Klimaanpassungsbelange bei kommunalen Planungsprozessen berücksichtigen
Ihrer Kommune steht zur Integration und Steuerung der Klimaanpassung in Deutschland ein umfangreiches rechtliches Instrumentarium formeller und informeller Planungsinstrumente zur Verfügung, die sich jeweils ergänzen können. Entscheidend ist, wie Sie diese Instrumente effizient für die Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen einsetzen. Verschaffen Sie sich genaue Kenntnisse über die Instrumente und lernen Sie von guten Beispielen in anderen Kommunen, die die planerischen Steuerungsinstrumente zur Bewältigung der Aufgabe Klimaanpassung eingesetzt haben. Dieser Prozess der Integration von Anpassungsaspekten in reguläre, alltägliche Planungs- und Entscheidungsprozesse wird auch als Anpassungs-Mainstreaming bezeichnet. Mögliche Integrationspunkte für das Thema Anpassung auf der kommunalen Ebene sind beispielweise die Bauleitplanung mit dem Flächennutzungs- und Bebauungsplan und der Stadtumbau auf der formellen Ebene und ein integriertes Stadtentwicklungskonzept auf der informellen Ebene.
Mit der Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) in 2011 hat der Bund der Klimaanpassung einen höheren Stellenwert eingeräumt, indem er mit einer neuen Klausel im § 1 des BauGB den Klimabelangen (Klimaschutz und Klimaanpassung) bei der planungsrechtlichen Abwägung ein zusätzliches rechtliches Gewicht verliehen hat. Damit wurden bundesrechtlich die ersten Weichen für eine kontinuierliche Betrachtung der Klimaanpassung im Rahmen der Bauleitplanung und somit für eine klimagerechte Stadtentwicklung gestellt. Gleichzeitig wurden rechtliche Grundlagen gelegt, die dazu beitragen sollen, dass bei Stadtumbau- und Sanierungsmaßnahmen die Ziele der Klimaanpassung mit zu berücksichtigen sind.
Klimaanpassung in die Bauleitplanung integrieren
In der Novelle wird Klimaanpassung als Aufgabe der Bauleitplanung ausdrücklich benannt, wobei der Flächennutzungsplan (kurz F-Plan) die Aufgabe hat, die Grundzüge der kommunalen Entwicklung darzustellen, der Bebauungsplan (kurz B-Plan) dagegen ein konkretes Baurecht schafft. Im Flächennutzungsplan können Sie nunmehr entscheiden, welche Darstellungen Sie für sinnvoll erachten, um Anpassungsthemen zu verankern. Es ist auch denkbar, dass Sie einen separaten Beiplan Klimaanpassung zum Flächennutzungsplan erstellen.
Darstellungsmöglichkeiten der Flächennutzungsplanung: (Ausgewählte Beispiele für Maßnahmenbereiche und Regelungsgegenstände)
- Standortsteuerung für Bauflächen und Baugebiete, Anlagen und Einrichtungen, Verkehrsflächen und Verkehrszüge, Ver- und Entsorgungsanlagen sowie Grünflächen zur Vorsorge vor den Folgen des Klimawandel: Darstellung von Bauflächen und Baugebiete, Anlagen und Einrichtungen, Verkehrsflächen und Verkehrszüge, Ver- und Entsorgungsanlagen sowie Grünflächen, § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr.5 BauGB
- Freihalten von Kaltluftentstehungsflächen und Kalt- und Frischluftbahnen: Darstellung von Grünflächen, § 5 Abs. 2 Nr.5 BauGB; Darstellung von Wasserflächen, §5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB
- Hinweis auf das Erfordernis einer bauliche Vorsorge gegenüber Naturgefahren auf besonders gefährdeten Flächen: Kennzeichnung der Flächen mit Gefährdungspotenzial durch Naturgewalten (Überschwemmung, Massenbewegungen, Steinschlag), § 5 Abs. 3 Nr. 1 BauGB
- Überschwemmungsgebiete, fachplanerische
Festlegungen (Wasserwirtschaft, Luftreinhaltepläne etc.): Nachrichtliche Übernahme festgesetzter Überschwemmungsgebiete, §5 Abs. 4a BauGB, Hochwasserschutz, Gewährleistung des Wasserabflusses, § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB
Der Bebauungsplan ist vor allem deshalb relevant für die Planungspraxis, da erst in den Bebauungsplänen die rechtsverbindliche Festsetzung gemäß § 9 BauGB und somit die Realisierung von Klimaanpassungsmaßnahmen stattfindet. Die folgende Übersicht zeigt für ausgewählte Maßnahmenbereiche Festsetzungsmöglichkeiten von Klimaanpassungsmaßnahmen.
Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan: (Ausgewählte Beispiele für Maßnahmenbereiche und Regelungsgegenstände)
- Begrenzung der Verdichtung und Versiegelung zur Vermeidung von Überwärmung: Maß der baulichen Dichte, Grundflächenzahlen, § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB; Bauweise, überbaubare und nicht überbaubare Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB; Festsetzung der Mindestmaße von Baugrundstücken, § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB; Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind und ihre Nutzung, § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB
- Freihalten von Luftleitbahnen, Kaltluftentstehungsflächen: Durchlüftungsoptimierte Stellung baulicher Anlagen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB; Festsetzung von Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind und ihre Nutzung, §9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB; Festsetzung öffentlicher und privater Grünflächen, § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB; Festsetzung von Wasserflächen, § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB; Festsetzung von Flächen und Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft, § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB
- Verbesserung des Kleinklimas und Verminderung der Erwärmung: Schattenspendende Elemente im öffentlichen Raum durch Festsetzung von Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB; Pflanzgebote und Bindungen für Bepflanzungen, die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern, Dach- und Fassadenbegrünung, sonstigen Bepflanzungen und Gewässern, § 9 Abs. 1 Nr.25 BauGB, i.V.m. § 1a BauGB; Festsetzung von Fassadenmaterial, Fassadenfarbe etc. durch Gestaltungssatzungen
- Verbesserung bzw. Ermöglichung der Versickerung: Entgegenwirken von Oberflächenabfluss bei Starkregen, § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB; Schadensresistente Nutzung, ggf. multifunktional für Notentwässerung in hochwassergefährdeten Bereichen planen, § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB; Nutzungszwecke von Flächen (Parkplätze, Freiflächen, Grünflächen, etc.) zur Speicherung von Extremniederschlägen, § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB; Freihaltung von Flächen, § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB; Festsetzen von Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser (einschließlich Notwasserwege), § 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB
- Hochwasserschutz und Regelung des Niederschlagsabflusses: Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB; Festsetzung von Flächen für Hochwasserschutzanlagen und Regelung des Wasserabflusses, §9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB
Im BauGB wurden mit der Novelle auch rechtliche Grundlagen geschaffen, die es Ihnen ermöglichen Klimaanpassung im Stadtumbau und in die städtebauliche Sanierung zu integrieren. Als Anpassungsoptionen im Stadtumbau lassen sich hier insbesondere flächenhafte, nutzungsbezogene und bauliche Strategien nennen, wie beispielsweise Wärmedämmungsmaßnahmen und die Verbesserung des Wohnumfeldes. So können Sie beispielweise in überhitzungsgefährdeten, dicht besiedelten Stadtquartieren mit Defiziten in der Freiraum- und Grünausstattung durch die Schaffung entlastender Grünflächen nicht nur das Wohnumfeld aufwerten und die Lebensqualität steigern sondern auch gleichzeitig positive Effekte auf die klimatische Situation im Quartier erzielen.
Eine weitere Möglichkeit Klimaanpassung zu verankern stellen kommunale Satzungen, z. B. Gestaltungs-, Freiflächengestaltungs- und Baumschutzsatzungen dar, die Sie für Anpassungsziele, insbesondere zur Förderung der Grünausstattung in bestehenden Stadtquartieren, einsetzen können. Die Kommunen haben über die Baumschutzsatzungen eine weitere Steuerungsmöglichkeit, um das Grün in der Stadt zu sichern. Eine der häufigsten kommunalen Satzungen ist die Abwassersatzung, mit der Kommunen festsetzen, in welcher Weise das Niederschlagswasser zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in ein Gewässer einzuleiten ist. Eine solche Festsetzung kann in den Bebauungsplan aufgenommen werden.
Neben diesen eher formellen Instrumenten können Sie auch verschiedene informelle Instrumente nutzen, um das das Thema Klimaanpassung in Planungsprozesse zu integrieren. Hierzu gehören u.a. integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK), städtebauliche Rahmenpläne und sektorale Fachkonzepte (z. B. Konzepte zur Grün- und Freiflächenentwicklung und zur wassersensiblen Stadt). In den Stadtentwicklungskonzepten können Ziele Ihrer kommunalen Anpassungsstrategie mit der Stadtentwicklung verzahnt werden. Im Rahmen des informellen Instruments Wettbewerb können Sie Ziele der Anpassung als Wettbewerbsvorgaben mit einstellen, beispielsweise Anforderungen zur Durchlüftung, Maßnahmen der Grünausstattung und Angaben zu Oberflächen- und Gebäudeeigenschaften.