Naturbasierte Lösungen (NbS, engl. nature-based solutions) und blau-grüne Infrastrukturen (BGI), d.h. ein Netzwerk von naturnahen Grün- und Gewässerflächen, verfolgen weitgehend sich überlagernde Ziele, wodurch sich im großen Umfang Synergien von beiden Konzepten ergeben. Sowohl NbS als auch BGI eignen sich gut für die ökosystembasierte Anpassung an den Klimawandel und bieten vielfältige positive Nebeneffekte, wie beispielsweise Wasserrückhalt sowie die Verbesserung der Luft- und Wasserqualität. Sie sind ebenfalls essentiell für die Biodiversität und fördern das menschliche Wohlbefinden in Städten, in dem sie u.a. zur Erholung und Gesundheit beitragen und der Katastrophenvorsorge dienen.
NbS/BGI sollten natürlichen Systemen ähneln
NbS/BGI können besonders dann die Klimaresilienz von Städten erhöhen, wenn Redundanz und Funktionsvielfalt – beispielsweise durch die Berücksichtigung von Biodiversität – bei ihrer Gestaltung und Pflege beachtet werden. Am besten können NbS/BGI daher zur Resilienz beitragen, wenn sie dem breiten Spektrum natürlicher Systeme ähneln – es sich also um heterogene Landschaften mit einer Vielzahl von zusammengesetzten Lebensräumen und unterschiedlichen Bodenbedingungen handelt, die eine hohe Vielfalt standortangepasster Pflanzen aufweisen – und, gut vernetzt sowie weniger reglementiert und gepflegt sind.
„Grüne Infrastruktur“ ist eine wirkungsvolle Maßnahme
Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Klima und biologischer Vielfalt sowie anderen Politikfeldern machen deutlich, dass integrierte Lösungen erforderlich sind. In diesem Zusammenhang stellt die Europäische Umweltagentur (2020) heraus, dass „grüne Infrastruktur“, vor allem die Erhöhung des Grünflächenanteils, eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels in Städten darstellt und parallel auch als eine grundlegende Antwort auf den Verlust der biologischen Vielfalt gesehen wird.
Um ihr volles Potenzial in Städten auszuschöpfen, sollten NbS/BGI keine Insellösungen sein, sondern als ein funktionales Netzwerk konzipiert werden, um Hitzeinseln und Überflutungen wirksam zu reduzieren. Sie sollten multifunktional entwickelt und umgesetzt werden, um die vielfältigen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger an die Aufenthaltsqualität in Städten zu erfüllen. Dies sollte in enger Abstimmung mit den Zielen zum Erhalt der biologischen Vielfalt geschehen.
Kombination von Konzepten ist wichtig
Eine Möglichkeit zur Steigerung der Umsetzung von NbS/BGI ist deren Zusammenführung mit herkömmlicher gebauter „grauer“ Infrastruktur zu einer grün-blau-grauen Infrastruktur. Dies ist in erster Linie in enger Zusammenarbeit mit Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen in den Bereichen Verkehr, Abfall, Wasser und Energie möglich. Wichtig ist die Kombination von städtischem Grün mit hoher Biodiversität und einem geeigneten Konzept für das Wassermanagement („Sponge City“-Konzept), um sowohl die Klimaauswirkungen auf das städtische Grün selbst abzuschwächen als auch die Kühlleistung der BGI sicherzustellen und gleichzeitig z. B. Starkregenereignisse abzumildern.
Immer mehr Städte in der Europäischen Union (EU) haben bereits begonnen, NbS/BGI in ihre Strategien und Pläne zu integrieren. In Deutschland gibt es aktuelle, zukunftsweisende Politik und Programme zur Förderung urbaner grüner Infrastruktur – wie das "Bundeskonzept Grüne Infrastruktur", welches 2017 gestartet wurde– sowie den Masterplan Stadtnatur (BMU 2019), die Städtebauförderung oder das Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“. Die Umsetzung ist jedoch oft auf Pilotprojekte beschränkt und führt nicht zu einem Ausmaß, welches erforderlich ist, um die Vorteile der NbS/BGI für die Biodiversität oder die Klimaresilienz effektiv zu nutzen. So konnten deutsche Städte bisher trotz eines gut etablierten Planungssystems weder den Verlust der Biodiversität in den Städten stoppen noch das Potenzial von NbS/BGI für die Klimaresilienz voll ausschöpfen. Dies deutet auf einen Mangel an einschlägiger politischer Integration in den aktuellen Plänen und Strategien sowie auf Lücken in deren effektiver Umsetzung hin. Die dafür verantwortlichen Hindernisse für die Umsetzung von NbS/BGI sind gut erforscht und umfassen gegensätzliche Interessen (z. B. bei der Nutzung von Land), inkompatible institutionelle Regeln und Organisationsstrukturen, ebenso wie Pfadabhängigkeit, z. B. die fehlende Ämter- und Fachbehörden übergreifende Zusammenarbeit, und unzureichenden Zugang zu Wissen und Erfahrungen.
Bedeutend für Klimaresilienz und biologische Vielfalt
Auch in den aktuellen Strategien der Europäischen Kommission, wie der Grünen Infrastrukturstrategie (2013), dem Europäischen Green Deal (2019), der Biodiversitätsstrategie für 2030 (2020) und der Anpassungsstrategie (2021) wird immer wieder die Bedeutung von NbS/BGI sowie der Klimaanpassung hervorgehoben. Die Auszeichnungen „Grüne Hauptstadt Europas“ und „Grünes Blatt“, mit denen europäische Städte bedacht werden, die in zwölf wichtigen Umweltbereichen ein starkes Engagement für urbane Nachhaltigkeit zeigen, fördern ebenfalls Klimaresilienz und biologische Vielfalt. Um messbare Wirkungen auf einer stadtweiten Ebene zu erzeugen, die die Ziele der EU Strategien erfüllen, sind jedoch integrierte Planung und Management auf kommunaler Ebene erforderlich.
Daher schlägt die EU-Biodiversitätsstrategie zur Unterstützung der Umsetzung einer Vision der Stadtbegrünung die Entwicklung von Stadtbegrünungsplänen („Urban Greening Plans“) in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern vor. Derzeit wird hierfür in der EU-Kommission ein Konzept für eine integrierte Methodik entwickelt, das demnächst diskutiert werden soll. Die „Urban Greening Plans“ (UGP) sind ein Instrument zur verstärkten Umsetzung von NbS/BGI und sollen auf den vorhandenen und erprobten, sektorübergreifenden, integrierten Stadtbegrünungsplänen aufbauen und auf lokaler Ebene bei der Entwicklung „grüner“ Strategien, Politiken und Maßnahmen helfen. Deutsche Städte können mit ihren bestehenden Planungsinstrumenten (z. B. Grünflächenplanung, Landschaftsplanung) ein Beispiel guter Praxis für andere Länder sein und wertvolles Know-how und Planungsmethoden weitergeben.
Integrierte Grünentwicklung
Das UBA bringt sich in den Diskurs zur Ausgestaltung der UGP ein und sieht in diesen vor allem einen Bedarf an einer integrierten Grünentwicklung, welche stadtklimatisch funktional erfolgt und mit einer nachhaltigen Mobilität verknüpft gedacht wird. UGP sollten kommunale Lösungsprozesse in Gang setzen, die neben der Biodiversität auch die Luftqualität, die Lebensqualität und Gesundheit der Einwohner*innen in den Städten erhöhen.
Gerade jetzt scheint ein hervorragendes Zeitfenster für eine verstärkte Umsetzung von NbS und BGI für Städte, Universitäten und Forschungsinstitute, um zusätzliche Mittel für die Erforschung und Demonstration neuer Ansätze und Lösungen für ökosystembasierte Anpassung an den Klimawandel zu erhalten. Dies gilt auch aufgrund der finanziellen Mittel, die im Rahmen der Corona-Konjunkturprogramme bereitgestellt werden, und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit für die Bedeutung von urbanen Grünflächen.
Autor*innen:
Bettina Wilk, Patrycja Długosz-Stroetges, Julia Peleikis, Barbara Anton, Holger Robrecht (ICLEI Europasekretariat)
Marco Neubert (Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung)
Inke Schauser, Andreas Vetter (Umweltbundesamt)
Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. xx veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.