Der vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen veröffentlichte UNEP Emissions Gap Report 2022 „The Closing Window – Climate crisis calls for rapid transformation of societies“ setzt die klare Botschaft, dass die Staatengemeinschaft sich weiterhin nicht auf einem Pfad befindet, der ein Einhalten der Paris-Ziele zulässt. Die vollständige Umsetzung der unkonditionierten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) (also NDCs ohne Unterstützung in Form von Finanzierung, Technologietransfer oder Kapazitätsaufbau) würde die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts schätzungsweise auf etwa 2,6 °C begrenzen (66 Prozent Wahrscheinlichkeit), bei Umsetzung der konditionierte NDCs auf 2,4 °C. Unter dem „current policies scenario“ wird der Anstieg auf 2,8 °C geschätzt. Die Analysen machen deutlich, dass die Zeit der kleinen Schritte vorbei ist – es wird eine systemweite und tiefgreifende Transformation benötigt. Der Bericht analysiert entsprechend in diesem Jahr, wie diese Transformation durch Maßnahmen in den Sektoren Stromversorgung, Industrie, Verkehr und Gebäude sowie Lebensmittel- und Finanzsysteme erreicht werden kann. Der Bericht erschien am 27. Oktober 2022 nach aktiver Beteiligung verschiedener UBA-Mitarbeiter*innen.
Mit diesen Aussagen stimmt auch der 2021 bei der COP26 in Glasgow (UK) mandatierte und kürzlich erschienene Bericht des UN-Klimasekretariats überein: Der UNFCCC Synthesis Report „Nationally determined contributions under the Paris Agreement“ stellt heraus, dass die Umsetzung der sogenannten konditionierten NDCs (also NDCs mit Unterstützung in Form von Finanzierung, Technologietransfer oder Kapazitätsaufbau) für 2030 einen Rückgang der Treibhausgasemissionen von 3,6 Prozent gegenüber 2019 bedeuten würde. Die Umsetzung der unkonditionierten NDCs würden für 2030 einen Anstieg von 3,1 Prozent gegenüber 2019 bedeuten. Ein Scheitelpunkt der globalen Emissionen ist somit möglich. Die Aussagen des neusten Berichtes des Weltklimarats (IPCC) von April 2022 machen jedoch deutlich, wie weit man mit diesen Anstrengungen von den Zielen des Übereinkommens von Paris entfernt ist. Ein Temperaturanstieg von maximal 1,5 °C kann nur erreicht werden, wenn die Emissionen vor 2025 fallen und bis 2030 die Emissionen um 43% gegenüber 2019 zurückgehen. Die unter den NDCs erwartbaren Treibhausgas- (THG-) Emissionen würden in dieser Dekade der 2020er-Jahre 86 Prozent des Kohlenstoffbudgets des 1,5 °C-Pfades bzw. 37 Prozent des Kohlenstoffbudgets eines 2 °C-Pfades verbrauchen.
Der World Energy Outlook 2022 der International Energy Agency (IEA) zeigt auf: Die globale Energiekrise – ausgelöst durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine – hat weitreichende Auswirkungen auf Haushalte, Unternehmen und ganze Volkswirtschaften und führt zu kurzfristigen Reaktionen der Regierungen sowie zu einer tieferen Debatte darüber, wie das Risiko zukünftiger Störungen verringert und die Energiesicherheit gefördert werden kann. Hohe Energiepreise bewirken einen enormen Vermögenstransfer von den Verbrauchern zu den Produzenten. Für Öl geschieht dies auf einem Niveau, das es zuletzt 2014 gab. Bei Erdgas geschieht dies völlig beispiellos. Hohe Brennstoffpreise sind für 90 Prozent des Anstiegs der durchschnittlichen Stromerzeugungskosten weltweit verantwortlich, Erdgas allein für mehr als 50 Prozent. Die Kosten für Erneuerbare und der CO2-Preis spielen dabei nur eine marginale Rolle und unterstreichen, dass es sich um eine Krise handelt, in der die Energiewende die Lösung und nicht das Problem ist. Zu den energiebedingten CO2-Emissionen wird berichtet, dass diese im Jahr 2021 auf 36,6 Gigatonnen CO2 anstiegen – der größte jährliche Anstieg aller Zeiten. Im IEA Stated Policies Scenario (STEPS) erreichen die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 ein Plateau bei etwa 37 Gigatonnen, bevor sie langsam auf 32 Gigatonnen im Jahr 2050 abfallen. Dies würde bis 2100 zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2,5 °C führen. Im IEA Announced Pledges Scenario (APS), das von der Implementierung aller Regierungsankündigungen zum Klimaschutz ausgeht, erreichen die Emissionen schon Mitte dieses Jahrzehnts ihren Scheitelpunkt und würden zu einem Temperaturanstieg von 1,7 °C bis Ende des Jahrhunderts führen.
Weitere Berichte mit Relevanz für die COP27, die kürzlich publiziert wurden, sind:
- der UNEP Adaptation Gap Report 2022, welcher sich mit den Fortschritten bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen befasst und angibt, dass 84 Prozent der Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) diverse Anpassungspläne, Strategien, Gesetze und Richtlinien aufgestellt haben und die Instrumente auch immer besser darin werden, benachteiligte Gruppen wie indigene Völker zu priorisieren. Jedoch folgt bisher keine ausreichende Finanzierung, um diese Pläne und Strategien in die Tat umzusetzen. Die internationalen Finanzströme für Anpassungsmaßnahmen an die Entwicklungsländer liegen 5- bis 10-mal unter dem geschätzten Bedarf. Der geschätzte jährliche Anpassungsbedarf beläuft sich bis 2030 auf 160-340 Milliarden US-Dollar und bis 2050 auf 315-565 Milliarden US-Dollar.
- das WMO Greenhouse Gas Bulletin; es dokumentiert für 2021 den größten Anstieg der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffmonooxid (Lachgas, N2O) in der Atmosphäre seit dem Beginn der Aufzeichnungen vor 40 Jahren.
- der "State of Climate Action 2022"-Bericht, der anhand von 40 Indikatoren aufzeigt, in welche Richtung die systemweite Transformation in verschiedenen Sektoren geht und dokumentiert, dass derzeit kein Sektor auf dem Weg ist, die nötigen Ziele zu erreichen.
- der "Climate Transparency 2022"-Bericht (PDF) zu ungenügenden Maßnahmen der G20 und
- der Bericht State of Nationally Determined Contributions 2022, der weitere Daten zu den nationalen Klimaschutzbeiträgen (NDCs) von Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention liefert.