Hintergrund und Ziele
„Die Anpassung von Städten und Regionen an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels ist seit einigen Jahren ein wichtiges Forschungs- und Arbeitsfeld der räumlichen Planung. Extremereignisse, die weltweit für Schlagzeilen in den Medien sorgen, und die Warnungen der Versicherungswirtschaft vor steigenden Schadenspotenzialen insbesondere in dicht besiedelten Bereichen verdeutlichen die Brisanz des Themas. Der Handlungsdruck zur Vorsorge wächst, auch wenn erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die Wirkfolgen des Klimawandels zu grundlegenden und nachhaltigen Veränderungen unserer Lebenswelten führen werden. Mit Blick auf die Persistenz städtebaulicher Strukturen wie auch auf die Langlebigkeit der oftmals kostenintensiven Infrastrukturen müssen bereits heute die Weichen für eine resiliente Entwicklung unserer Städte und Regionen gestellt werden.
Der Klimawandel wirkt sich räumlich sehr unterschiedlich aus. Gründe hierfür liegen in den groß- wie kleinräumig differenzierten klimatischen Veränderungen, den räumlich wie sektoral variierenden Sensitivitäten von Raum und Gesellschaft sowie den Unterschieden bezüglich der Anpassungskapazität, d .h. den Möglichkeiten, auf klimatische Veränderungen (vorsorgend) zu reagieren. Städte und Regionen müssen sich dementsprechend mit ihrer individuellen Betroffenheit in Bezug auf die zu erwarten- den Klimawandelfolgen auseinandersetzen.
Um diesen raumspezifischen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es belastbarer Grundlagen, die es ermöglichen, politisch-planerisches Handeln im Bereich der Klimaanpassung auf die erforderlichen Strategien und Maßnahmen zu konzentrieren (BMVBS 2007; Bundesregierung 2008; MKRO 2009; Europäische Kommission 2009). Die räumlichen Auswirkungen des Klimawandels sind zudem mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Der Umgang mit diesen Unsicherheiten wirft viele Fragen auf, nicht zuletzt nach abwägungsfesten Methoden zur Ermittlung der Klima(wandel)betroffenheit als Grundlage für verbindliche Planungsaussagen zur Klimaanpassung. Hiermit verbindet sich auch die durchaus kontrovers geführte Diskussion um die Verwendbarkeit von Projektionen zum Klimawandel als Grundlage rechtsverbindlicher Aussagen in der Regionalplanung.
Die zahlreichen Veröffentlichungen zu Klimafolgen und Klimaanpassung lassen erkennen, dass es bislang weder ein einheitliches Konzept, noch einen einheitlichen Begriffskanon zur Klimafolgenbewertung in der räumlichen Planung gibt (BMVBS 2011b, Franck/Overbeck 2012). Deshalb bietet die Bundesraumordnung mit diesem Methodenhandbuch ein anwenderbezogenes, fachliches Unterstützungsangebot zur Ermittlung der regionalen Klima(wandel)betroffenheit für die Planungspraxis an, das auch den unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen Rechnung trägt.
Das Methodenhandbuch beruht auf Erkenntnissen, die auf Bundes-, Länder- und regionaler Ebene im Rahmen zahlreicher Forschungsaktivitäten und Modellvorhaben gewonnen wurden. So starteten 2009 die Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“, kurz KlimaMORO, mit der Entwicklung regionaler Klimaanpassungsstrategien und mit Pilotprojekten. Erste Auswertungen zeigt die im Oktober 2011 erschienene BMVBS Online-Publikation 21 „Vulnerabilitätsanalyse in der Praxis. Inhaltliche und methodische Ansatzpunkte für die Ermittlung regionaler Betroffenheiten“. Die vorliegende Broschüre zur Klimafolgenbewertung ist die übergreifende Expertise des KlimaMORO – Phase II, in der sieben Modellvorhaben spezifische Fragestellungen vertiefen.“
Laufzeit
bisUntersuchungsregion/-raum
- Deutschland
- Bundesweit
- Deutschland gesamt
Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel
Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben
Das Methodenhandbuch schlägt eine Klimafolgenanalyse vor:
„Der Ansatz fokussiert auf der Analyse der Klimasignale und der Sensitivitäten, wobei die Betrachtung der Sensitivität kontextbezogen in Relation zu den jeweiligen Wirkfolgen erfolgt. Die Betroffenheiten der einzelnen Raumfunktionen und -nutzungen ergeben sich aus der Verknüpfung von Indikatoren zu Klimasignal und Sensitivität […].
Der Ansatz unterscheidet den zeitlichen Bezug der Einzelfaktoren und macht dies im Endergebnis transparent – in einer Bewertung des Status quo und von Szenarien. Zentral sind zunächst rezente Klimadaten, um sowohl das Klimasignal als auch die Sensitivität der gegenwärtigen Raumnutzungen bzw. Raumfunktionen anhand von Indikatoren kohärent zu beschreiben, abwägungsfest beurteilen und regionalplanerische Handlungserfordernisse ableiten zu können. […] Klimawandelsignale lassen sich damit in ein planerisch relevantes Verhältnis zur aktuellen Situation in der Region setzen. Es geht also zunächst darum, die Frage nach aktuellen Betroffenheiten zu beantworten und dann zu sehen, ob sich mit dem Klimawandel bestehende Betroffenheiten verstärken oder neue geschaffen werden. Auf diese Weise kann in der regionalplanerischen Klimafolgenanalyse auch herausgearbeitet werden, welcher Veränderungsfaktor – also der Klimawandel oder der sozioökonomische Wandel – eigentlich der maßgebliche Treiber für eine sich in Zukunft verändernde Betroffenheit eines Raums gegenüber dem Klimawandel ist. Damit steht dann eine methodisch konsistente, nachvollziehbare und gerichtsfeste Grundlage für raumordnerische Anpassungsstrategien zur Verfügung.“
Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)
„Der Klimawandel zeigt regional sehr unterschiedliche Auswirkungen. Das Methodenhandbuch bietet daher drei Bearbeitungstiefen an, um unterschiedlichen Einsatzbereichen, Anforderungen und Prozessphasen gerecht zu werden.
1. Geringe Bearbeitungstiefe = Screeningverfahren
Gesamt-/Teilräumliche Ersteinschätzung regionaler Klimafolgenbetroffenheit
2. Mittlere Bearbeitungstiefe = Referenzverfahren
Bereichsscharfer Standard zur Abschätzung von Betroffenheiten und damit zur Klimafolgenbewertung auf Ebene der Regionalplanung
3. Hohe Bearbeitungstiefe = Szenarioverfahren
detaillierte Analysen der Klimafolge im Kontext zukünftiger regionaler Entwicklungen“
Wer war oder ist beteiligt?
Studie im Rahmen von BBSR KlimaMORO
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
- agl | Hartz • Saad • Wendl
- plan + risk consult
Referat I 6 - Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Deichmanns Aue 31 - 37
53179 Bonn