Welche Auswirkungen hat der Klimawandel und wie bereiten wir uns vor?
Der Klimawandel und seine Folgen sind bereits in Deutschland spürbar: Die heißen und trockenen Sommer 2019 und 2018 sowie die Starkregenereignisse in den Jahren 2016 und 2017 bringen den Klimawandel stärker ins öffentliche Bewusstsein. Folgen für die menschliche Gesundheit, die Land- und Forstwirtschaft sowie für private und öffentliche Gebäude und Infrastrukturen werden offensichtlicher; der Klimawandel löst auch in der Natur dynamische Anpassungsprozesse aus (etwa die Verdrängung oder Einwanderung von Tier- und Pflanzenarten), die ihrerseits Auswirkungen für den Menschen und seine wirtschaftlichen Aktivitäten haben. Für den Sommer 2018 ermittelte das Robert-Koch-Institut (RKI) für Berlin und Hessen insgesamt etwa 1.200 hitzebedingte Sterbefälle. Die Trockenheit traf auch die Landwirtschaft: Bund und Länder haben Dürrehilfen in Höhe von 340 Millionen Euro bereitgestellt. Gleichzeitig gibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) für das Jahr 2018 2,6 Milliarden Euro an versicherten Schäden an Häusern, Gewerbe- und Industriebetrieben durch Stürme, Hagel und Starkregen an.
Diese Schäden machen den dringenden Handlungsbedarf sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels deutlich. Denn selbst wenn es gelingt, die Erderwärmung entsprechend den Pariser Klimazielen zu begrenzen, wird sich das Klima weiter verändern. Es bedarf einer gemeinschaftlichen Anstrengung und eines koordinierten Handelns auf allen staatlichen Ebenen, um die Voraussetzungen für eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland zu schaffen.
Die Bundesregierung hat daher bereits im Jahr 2008 unter der Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) vorgelegt und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Sie bildet den strategischen Rahmen des Bundes für die Politik der Klimaanpassung. Ziel ist es, die Verletzlichkeit der deutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu verringern und die Anpassungsfähigkeit des Landes zu steigern. In 15 zentralen Handlungsfeldern werden die wesentlichen Handlungserfordernisse benannt und (innerhalb der jeweiligen Zuständigkeiten) die konkreten Schritte und Maßnahmen des Bundes beschrieben (in alphabetischer Reihenfolge): Bauwesen, Biologische Vielfalt, Boden, Energiewirtschaft, Finanzwirtschaft, Fischerei, Wald und Forstwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft, menschliche Gesundheit, Tourismuswirtschaft, Verkehr und Verkehrsinfrastruktur, Wasserhaushalt, Wasserwirtschaft, Küsten- und Meeresschutz sowie die Querschnitt-Handlungsfelder Bevölkerungsschutz und Raumordnung, Regional- und Bauleitplanung. Dies erfolgte im engen Schulterschluss mit Ländern und Kommunen.
Die DAS ist als Daueraufgabe etabliert. Sie stützt sich auf ein übergreifendes Behördennetzwerk aus 28 Bundesbehörden, z. B. dem Umweltbundesamt (UBA), dem Deutschen Wetterdienst (DWD), dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG). Es verfügt über ein kontinuierliches Berichtswesen.
Im Rahmen der DAS legt die Bundesregierung nunmehr den zweiten Monitoringbericht 2019 vor. Er unterlegt die Wirkungen des Klimawandels mit wissenschaftlich gesicherten Daten und informiert die Öffentlichkeit sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens über die beobachteten Folgen des Klimawandels. Der Monitoringbericht 2015 wird hierdurch fortgeschrieben, weitere Aktualisierungen sollen künfig alle vier Jahre erfolgen. Anhand von durch Expertinnen und Experten ausgewählten Indikatoren und gemessenen Daten aus den 15 Handlungsfeldern zeigt der Bericht auf, welche Veränderungen sich durch den Klimawandel heute schon in Deutschland feststellen lassen und welche Gegenmaßnahmen bereits greifen. Die Folgen der Klimaerwärmung zeigen beispielsweise bereits deutliche Wirkungen in unbewirtschafteten Ökosystemen (z. B. Veränderung der phänologischen Jahreszeiten mit Verlängerung der Vegetationsperiode, erste Veränderungen der Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten). Der Monitoringbericht belegt auch die Vorsorgeanstrengungen durch den Bund gegenüber den steigenden Risiken. Deutlich wird jedoch auch, dass die Anstrengungen zum Klimaschutz intensiviert werden müssen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, und dass gleichzeitig die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel verstärkt werden müssen, um den mit den unvermeidbaren Auswirkungen verbundenen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken effektiv zu begegnen und Schäden zu mindern.
Die Bundesregierung überprüft daher die DAS regelmäßig und entwickelt sie im Rahmen von Fortschrittsberichten weiter, die etwa alle fünf Jahre vom Kabinett beschlossen werden. Zusammen mit den Fortschrittsberichten werden die Maßnahmen der Aktionspläne vereinbart. Der nächste Fortschrittsbericht zur DAS wird voraussichtlich im Herbst 2020 vorgelegt; die Ergebnisse des Monitoring-berichts 2019 werden darin einfließen.
Die Begleitung und Abstimmung der Arbeiten erfolgte innerhalb der Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) über die Interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung an den Klimawandel (IMAA). In ihr sind nahezu alle Bundesministerien und die ihnen zugeordneten wissenschaftlichen Behörden eingebunden. Der Bericht sowie das zugrundeliegende Indikatorensystem wurden unter Beteiligung zahlreicher Expertinnen und Experten aus den zuständigen Bundes- und Länderbehörden sowie aus wissenschaftlichen Einrichtungen und privaten Institutionen entwickelt. Die Arbeiten wurden vom UBA, Fachgebiet KomPass – Klimafolgen und Anpassung in Deutschland, in der Funktion einer Geschäftstelle organisiert.
Wesentliche Ergebnisse
Der Berichtszeitraum 2014–2017 des zweiten Monitoringbericht 2019 zur DAS war als Reihung sehr warmer Jahre geprägt von langen Trockenperioden und Extremereignissen wie Stürmen und heftigen Starkregen. Im Monitoringbericht 2019 zur DAS sind die Daten aus den Jahren 2018 und 2019 noch nicht systematisch berücksichtigt, da die Aufbereitung statistisch gesicherter, bundesweiter Daten eine zeitliche Verzögerung bedingt. Ziel des fortlaufenden Monitorings im Rahmen der DAS ist weniger eine Darstellung der jeweils aktuellsten Entwicklung, sondern die systematische Beobachtung von Klimawirkungen und Anpassung aufgrund statistisch fundierter Zeitreihen. Wo schon möglich wird in den Berichtstexten jedoch eine erste Einschätzung auf die Entwicklungen in 2018/19 gegeben.
Ansteigende Hitzebelastung
Die Sommer in den Jahren 2003, 2018 und 2019 waren in Deutschland die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist im Flächenmittel von Deutschland von 1881 bis 2018 statistisch gesichert um 1,5 °C angestiegen. In den zurückliegenden Jahrzehnten zeichnet sich ein Trend zunehmender Hitze-Extrema ab. Insbesondere die Zahl der „Heißen Tage“, an denen die höchste gemessene Temperatur 30 °C oder mehr beträgt, hat signifikant zugenommen (Indikator GE-I-1). Auf der Grundlage bundesweiter Daten zeigt sich, dass im Jahr 2003 etwa 7.500 Menschen mehr gestorben sind als ohne Hitzewelle zu erwarten gewesen wäre. Für die Jahre 2006 und 2015 ergeben sich jeweils etwa 6.000 zusätzliche Todesfälle (GE-I-2). Neben gesundheitspräventiven Maßnahmen werden planerische und bautechnische Anpassungen umgesetzt, um die Wärmebelastung vor allem in Städten zu mindern (BAU-I-1, BAU-I-2, BAU-R-1, BAU-R-2, RO-R-4). Auch das Bewusstsein in der Bevölkerung für gesundheitliche Folgen von Hitzeperioden nimmt zu, wie die Nutzung von Warn- und Informationsdiensten und die Ergebnisse repräsentativer Umfragen zeigen (HUE-2, GE-I-1, GE-R-1, GE-R-3, BS-R-1).
Beeinträchtigung der Wassernutzungen durch zunehmende Erwärmung und vermehrte Sommertrockenheit
Die Daten bundesweit ausgewählter Grundwasserstände zeigen im Vergleich zum langjährigen Mittel, dass Monate mit unterdurchschnittlich niedrigen Grundwasserständen signifikant häufiger werden (WW-I-1). Vor allem über mehrere Jahre hintereinander auftretende Niederschlagsdefizite führten zu sinkenden Grundwasserständen oder verringerten Quellschüttungen, wie zwischen 2013 und 2017 zu beobachten war. Aufgrund der ausgeprägten Trockenperiode lassen die Daten für das Jahr 2018 eine ähnliche, voraussichtlich sogar noch extremere Situation erwarten.
Die Zeitreihe seit den 1960er Jahren zeigt für die mittlere Abflusshöhe an 80 über die Flussgebiete Deutschlands verteilten Pegeln deutliche Schwankungen zwischen den Jahren. Für das hydrologische Winterhalbjahr von Anfang November bis Ende April war kein statistisch signifikanter Trend des mittleren Abflusses zu beobachten. Im Sommerhalbjahr geht die mittlere Abflusshöhe jedoch signifikant zurück. Dies deutet auf eine Abnahme der sommerlichen Wasserverfügbarkeit hin (WW-I-2). Die bereits 2015 berichteten problematischen Entwicklungen bei der Bodenwasserversorgung (BO-I-1) setzen sich fort. Angepasste landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweisen sind notwendig, mit denen der Humusvorrat im Boden und die Bodenwasserversorgung gefördert werden können, um auf Dürreperioden besser vorbereitet zu sein. Auswirkungen des Klimawandels finden im Zeitraum zwischen 2000 und 2017 zunehmend Eingang in die Landschaftsplanung und in anderen Fachplanungen wie z. B. bei der Ausweisung von Flächen für den vorbeugenden Hochwasserschutz (BD-R-1, RO-R-3).
Schäden durch Starkregen und Sturzfluten in urbanen Räumen
Im DAS Monitoringbericht 2019 werden erstmals auch Starkregenereignisse in Siedlungsbereichen erfasst und abgebildet (BAU-I-4). Damit wird das DAS Monitoring präziser auf die Ergebnisse der Vulnerabilitätsanalyse ausgerichtet, die 2015 Starkregen und Sturzfluten in urbanen Räumen als handlungsleitenden Schwerpunkt identifizierte. Eine Vorsorge gegenüber Schäden durch Starkregen und Sturzfluten wird im DAS Monitoring über die Versicherungsdichte der erweiterten Elementarschadenversicherung erfasst. Die Daten zeigen, dass die Versicherungsdichte in den letzten Jahren zwar signifikant gestiegen ist, allerdings im bundesweiten Überblick mit 43 % bei der Gebäudeversicherung und 24 % bei der Hausratsversicherung noch immer gering ausfällt.
Hochwasser und Flussüberschwemmungen
Die Entwicklung der Hochwassertage zeigt für die Zeitreihe weder für das Sommer- noch für das Winterhalbjahr einen signifikanten Trend (WW-I-3). Die Entstehung des Hochwassers hängt stets mit besonderen Witterungskonstellationen zusammen, die aber bisher nicht systematisch und regelmäßig wiederkehrend auftreten. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Vb Wetterlagen, die z. B. zum Elbehochwasser 2002 und anderen Hochwasserereignissen geführt haben. Auch zur Verteilung der Hochwassertage auf das hydrologische Winter- und Sommerhalbjahr lässt sich bisher kein Trend feststellen. Neben dem Klimawandel beeinflussen allerdings auch zahlreiche andere Entwicklungen das Hochwassergeschehen.
Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten
Die im DAS Monitoring 2019 erfassten Pegel der Nord-und Ostsee zeigen einen überwiegend signifikanten Anstieg für den Meeresspiegel (WW-I-8). Die Erhöhung der Intensität von Sturmfluten (WW-I-9) ist weitgehend auf den Meeresspiegelanstieg zurückzuführen. Dies bedeutet für Küstenregionen, vor allem für Ästuare und tiefliegende Küstenebenen, eine langsam zunehmende Gefährdung.
Veränderung der Artenzusammensetzung und natürlicher Entwicklungsphasen durch einen graduellen Temperaturanstieg
Steigende Temperaturen haben auch Einfluss auf natürliche Systeme. So hat sich seit dem ersten DAS-Monitoringbericht 2015 die Dauer der Vegetationsperiode weiter verlängert (BD-I-1). Im Vergleich setzen beispielsweise charakteristische Entwicklungsstadien von Wildpflanzen (z. B. Blattentfaltung, Blüten- oder Fruchtbildung, Laubfall) im Frühling, Sommer und Frühherbst früher ein und solche im Vollherbst, Spätherbst und Winter beginnen später. Die veränderten jahreszeitlichen Witterungsverläufe können sich in der Landwirtschaft sowohl positiv als auch negativ auswirken. Beispielsweise ist mit einer früher eintretenden Apfelblüte ein höheres Risiko von Spätfrostschäden verbunden, die zu Ernteausfällen führen können (LW-I-1).
Auch in derzeit direkt vom Menschen wenig beeinflussten Ökosystemen zeigt die Häufung von warmen und trockenen Jahren eine deutliche Wirkung. So hat der Anteil der Buche gegenüber besser trockenheitsangepassten Arten in warm-trockenen Naturwaldreservaten abgenommen (FW-I-1). Der aktuelle Zustand des Waldes und seine Veränderung seit der letzten Bundeswaldinventur im Jahre 2012 werden erst nach der nächsten Bundeswaldinventur 2022 im dritten Monitoringbericht berücksichtigt werden können. Wirkungen der zunehmenden Erwärmung zeigen sich auch in signifikant angestiegenen Wassertemperaturen von Seen (WW-I-5) und der Nordsee (WW-I-7).
Auch wenn die Jahresmitteltemperaturen kontinuierlich ansteigen, bleiben Witterungseinflüsse von langen, kalten Wintern auf Ökosysteme wirksam. Das illustriert die Entwicklung der Vogelartengemeinschaften (BD-I-2). Seit 1990 hat sich die Zusammensetzung der Vogelartengemeinschaft zugunsten von wärmeliebenden Arten verschoben. In den Jahren 2009/10 bis 2012/13 gab es eine Reihe strenger Winter mit negativen Auswirkungen auf die Bestände vieler Brutvögel. Sie wirkten sich besonders auf Arten aus, die aus dem Süden eingewandert sind.