Die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid sind vor mehr als 20 Jahren festgelegt worden und entsprechen nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung. Die EU-Kommission schlägt daher in ihrem Entwurf für eine neue Luftqualitätsrichtlinie schärfere Grenzwerte vor, die sich stärker an den 2021 veröffentlichten Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren.
Das UBA begrüßt die strengeren Grenzwerte für Luftschadstoffe zum Schutz der menschlichen Gesundheit, die im Entwurf der EU-Kommission vorgelegt wurden. Diese ab 2030 einzuhaltenden Grenzwerte orientieren sich an den WHO-Richtwerten, die im Jahr 2021 auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Teil grundlegend aktualisiert wurden (siehe Tabelle). Jedoch gibt es eine Diskrepanz zwischen den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Grenzwerten und den Richtwerten der WHO insbesondere für die Luftschadstoffe Feinstaub (PM10 und PM2,5) und Stickstoffdioxid. Wir unterstützen das Ziel der EU-Kommission, mit den Vorschlägen für strengere Grenzwerte einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu dem Null-Schadstoff-Ziel in der EU, d. h. einer schadstofffreien europäischen Umwelt bis 2050 zu gehen. Die neu vorgeschlagenen EU-Grenzwerte sind ein zentraler Meilenstein auf diesem Weg mit dem Ziel der Einhaltung der WHO-Richtwerte.
Luftverschmutzung ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft die größte Umweltgefahr für die Gesundheit in Deutschland und ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von chronischen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, bestimmte Krebserkrankungen und Diabetes Mellitus Typ 2. Alle Menschen in Europa sind Luftschadstoffen ausgesetzt und der größte Teil der Bevölkerung atmet Luft, die Feinstaubkonzentrationen oberhalb der WHO-Richtwerte aufweist. Insbesondere vulnerable und daher besonders schutzbedürftige sowie sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind überdurchschnittlich stark von Luftverschmutzung betroffen.
Verschmutzte Luft schadet zudem der Umwelt und führt zu Versauerung, Eutrophierung und Schädigung von Wäldern, Ökosystemen und Nutzpflanzen.
Die von der WHO veröffentlichten Richtwerte basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und verfolgen das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Grenz- und Zielwerte, wie sie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurden, sind im Unterschied dazu gesetzlich festgelegte Werte, die im Fall von Grenzwerten ab einem bestimmten Zeitpunkt verbindlich einzuhalten sind. In ihre Festlegung fließen neben Überlegungen zur Erreichbarkeit der Einhaltung auch Betrachtungen ein, bei denen der Nutzen von Minderungsmaßnahmen den Kosten (verbunden evtl. auch mit gesellschaftlichen Risiken) gegenübergestellt wird. Die Europäische Kommission hat für diesen politischen Aushandlungsprozess eine wissenschaftliche Kosten-Nutzenabschätzung vorgelegt. Diese bildet eine Grundlage für die Verhandlungen zum Richtlinienentwurf, der auch die Grenz- und Zielwerte enthält, die im Verlauf dieses Jahres zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat erfolgen.
Wir erkennen die Schwierigkeiten und die Herausforderungen, die in der EU-weiten Einhaltung der vorgeschlagenen Grenzwerte und der Umsetzung der weiteren im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen (wie z. B. eine Erweiterung der Luftreinhalteplanung, verstärkte Nutzung von Modellverfahren und Verwendung eines Luftqualitätsindex zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit) liegen. Das UBA geht davon aus, dass zur Einhaltung der Vorgaben der neuen Richtlinie auch in Deutschland zusätzliche Maßnahmen in der Luftreinhaltung und Luftqualitätsüberwachung erforderlich sein werden, die über die gegenwärtigen technischen und regulativen Anforderungen der bisherigen Gesetzgebung hinausgehen. Aus Sicht des Gesundheitsschutzes ist dennoch anzustreben, die Luftschadstoffbelastung weitergehend zu reduzieren, um die WHO-Richtwerte schnellstmöglich einzuhalten.