FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

Das Bild zeigt die zwei Arme eines Mannes, der Kisten stapelt, die randvoll mit Sardinen gefüllt sind. zum Vergrößern anklicken
Die wärmeliebenden Sardinien erobern die Nordsee und gewinnen an fischereilicher Relevanz.
Quelle: ermess / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

In der Nordsee zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fischbestände bereits heute im Vordringen südeuropäischer, wärmeliebender Arten nach Norden. In den am südlichsten und am nächsten zur deutschen Nordseeküste gelegenen Untersuchungsgebieten kommt inzwischen in fast jedem Fang eine südliche Art vor. In einem der nördlicher gelegenen Untersuchungsgebiete deutet sich ebenfalls eine Zunahme an.

Sechs Kurven zeigen den prozentualen Anteil von Fängen mit mindestens einer lusitanischen Fischart für verschiedene Boxen in einer Zeitreihe von 1987 bis 2013.
FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

Sechs Kurven zeigen den prozentualen Anteil von Fängen mit mindestens einer lusitanischen Fischart für verschiedene Boxen in einer Zeitreihe von 1987 bis 2013. Die Zeitreihe zu Box C verläuft nahe der 0 Achse mit einem Maximalwert von knapp 20 Prozent im Jahr 2014. Ähnlich ist der Kurvenverlauf für Box H, hier gibt es ein Maximum mit rund 5 Prozent im Jahr 2003. Die drei anderen Boxen zeigen einen zum Teil schwankenden Verlauf, aber einen rasch signifikant ansteigenden Trend. In Box A wurden 1998 die 100 Prozent erreicht, die bis 2017 auch gehalten wurden. In Box E liegen die Werte seit 2007 über 90 Prozent. In Box K lag der bisherige Höchstwert mit über 50 Prozent im Jahr 2015.

Quelle: Thünen-Institut für Seefischerei (GSBTS: German-scale Bottom Trawl Survey
 

Wärmeliebende Fischarten in der Nord- und Ostsee

Steigende Wassertemperaturen, veränderte Strömungsverhältnisse und steigende ⁠CO2⁠-Konzentrationen im Meerwasser verändern die Lebensbedingungen für alle Meeresorganismen. Die Wassermassen der Nordsee erwärmen sich dabei nicht in einem einfachen Nord-Südgefälle. Die Wassererwärmung vollzieht sich in komplexeren räumlichen Mustern. In der Nordsee verlagern sich mit zunehmender Erwärmung die Bestände von Kälte liebenden Arten von Fischen, Weichtieren und Krebstieren tendenziell in kühlere Zonen. Ihr Organismus benötigt eine bestimmte Temperaturspanne, die ihnen ihr bisheriger, zu warm gewordener Lebensraum nicht mehr bietet. Außerdem folgen sie Pflanzen, Plankton und anderen Meeresorganismen, von denen sie sich ernähren und die kältere Wassertemperaturen bevorzugen. Gleichzeitig dringen neue Arten in die Nordsee vor, die bisher eher in südlicheren Meeresgebieten beheimatet waren.

Im Brackwassermilieu der Ostsee, in dem sich Süß- und Salzwasser mischen, haben sich aufgrund der spezifischen Bedingungen labile ökologische Gleichgewichte eingestellt. Die hohe Variabilität der Umweltbedingungen bietet dort nur wenigen sehr toleranten Fischarten ausreichende Lebens- und Reproduktionsbedingungen. Aufgrund der höheren Toleranz der Arten ist zu erwarten, dass sich die Folgen des Klimawandels in der Ostsee auch weniger deutlich in Artenverschiebungen niederschlagen werden als in der Nordsee. Allerdings sind Veränderungen in der Produktivität der Fischbestände für die Ostsee wahrscheinlich.

Veränderungen in der Verbreitung von Fischbeständen und in der Artenzusammensetzung stellen die Meeresfischerei vor neue Herausforderungen. So können mit der räumlichen Verschiebung von Fischpopulationen der Nordsee in kühlere Zonen wirtschaftliche Einbußen für die entsprechenden Fischereien einhergehen, wenn die neuen Verbreitungsgebiete der bekannten Arten nur noch schwer und mit deutlich höherem Aufwand zu erreichen sind. Inwieweit solche wirtschaftlichen und ökologischen Effekte durch Änderungen in Verbreitung und Abundanz anderer Arten ausgeglichen werden können, lässt sich bisher nicht sicher vorhersagen. In der Nordsee lohnt ein gezielter Fang auf diese anderen Arten derzeit noch nicht.

Wichtige Grundlage für künftige Anpassungen des Fischereimanagements ist die genaue Beobachtung räumlicher Verschiebungen von Fischbeständen und Änderungen der Artengemeinschaften. Im Rahmen des „German Small-scale Bottom Trawl Survey“ (GSBTS) werden in festgelegten Gebieten der Nordsee jährlich standardisierte Fänge durchgeführt. Sie dienen dem Ziel, die natürliche Variabilität der Fangraten diverser Fischarten abzuschätzen und mittel- bis langfristige Veränderungen in den Fischgemeinschaften zu erfassen.

Analysiert man die Fangergebnisse der letzten bis zu 30 Jahre in fünf Untersuchungsgebieten innerhalb der Deutschen Bucht, stellt man fest, dass immer häufiger bestimmte südeuropäische Arten mit Herkunft aus dem portugiesischen Meeresgebiet in den Fängen aufgetaucht sind. Typische Vertreter dieser Artengruppe sind beispielsweise der Rote Knurrhahn (Chelidonichthys lucerna), die Streifenbarbe (Mullus surmuletus), die Zwerg-und Lammzunge (Buglossidium luteum und Arnoglossus laterna) sowie die Sardelle (Engraulis encrasicolus) und die Sardine (Sardina pilchardus). In den beiden südlichsten Fanggebieten, die der deutschen Küste am nächsten liegen (Box A und Box E), findet sich inzwischen in fast jedem Fang mindestens eine dieser Arten, während Ende der 1980er Jahre solche Fänge noch eher eine Seltenheit waren. In der etwas nördlicher, ungefähr auf der Breite des dänischen Esbjergs gelegenen Box K erschienen seit Mitte der 1990er Jahre Vertreter der genannten Arten und entwickelten sich in der Folge – allerdings nicht kontinuierlich – auf ein mittleres Häufigkeitsniveau. Zunehmend gibt es auch in den in der nördlichen Nordsee gelegenen Box C Funde, die auf eine potenzielle Verbreitung bei ansteigenden Temperaturen auch in diesen Bereichen hindeuten.

Gleichzeitig mit dem Vordringen der südeuropäischen Arten wird bereits eine Abnahme kälteliebender Arten beobachtet. So ist der Kabeljau aus der südlichen Nordsee inzwischen fast verschwunden. Dies ist nicht nur die Folge intensiver Fischerei, sondern liegt auch daran, dass die wärmeren Bedingungen in diesen Breiten die Ernährungsgrundlage und die physiologischen Prozesse dieser Fischart nachteilig beeinflussen.

Obwohl neben dem ⁠Klimawandel⁠ auch andere Faktoren wie beispielsweise die kommerzielle Fischerei für die Verlagerung von Fischbeständen verantwortlich sind, scheint die zunehmende Erwärmung eine gewichtige Rolle bei der räumlichen Verlagerung von Fischbeständen zu spielen. Die milden Winter ermöglichen einigen südlichen Fischarten, auch in der Nordsee zu überwintern und sich fortzupflanzen.

 

Schnittstellen

FI-I-2: Vorkommen wärmeliebender Arten in Binnengewässern – Fallstudie

WW-I-7: Wassertemperatur des Meeres