FI-I-2: Vorkommen wärmeliebender Arten in Binnengewässern – Fallstudie

Das Bild zeigt die Unterwasseraufnahme eines großen Karpfens.zum Vergrößern anklicken
Fischarten wie der Karpfen sind unter wärmeren Bedingungen konkurrenzfähiger.
Quelle: Vladimir Wrangel / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

FI-I-2: Vorkommen wärmeliebender Arten in Binnengewässern – Fallstudie

Trotz stark verminderter Phosphorgehalte kam es am Bodensee-Obersee in Folge des Hitzesommers 2003 zu einer explosiven Vermehrung des wärmeliebenden Karpfens. Vor allem während der Laichzeit und der Entwicklungszeit der Larven verschaffen warme Witterungsbedingungen dem Karpfen Konkurrenzvorteile. Der Berufsfischerei bescherte der warme Sommer in den Folgejahren Rekorderträge.

Die Linien-Graphik zeigt von 1970 bis 2017 die Entwicklung des Phosphor-Gehalts im Bodensee-Obersee in Milligramm pro Kubikmeter. Es gibt keinen Trend.
FI-I-2: Vorkommen wärmeliebender Arten in Binnengewässern – Fallstudie

Die Linien-Graphik zeigt von 1970 bis 2017 die Entwicklung des Phosphor-Gehalts im Bodensee-Obersee in Milligramm pro Kubikmeter. Von 1970 bis 1980 stieg der Phosphorgehalt von 45 auf 87 Milligramm pro Kubikmeter. Danach fiel der Wert nahezu kontinuierlich bis 2003 auf unter 10 Milligramm und pendelt seither in diesem Bereich. Der Trend ist signifikant fallend. Eine weitere Linie zeigt den Karpfenertrag im Bodensee-Obersee. Zwischen 1970 und 2002 pendelt die Kurve um 1.000 Kilogramm. Zwischen 2003 und 2007 stieg die Kurve steil auf Erträge von 17.000 Kilogramm in 2007 an und fiel in den Folgejahren bis 2014 wieder auf unter 4.000 ab. Für 2016 waren wieder fast 6.000 Kilogramm. Es gibt keinen Trend.

Quelle: Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg - Fischereiforschungsstelle (Fangstatistik der Berufsfischerei Bodensee-Obersee)
 

Noch unklare Entwicklungen in der Binnenfischerei

In der Binnenfischerei spielen die Auswirkungen des Klimawandels bisher eine gegenüber anderen Einflussfaktoren nur untergeordnete Rolle. Für die Fangergebnisse der Seen- und Flussfischerei sind neben den Einflüssen durch den gezielten Besatz mit ausgewählten, fischereilich interessanten Fischarten in erster Linie die Rahmenbedingungen der Fischereiausübung und kostendeckende Vermarktungsmöglichkeiten entscheidend. So werden derzeit Konflikte im Zusammenhang mit der zunehmenden touristischen Nutzung der Gewässer, Fischverluste an Wasserkraftwerken, Einschränkungen der Fischerei durch naturschutzfachlich begründete Nutzungsauflagen oder auch Veränderungen der Nährstoffgehalte der Gewässer sehr viel intensiver diskutiert als die möglichen Auswirkungen einer Klimaerwärmung. Langanhaltende Trockenperioden, die eine Folge eines voranschreitenden Klimawandels sind, bedrohen allerdings in zunehmend erkennbarem Maße in Klein- und Kleinstgewässern vorkommende Großmuschel-, Krebs- und Kleinfischpopulationen. Ähnlich ist es in der Aquakultur, auch wenn hier die durch den ⁠Klimawandel⁠ beeinflussten Wassertemperaturen, die Dauer der Eisbedeckung der Winterteiche und die Wasserdurchflussmengen als wichtige Einflussgrößen für die Produktion gelten. Grundsätzlich messen die Fischer der Verbreitung von Fischkrankheiten und den in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark angewachsenen Beständen des Kormorans größere Bedeutung bei.

In der Binnenfischerei herrschen generell dezentrale Produktionsstrukturen und kleine Betriebsgrößen vor. Daher fehlt es an bundesweiten Daten, aus denen sich in systematischer Weise klimaabhängige Veränderungen zu Verschiebungen in der Artenzusammensetzung der Fischfauna in Fließgewässern und Seen sowie zu den Bedingungen in der Aquakultur ableiten ließen.

Für die Zukunft schließen Expertinnen und Experten nicht aus, dass der Klimawandel einen zunehmenden Einfluss auf die Fischbestände, die Ertragsbedingungen und die Erträge der Binnenfischerei haben wird. So haben beispielsweise wärmeliebende Arten, die über den Schiffsverkehr auf Kanälen verbreitet werden, bei steigenden Wassertemperaturen bessere Etablierungsmöglichkeiten. Für wärmeliebende Arten wie den Karpfen könnten sich die Konkurrenzbedingungen verbessern, während sich für die Bachforelle und andere Arten, die nur in einem engen Bereich niedriger Temperatur existieren können, bei steigenden Wassertemperaturen die Lebensräume einschränken dürften.

Anhand des Bodensees, für den langjährige Fangstatistiken der Berufsfischerei vorliegen, lässt sich beispielhaft zeigen, dass besonders warme Jahre Veränderungen in der Fischfauna zur Folge haben können. Der Bodensee-Obersee und in ähnlicher Weise auch der Bodensee-Untersee wurden in den letzten Jahren infolge von Maßnahmen der Gewässerreinhaltung wieder zu nährstoffarmen Seen. Der Phosphorgehalt des Bodensees, der Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre noch über 80 mg pro Kubikmeter Wasser betrug, pendelt sich inzwischen auf rund 6–8 mg ein. In solchen Seen werden üblicherweise kaum größere Mengen von Karpfen erwartet.

Der im Jahr 2003 entstandene, überraschend starke Karpfenjahrgang ist daher ganz offensichtlich eine Folge der besonders warmen Bedingungen im Sommer dieses Jahres. Speziell im Bodensee ist eine frühe und andauernde Erwärmung des Wassers in der Laichzeit der Karpfen und der sich daran anschließenden Entwicklungszeit der Karpfenlarven selten. In den meisten Jahren folgt auf eine warme Periode im Frühsommer eine kühlere Phase, die mit einer Abkühlung des Sees einhergeht. Solche Bedingungen sind für ein Aufkommen von Jungkarpfen nicht förderlich. Aufgrund der günstigen Bedingungen im Jahr 2003 kam es in den nachfolgenden Jahren zu den höchsten Karpfenerträgen, die seit Bestehen der Berufsfischereistatistik am Bodensee erzielt wurden. Zwischen 1970 und 2003 pendelten die Karpfen-Fangerträge um 800 kg pro Jahr, 2007 wurden mehr als 17.000 kg gefangen. Nach 2009 haben die Fangerträge auf ein deutlich höheres Niveau von etwa 4.000 kg eingependelt und steigen nach den warmen Jahren 2014 und 2015 wieder an. Über die längerfristigen Auswirkungen, insbesondere auch des warmen Jahres 2018 sind noch keine Aussagen möglich.

 

Schnittstellen

FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

WW-I-5: Wassertemperaturen stehender Gewässer