Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Flora in Deutschland

Hintergrund und Ziele

Die Durchschnittstemperatur in Europa hat sich im Verlaufe der letzten hundert Jahre um ca. 1°C erhöht. Insbesondere die 1990er Jahre waren das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen und blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Lebewelt dieses Planeten. Sowohl in zeitlicher (Phänologie) als auch in räumlicher Dimension können bei Vorhandensein einer ausreichenden Datenlage Reaktionen von Pflanzen- und Tierarten festgestellt werden (siehe Projekt "⁠Klimawandel⁠ und Naturschutz in Deutschland"). Dabei sind Arealverschiebungen von Pflanzen und Pflanzengemeinschaften ein Indiz für den klimatischen Wandel, die nicht allein ökologische sondern auch sozioökonomische und naturschutzrelevante Fragen vor dem Hintergrund des Schutzes der ⁠Biodiversität⁠ aufwerfen. Augenscheinlich für den Betrachter sind zunächst Veränderungen der Verbreitungsmuster von Arten an der Kältegrenze (montane oder polwärtige Verbreitungsgrenze). Die Arealausdehnung von Arten kann mit Angaben zu ihrer bioklimatischen Leistungsgrenze in Beziehung gesetzt werden. Auf dieser Grundlage können dann Szenarien von ⁠Klima⁠- oder Umweltparametern genutzt werden, um Prognosen der Auswirkungen des Klimawandels auf die ⁠Flora⁠ zu treffen.

Die Ziele des Projekts liegen in der Aufklärung der Klimasensitivität der in Deutschland vorkommenden wildwachsenden Farn- und Blütenpflanzen auf der Basis von modellierten und beobachteten Arealverschiebungen. Damit sollen erste Grundlagen für die naturschutzfachliche Bewertung und die Ableitung von Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Konkret werden folgende Ergebnisse erarbeitet:

  1. Simulation von Arealverschiebungen der Arten der Flora Deutschlands, für die eine Modellierung auf Grund des Kenntnisstandes und der Datenlage möglich und sinnvoll ist. Als Ergebnis kann für diese Arten prognostiziert werden, wo in Zukunft klimatische und edaphische Faktorkombinationen vorherrschen, unter denen die Spezies gegenwärtig vorkommen.
  2. Ökologische Risikoabschätzung für Arten, die zurzeit noch ungefährdet sind aber durch Klimawandel zurückgehen könnten.
  3. Abschätzung des klimainduzierten Ausbreitungspotentials von gebietsfremden Arten, die in Deutschland regelmäßig auftreten oder in den Nachbarländern bereits eingebürgert sind.
  4. Aufzeigen von durch den Klimawandel besonders betroffenen Arten, bei denen Arealverschiebungen schneller zu erwarten sind als durch das Ausbreitungspotential der Arten kompensiert werden kann.
  5. Darstellung von aktuell zu beobachtenden Arealverschiebungen auf Grundlage von Felduntersuchungen an ausgewählten Zielarten.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Baden-Württemberg
  • Bayern
  • Berlin
  • Brandenburg
  • Bremen
  • Hamburg
  • Hessen
  • Mecklenburg-Vorpommern
  • Niedersachsen
  • Nordrhein-Westfalen
  • Rheinland-Pfalz
  • Saarland
  • Sachsen
  • Sachsen-Anhalt
  • Schleswig-Holstein
  • Thüringen

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Die Modellierung erfolgt auf Grundlage der Verbreitungsgebiete der Pflanzenarten in Deutschland und nutzt dazu die Datenbank FLORKART. ⁠Klima⁠- und Landnutzungsparameter, relevante geologische und bodenkundliche Faktoren sowie bio-ökologische Daten aus der Datenbank BiolFlor werden einbezogen. Als erstes erfolgt eine Klassifizierung von Klimaelementen in so genannte multidimensionale Klimaräume. In diesen Klimaräumen werden Messtischblätter nach der Ähnlichkeit ihrer Klimaparameter zusammengefasst. Auf statistischem Weg werden Arten entsprechend ihrer Klimaräume zugeordnet. Die ⁠Projektion⁠ einer Arealverschiebung erfolgt unter Annahme von drei unterschiedlichen Klimawandelszenarien (+2°C, +3°C und +4°C; siehe auch Projekt ALARM). Demnach verändert sich die Zuordnung der Messtischblätter zu den Klimaräumen. Durch statistische Ansätze wie verallgemeinerte lineare Modelle, verallgemeinerte additive Modelle, neuronale Netzwerke und unter Berücksichtigung des Artenpool-Konzepts werden auf Grundlage der projizierten neuen Klimaräume potentielle Areale der ⁠Flora⁠ Deutschlands modelliert.

Parameter (Klimasignale)
  • Veränderte Niederschlagsmuster
  • Höhere mittlere Temperaturen
  • Trockenheit
Weitere Parameter 

trockenere Sommer, feuchtere Winter

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Die potenziellen Verbreitungsgebiete von Pflanzen (und Tieren) werden durch klimatische Faktoren wie Temperatur und Niederschlag begrenzt. Zusätzlich sind die realisierten Verbreitungsgebiete u.a. aufgrund von Landnutzungswandel, Nährstoffangeboten und Konkurrenz weiter eingeschränkt. In den letzten Jahren werden bei Pflanzen wie z.B. der Stechpalme Ausbreitungsbewegungen in Richtung Nordosten - parallel mit zunehmenden Temperaturen - beobachtet, die auf den ⁠Klimawandel⁠ zurückgeführt werden können.

Ergebnis des Projekts ist u.a., dass natürliche System bereits heute durch den anthropogenen Klimawandel beeinflusst werden, wobei Schutzbemühungen und Landnutzungsveränderungen aktuelle Klimasignale in den Artarealen überdecken können. Bei fortschreitender moderater ⁠Klimaänderung⁠ von ca. +2,2°C bis 2080 reduzieren sich für ca. 60% der betrachteten Arten in Deutschland die Gebiete mit geeigneten Bedinungen. Der Artenrückgang und die Verbesserung der Bedingungen für andere Arten können zu Veränderunen der lokalen Artenzusammensetzung führen. Weiterhin ergeben die Analysen, dass im Modell mit den getesteten Arten vor allem in Ost- und Südwestdeutschland die größten Veränderungen im Artenpool durch Arealverlust von Spezies auftreten könnten.

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Dringlichkeit und Priorisierung von Anpassungsbedarf 

In Abhängigkeit von ⁠Landnutzung⁠ sowie Biologie, Ökologie und Verbreitung der Pflanzenarten sind bereits Arealverschiebungen erfolgt. Hier besteht dann vorrangiger Handlungsbedarf, wenn dieses zur starken Verkleinerung von Verbreitungsgebieten führt.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)

Projektleitung 

Helmholtz Zentrum für Umweltforschung - UZF, Department Biozönoseforschung, Halle

Beteiligte/Partner 

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK);

Institut für Geobotanik, Universität Hannover;

Lehrstuhl für Pflanzenökologie, Universität Bayreuth

Ansprechpartner

Helmholtz Centre for Environmental Research - UZF
Department Biozönoseforschung
Theodor-Lieser-Straße 4
D-06120 Halle/Saale

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Handlungsfelder:
 Biologische Vielfalt