DAS-Handlungsfeld Energiewirtschaft

Das Bild zeigt zahlreiche Hochspannungsmasten und -leitungen vor einem wolkenverhangenen, gelblich leuchtenden Himmel. Im Hintergrund sind einige moderne Windkraftanlagen zu sehen.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Energiewirtschaft
Quelle: Andreas Gruhl / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Eine sichere, umwelt- und klimaverträgliche sowie bezahlbare Energieversorgung ist elementar für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. Die Energiewende hat das Ziel, das Energiesystem umzubauen und mit erneuerbaren Energien sowie sparsamer und effizienter Energienutzung dauerhaft eine Energieversorgung zu gewährleisten, die diesen Anforderungen gerecht wird. Für die Energiewende wurde das Ende der Nutzung fossiler und nuklearer Energieträger beschlossen: Der Ausstieg aus der Kernenergie wurde im Jahr 2023 vollzogen, bis 2038 wird die Strom- und Wärmeerzeugung aus Kohle beendet. Der Umbau des Energiesystems erfordert weitreichende strukturelle und infrastrukturelle Anpassungen in allen Bereichen der Energiewirtschaft. Diese umfassen den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze, die Umstellung der Strom-, Wärme- und Kälteversorgung auf erneuerbare Energie und die Flexibilisierung des Energiesystems. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist zusätzlicher Handlungsbedarf zur Sicherung der Energieversorgung entstanden.
Mit der vorrangigen Nutzung erneuerbarer Energien nimmt der Bestand an Anlagen zu, die ⁠Wetter⁠ und ⁠Witterung⁠ und damit den sich ändernden klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind. Bei Planung und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen sind die Klimaänderungen zu berücksichtigen, um – auch mit Blick auf die Langfristigkeit der Investitionen – negative Folgen und spätere Anpassungskosten zu vermeiden.

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Extreme Wetterlagen, die mit dem ⁠Klimawandel⁠ voraussichtlich zunehmen, können die Energieversorgung vor Herausforderungen stellen. Hierzu zählen zum Beispiel Hitzeperioden wie 2018 und 2022, als in Deutschland und in anderen Staaten des europäischen Stromverbunds die Stromproduktion in Kern- und Kohlekraftwerken teilweise massiv eingeschränkt war. Wegen hoher Gewässertemperaturen stand zum einen nicht mehr genügend Kühlwasser zur Verfügung, zum anderen konnte die Kohlebelieferung wegen Niedrigwasser nur reduziert erfolgen. In einem erneuerbaren Energieversorgungssystem nehmen wasserabhängige Risiken deutlich ab. Betroffen können dann unter den erneuerbaren Energien vor allem Wasserkraftwerke sein, deren Stromproduktion beispielsweise in den Jahren 2018 und 2022 als Folge der ⁠Dürre⁠ deutlich zurückging.
Die Versorgung mit elektrischer Energie ist in Deutschland insgesamt sehr sicher. Extremereignisse wie Hitzeperioden, Stürme, Unwetter mit Blitzschlag und ⁠Starkregen⁠, die im Zuge des Klimawandels wahrscheinlicher werden, können dennoch zu Versorgungsunterbrechungen führen. Der ⁠Indikator⁠ zur wetterbedingten Nichtverfügbarkeit der Stromversorgung bildet die kumulierte Dauer von wetterbedingten Versorgungsunterbrechungen ab. Sie erreichte im Jahr 2021, vor allem als Folge der Auswirkungen von Tief Bernd im Juli, mit durchschnittlich knapp 23 Minuten je Letztverbraucher im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) den bislang höchsten Wert (siehe Indikator EW-I-2). In der Häufigkeit der wetterbedingten Unterbrechungen an allen ungeplanten Unterbrechungen schlugen sich die Folgen von Tief Bernd dagegen nicht markant nieder (siehe Indikator EW-I-1).

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Für das ⁠DAS⁠-Handlungsfeld „Energiewirtschaft“ wurde in der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 sowohl für die einzelnen Klimawirkungen als auch insgesamt ein geringes ⁠Klimarisiko⁠ ermittelt. Wesentlich für die Bewertung sind unter anderem der Ausstieg aus der Kernenergie bis 2023 und aus der Kohle (nach derzeitigem Stand) bis 2038. Durch die Umstellung auf erneuerbare Energien wird die Strom- und Wärmeversorgung insgesamt unabhängiger von einer ausreichenden quantitativen und qualitativen Wasserverfügbarkeit für Kühlzwecke oder für den Transport von Primärenergieträgern.
Beim Energiebedarf wird die wesentliche klimawandelbedingte Änderung beim Kühlenergiebedarf gesehen. Neben klimatischen Einflüssen bestimmen Faktoren wie der Gebäudebestand und das Nutzungsverhalten die Höhe des Energiebedarfs. Konkrete Aussagen über den zukünftigen Kühlenergiebedarf unterliegen daher einer hohen ⁠Unsicherheit⁠. Es wird aber davon ausgegangen, dass wegen des geringen Anteils der Kühlenergie am Gesamtenergiebedarf keine Stromdefizite zu erwarten sind. Die KWRA 2021 hat für die behandelten Klimawirkungen keine dringenden Handlungserfordernisse festgestellt.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Die Umsetzung der Energiewende bedeutet die vollständige Umstellung des Energieversorgungssystems auf erneuerbare Energien. Zudem wird der Bedarf an elektrischer Energie stark steigen, um fossile Energieträger in verschiedenen Anwendungsbereichen zu ersetzen. So sollen vermehrt elektrisch betriebene Wärmepumpen für die Wärmeerzeugung genutzt werden. In der Mobilität sollen Elektrofahrzeuge fossil betriebene Verbrennerfahrzeuge ersetzen. Der Zuverlässigkeit der erneuerbaren Stromerzeugung und den Flexibilisierungsoptionen im System wird daher eine immer höhere Relevanz zukommen.
Mit Blick auf mögliche Wirkungen des Klimawandels auf die Stromerzeugung bestehen Unsicherheiten vor allem zur Ertragssituation von Windenergieanlagen. Nach den Ergebnissen der KWRA 2021 wird für Windenergieanlagen davon ausgegangen, dass Starkwinde weiterhin kaum zu Unterbrechungen führen werden. Zur Ertragssituation der Windenergie insgesamt sind bisher aber keine ausreichend zuverlässigen Aussagen möglich, da Projektionen zukünftiger Windgeschwindigkeiten mit großer ⁠Unsicherheit⁠ behaftet sind. Grundsätzlich wird zwar angenommen, dass sich die Windverhältnisse nur in einem begrenzten Maß ändern153, dennoch wäre eine zukünftige Präzisierung der Windprojektionen – insbesondere auf Nabenhöhe der Windkraftanlagen – wünschenswert, um die Auswirkungen des Klimawandels besser abschätzen zu können154. Es ist zu prüfen, inwieweit neben meteorologischen Messungen auch Windmessungen an Windenergieanlagen für spezifische Projektionen herangezogen werden können. Die Wasserkraft trägt nur einen kleinen Teil zum erneuerbaren Energiemix bei. In trockenen Jahren wie 2018 und 2022 ist Stromerzeugung aus der Wasserkraft mitunter stark eingeschränkt. Ebenso sind Einschränkungen bei der Produktion von ⁠Biomasse⁠ denkbar155. Eine genauere Einschätzung der diesbezüglichen Klimawandelfolgen wäre hilfreich. In einem auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystem können Beeinträchtigungen der marktseitigen Versorgungssicherheit insbesondere in längeren Phasen einer kalten Dunkelflaute entstehen, wenn bei einer stabilen winterlichen ⁠Wetterlage⁠ nur wenig Wind- und Sonnenenergie verfügbar ist. Bislang liegen keine Untersuchungen zum Einfluss des Klimawandels auf die Häufigkeit und Dauer von Dunkelflauten vor. Wünschenswert wäre ein datengestütztes ⁠Monitoring⁠ von Dunkelflauten.
Die ⁠Resilienz⁠ des erneuerbaren Energieversorgungssystems ist eng mit seiner Flexibilität verbunden. Optionen zur Flexibilisierung können Speicherkraftwerke und Batteriespeicher ebenso sein wie die Erzeugung von Wasserstoff oder anderen Energieträgern aus überschüssigem erneuerbaren Strom. Auch flexibel abschaltbare oder steuerbare Verbrauchsstellen gehören zu diesen Optionen. Der weitere Ausbau der Stromnetze und der europäische Stromverbund spielen eine relevante Rolle, um Stromangebot und -nachfrage großräumig ausgleichen und Frequenzschwankungen abpuffern zu können. Meteorologische Daten können helfen, großräumige Ausgleichsmöglichkeiten bei kritischen Wetterlagen aufzuzeigen156. Die Flexibilisierungsoptionen unterstützen die Resilienz des Stromsystems auch gegenüber Störungen, unter anderem durch meteorologische Extreme. Die Diversifizierung der Vorsorgemaßnahmen ist dabei von hoher Bedeutung, um adäquat auf unterschiedliche Situationen reagieren zu können. Für die Zukunft wäre ein zusammenfassendes Monitoring der Nutzung von Flexibilisierungsoptionen zur Abbildung der Reaktionsfähigkeit des Systems wünschenswert. Hierzu bedürfte es aber grundlegender methodischer Überlegungen.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Angesichts der Herausforderungen der Energiewende rückt die Klimaanpassung als Faktor für die Weiterentwicklung des Energieversorgungssystems oft in den Hintergrund. Ungeachtet dessen führt der Transformationsprozess dazu, dass die Klimarisiken einer eher fossilen oder nuklearen Energieversorgung für Deutschland künftig abnehmen – siehe die Kühl- und Niedrigwasserproblematik –, und Maßnahmen ergriffen werden, die die allgemeinen ⁠Resilienz⁠ des Energieversorgungssystems erhöhen. Teil der Energiewende ist etwa die Erweiterung der oben angesprochenen Flexibilisierungsoptionen, beispielsweise durch den Ausbau von Batterie- und sonstigen Speicherkapazitäten oder durch die Wasserstofferzeugung aus überschüssiger elektrischer Energie. Diese Maßnahmen erhöhen die Resilienz des Stromversorgungssystems gegenüber Schwankungen von Stromangebot und -nachfrage, die in einem erneuerbaren Energieversorgungssystem aufgrund der Wettersensitivität der erneuerbaren Energien per se zunehmen werden. Auch der Energiebedarf ist im Fokus der Energiewende. In einem erneuerbaren Energieversorgungssystem können ein verringerter Energiebedarf und eine höhere Energieeffizienz dazu beitragen, den Ausgleich zwischen Energieumwandlung und -anwendung einfacher sicherzustellen. Dies gilt in ähnlicher Weise, wenn sich ändernde Klimabedingungen einen vermehrten Ausgleich von Stromnachfrage und -angebot erfordern.

153 - Füssel H.-M. 2019: ⁠Adaptation⁠ challenges and opportunities for the European energy system. Building a climate-resilient low-carbon energy system. EEA report, Band 01/2019. Luxemburg, 117 pp. doi: 10.2800/227321

154 - Bär F., Kaspar F. 2023: Meteorologischer Jahresrückblick energierelevanter Wetterelemente für das Jahr 2022. Deutscher Wetterdienst, BMDV-Expertennetzwerk. 14 S. https://www.bmdv-expertennetzwerk.bund.de/DE/Publikationen/Pressemitteilungen/DWD_Baer_Kaspar_2022.html

155 - Drücke J., Borsche M., James P., Kaspar F., Pfeifroth U., Ahrens B., Trentmann J. 2021: Climatological analysis of solar and wind energy in Germany using the Grosswetterlagen classification. Renewable Energy, 164: 1254-1266. doi: 10.1016/j.renene.2020.10.102.

156 - Drücke et al. 2021, siehe Endnote 155.

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