im Ernteertrag und in der Qualität der Produkte;
  • Unterschiede in der ⁠Verwundbarkeit⁠ der Hauptanbaugebiete;
  • Modellierung von tierischen Schaderregern am Beispiel des Apfelwicklers;
  • Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien;
  • Erarbeitung von Vorschlägen zur Sortenwahl unter geänderten Klimaverhältnissen;
  • Entwicklung von Anpassungsstrategien des Obstbaus mit den Praxispartnern (regionale Obstbaubetriebe) und Verbreitung und Überführung der Projektergebnisse in die Praxis;
  • Abschätzung zusätzlicher Investitionskosten für die Obstbaubetriebe bei der ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ (Kosten von Zusatzbewässerung, Hagel- und Frostschutz, Veränderungen in der ⁠Landnutzung⁠ etc.);
  • Kosten/Nutzen-Rechnung für unterschiedliche Niveaus der Anpassung;
  • Bewertung von Mehrkosten, Rentabilität und Produktivitätsänderungen der Anpassungsmaßnahmen und Wechselwirkungen mit weitern Sektoren in der deutschen Wirtschaft.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Sachsen

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Zur Analyse des Klimawandels anhand von Mittelwerten für Deutschland sowie auf Bundeslandebene und für die Obstbauregionen werden die zwei ⁠IPCC⁠-Emissionsszenarien B1 und A1B der ⁠Regionalmodelle⁠ REMO und WETTREG verwendet. Zusätzlich werden Messwerte des ⁠DWD⁠ (Stationsdaten) für den Vergleich der Modell-Kontrollläufe mit Beobachtungsdaten und zur Analyse rezenter Klimaänderungen (interpoliert mit Universal Kriging 2. Ordnung, Auflösung 10 x 10 km) benutzt. Zur Erstellung phänologischer Modelle werden regionale phänologische Beobachtungen für Obstgehölze des DWD genutzt (z.B. Blühbeginn der Gehölze und Fruchtreife). Zur Verifikation der Modelle werden Beobachtungswerte aus den Obstbauregionen herangezogen: z.B. Daten aus dem Alten Land und der Bodensee-Region.

Die Auswertungen der Regionalmodelle für Deutschland zeigen eine signifikante Zunahme der mittleren Jahrestemperatur im Zeitraum 2071-2100 von 1,9 (B1) und 3,0°C (A1B) im Vergleich zum gegenwärtigen ⁠Klima⁠ (1961-2000). Saisonal wird die Erhöhung der Lufttemperaturen zum Ende dieses Jahrhunderts (2071-2100) folgendermaßen ausfallen: Im Winter +3,9, im Herbst +3,5, im Sommer +3,2 und im Frühling +1,8°C (⁠Szenario⁠ A1B). Regional betrachtet, sind die Temperaturänderungen vor allem im Winter, Sommer und Herbst im Süden Deutschlands größer als im Norden der Republik.

Die Jahresniederschläge zeigen in allen Szenarien keine signifikanten Veränderungen. Tendenziell ist lediglich eine signifikante Zunahme der Winterniederschläge und eine Abnahme der Sommerniederschläge im Szenario A1B zu erkennen.

Die thermische ⁠Vegetationsperiode⁠ wird sich aufgrund der weiteren Verfrühung des Vegetationsbeginns und der Verspätung des Vegetationsendes um maximal bis zu 72 Tage (A1B) verlängern. Wie schon in der Gegenwart wird sich der letzte Termin des Spätfrostes weiter verfrühen, um 14 (B1) bis 21 (A1B) Tage in der Periode 2071-2100. Der erste Frühfrost im Herbst verspätet sich im Gegensatz zu heute um 19 (B1) bis 33 (A1B) Tage. Die frostfreie Zeit verlängert sich demnach maximal um bis zu 54 Tage (A1B).

Parameter (Klimasignale)
  • Veränderte Niederschlagsmuster
  • Höhere mittlere Temperaturen
Weitere Parameter 

Temperatur und Niederschlag (jahreszeitlich differenziert), Extremereignisse (z.B. Spätfröste) und -werte (z.B. Minimumtemperaturen)

Zeithorizont
  • kurzfristig = die nächsten Jahre/Jahrzehnte
  • langfristig = bis 2100 und darüber hinaus

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Bereits heute sind Folgen rezenter Klimaänderungen im Sektor Obstbau erkennbar. Erste Anzeichen sind Verschiebungen in der Vegetationsentwicklung wie ein zeitigerer Blühbeginn der Obstgehölze in Deutschland oder die generelle Verlängerung der ⁠Vegetationsperiode⁠ um etwa 10 Tage in den letzten Jahrzehnten, die in nahezu ganz Europa nachweisbar ist. Verbunden mit dem immer zeitigeren Beginn der Blüte, ist die zunehmende Gefahr von Spätfrostschäden, die bereits in einigen Regionen Europas beobachtet wird. Frost während der Blütezeit der Gehölze gehört im Obstbau mit zu den gefährlichsten Witterungsereignissen, wodurch im Extremfall die Ernte eines ganzen Jahres vernichtet werden kann.

Ebenfalls wird seit den 1990er Jahren eine Zunahme von Fruchtschädlingen (z.B. Apfelwickler) in Obstplantagen beobachtet. Veränderungen des Klimas können den Befallsdruck von Schaderregern erhöhen, woraus sich die Notwendigkeit für neue Bekämpfungsstrategien ergibt. Der an der Niederelbe beobachtete phänologische Trend zur Verfrühung der Blüte und Ernte der Obstgehölze in Korrelation mit steigenden Temperaturen konnte auch für den mittlerweile wichtigsten tierischen Schädling des Apfels (den Apfelwickler: Cydia pomonella) nachgewiesen werden. Eine signifikante Verfrühung des Falterflugbeginns wird beobachtet und auch die weitere Entwicklung dieses Insekts reagiert stark auf die Lufttemperatur. So konnte im warmen Sommer 2006, nicht aber im kühleren Sommer 2005, eine zweite Faltergeneration nachgewiesen werden, welche wärmsten von drei Standorten zu einer Fruchteinbohrung im Vorerntezeitraum führte.

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

Unter Vulnerabilität werden Schadensrisiken verstanden, die in einzelnen Wirtschaftsbereichen sowohl von der regionalen Ausprägung des Klimawandels abhängen, als auch von dem möglichen Anpassungsgrad im jeweils betrachteten Sektor. Die Vulnerabilität (Verwundbarkeit) wird für die Hauptobstanbaugebiete Deutschlands analysiert.

Dringlichkeit und Priorisierung von Anpassungsbedarf 

Im Vergleich zum Pflanzenbau, wo Möglichkeiten zur Anpassung relativ schnell greifen können, sind bei der Anlage und Umgestaltung von Obstplantagen längerfristige Aspekte unbedingt zu berücksichtigen. Je nach Obstart beträgt hier die Nutzungsdauer der Anlage 12 bis 25 Jahre, so dass Veränderungen in der Sortenwahl rechtzeitig durchgeführt werden müssen.

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Klimaänderungen beinhalten neben Risiken auch Chancen. Durch geeignete Anpassungsmaßnahmen gilt es Risiken (Spätfrostgefährdung, Verkürzung der Reifephasen, Wassermangel, Schädlingsbefall etc.) zu minimieren und Chancen (verlängerte Vegetationszeit, höhere Temperaturen) optimal zu nutzen. Dies kann durch eine geeignete Auswahl von Obstsorten und -arten erfolgen. Beispielsweise ist Steinobst generell kälteempfindlicher und würde somit von einer Erwärmung profitieren.

Für den Schädlingsbefall durch den Apfelwickler kann die Pheromon-basierte Verwirrungsmethode angewendet werden. Wenn es gelingt, den Befallsdruck des Apfelwicklers durch die Etablierung der Verwirrungsmethode und die Optimierung der Prognosen zu stabilisieren, eröffnet dies insbesondere den ökologisch wirtschaftenden Erzeugern die Möglichkeit zur Anpassung an die sich durch den ⁠Klimawandel⁠ bereits jetzt verändernden Produktionsbedingungen und kann zudem effektive Insektizid-Einsparungsmöglichkeiten realisieren helfen.

Zeithorizont
  • 2071–2100 (ferne Zukunft)
Weitere Zeitangaben und Erläuterungen 

heute und bis 2100

Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Es werden die Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung im Bereich Obstbau betrachtet. Dies betrifft sowohl den Obstbau als Landnutzungsform, als auch die Sicherung der Betriebe, Arbeitsplätze und Einkünfte in diesem Wirtschaftsbereich.

Schritt 4: Maßnahmen planen und umsetzen

Kosten 

Wettbewerbsfähige und rentable Gestaltung des Sektors Obstbau. Abschätzung der ökonomischen Folgen von Anpassungsmaßnahmen des Obstbaus an den ⁠Klimawandel⁠.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

BMBF⁠ - Fördermaßnahme klimazwei "Forschung für den ⁠Klimaschutz⁠ und Schutz vor Klimawirkungen" des Rahmenprogramms "Forschung für ⁠Nachhaltigkeit⁠" (FONA)

Projektleitung 

Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Pflanzenbauwissenschaften, Lehrgebiet Agrarmeteorologie

Beteiligte/Partner 

Obstbau-Versuchs- und Beratungszentrum Jork, Obstbauversuchsanstalt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen;

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, Abt. Energie, Verkehr, Umwelt

Ansprechpartner

Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
D-10099 Berlin

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Handlungsfelder:
 Landwirtschaft