RainAhead – Integriertes Planungs- und Warnwerkzeug für Starkregen in urbanen Räumen

RainAhead ist ein kommunales und regionales Leuchtturmprojekt der Hansestadt Lübeck für die Anpassung an den Klimawandel, insbesondere im Bereich des Starkregens.
Das Projekt hatte die Aufgabe, die Verwaltung der Hansestadt Lübeck darin zu unterstützen, den Folgen von Starkregen entgegen zu treten. Dazu wurde eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeiten durchgeführt, die in ihrer Gesamtheit einen Werkzeugkasten für die handelnden Akteure darstellen. So wurden unter anderem innerkommunal die verschiedenen Fachleute zusammengebracht und im Rahmen des Projektes thematisch weitergebildet, vorhandene Geodaten in ein gemeinsames GIS überführt und deren Bezug zum Thema Starkregen verdeutlicht. Für zwei Pilotgebiete wurde eine genaue Vermessung vorgenommen, eine gekoppelte Kanalnetz- und Oberflächenmodellierung Klimawandel-bedingt hoher Niederschläge durchgeführt, im Modell Maßnahmenvorschläge implementiert und bewertet. Es wurden Informationen zu Gebäudeschutz-Maßnahmen zusammengestellt und beworben, eine Abschätzung der Senken und Fließwege für das gesamte Stadtgebiet erstellt und ein Onlineportal zur Niederschlagsvorhersage und stadtteilgenauen Warnung vor Starkregen aufgebaut. Zur Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung wurden inner- und interkommunale Treffen durchgeführt, der Austausch mit der Bevölkerung gesucht und diverse Vorträge vor ganz unterschiedlichem Publikum gehalten.
Das Projekt RainAhead („Regen in Sicht”) hat Planungs- und Warnwerkzeuge für Starkregen im urbanen Bereich geschaffen, die kommunalen Akteuren langfristig Hilfestellung im Umgang mit den Folgen von Starkregen insbesondere im Überflutungsschutz geben. Wichtige Ergebnisse sind Fließwege- Senken- und Risikokarten, ein Feuerwehr-Warnsystem für frühzeitige Warnungen, wann und in welchen Stadtteilen bei Starkregen mit Überflutungen zu rechnen ist, eine Überprüfung zurückliegender wassersensibler Planung und die Intensivierung der Kommunikation zwischen den verschiedenen kommunalen Akteuren und auch der Bevölkerung.
Stadt Lübeck
Klimaszenarien:
Für das Projekt RainAhead konnten Ergebnisse und Daten aus dem Projekt „Bemessung von Straßenentwässerungseinrichtungen nach RAS-Ew und RiStWag vor dem Hintergrund veränderter Temperatur- und Niederschlagsereignisse durch den Klimawandel in Deutschland bis zum Jahr 2100“ der Bundesanstalt für Straßenwesen verwendet werden. Darin wurden detaillierte Auswertungen zum Starkregenrisiko für vier Untersuchungsgebiete in Deutschland durchgeführt, von denen eines (Großbereich der Autobahn A1 Hamburg - Puttgarden) auch das Stadtgebiet Lübeck beinhaltet. Die Basis bilden die CLM-Läufe CLM-C20_1,2 und CLM-A1B_1,2 für den Referenzzeitraum 1961-1990, sowie für die Zeiträume 2021-2050 und 2071-2100. Die Läufe verwenden Antriebsdaten aus dem Globalmodell ECHAM5-MPIOM mit dem SRES Emissionsszenario A1B und wurden mit einer Gitterweite von 0.165° (~ 18 km) 17 gerechnet. Ausgehend von den täglichen CLM-Daten zu Temperatur und Niederschlägen wurde eine Bias-Korrektur der täglichen Niederschlagssummen und ein statistisches Downscaling durchgeführt, um Informationen über zeitlich und räumlich hochaufgelöste Niederschläge abzuleiten.
Dafür wurden Messungen vom DWD seit 1950 genutzt: Stationsdaten von Regenschreiberstationen (zeitliche Auflösung 5 min), Klimastationen (Tageswerte Temperatur und Niederschlag) und REGNIE-Daten (tägliche Niederschlagssummen, interpoliert auf einem 1x1-km Gitter von 1951-2010, DWD, 2011). Mithilfe der kontinuierlichen Regenschreiberdaten wurde untersucht, wie sich die projizierten Änderungen im Mittel auf die lokale Starkregenstatistik auswirken. Als Ergebnis dieser Auswertung nehmen die Anzahl und die Intensität von Starkregenereignissen zu. Danach ist statistisch signifikant damit zu rechnen, dass die Niederschlagsintensität bei einem extremen Starkregenereignis (mit einer Dauer von
15 min bis 1 h und einer statistischen Wiederkehrzeit 5 Jahre) im Zeitraum 2071-2100 um ca. 20% höher ausfällt als im Referenzzeitraum. Die Ergebnisse der Stationszeitreihen und der Starkregentrends bis 2100 wurden mit Bemessungsregen verglichen. Diese fallen für die Region Lübeck sehr hoch aus, was sich damit erklären lässt, dass es damals weniger und kürzere Messreihen im Vergleich zu heute gab und die Auswertungen dementsprechend wenig robust waren. Da der hundertjährliche Bemessungsregen sogar über dem 2100-Scenario liegt und darüber hinaus eine in der Praxis verwendete Größe darstellt, wurde dieser für die Modellierung der Pilotgebiete in Arbeitspaket 3 verwendet.
1961-1990
Zur Abbildung von Starkregenfolgen wurden gekoppelte, hydrodynamische 1D-Kanalnetz- und 2D-Oberflächenmodelle simuliert. Grundlagen für kleinräumige Klimaprojektionen kommen aus Datenbasen aus EU-Projekten PRUDENCE und ENSEMBLEs.
Die Risikobewertung umfasste verschiedene Aspekte städtischer Infrastruktur und kann für weitere Datensätze und Fragestellungen erweitert werden. Die Karten zu Senken und Fließwegen aus der GIS-Fließweganalyse sowie die Karten zu Überflutungshöhen aus der 1D-2D-Modellierung geben für sich betrachtet viele wertvolle Hinweise für Planer, Stadtverwaltung und Bevölkerung. Sie flossen ebenfalls als Eingangsgrößen in die Risikokarten ein und werden in der Stadtverwaltung weiter verwendet, ebenso wie die im Modell getesteten Maßnahmenvorschläge für die Verbesserung der Abflusssituation im Bestand.
Grundlagendaten umfassten die Topografie und Infrastruktur sowie Nutzungen und empfindliche Naturgüter gegenüber Überflutungen, Objekte mit Gefährdungspotenzialen.
Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse im Themenbereich Gefahren/Empfindlichkeiten der Stadtinfrastruktur wurde eine GIS-gestützte Risikountersuchung unternommen. Faktoren, wie Verwaltungsstruktur oder Netzwerk der beteiligten spielten dabei eine Rolle.
Im Wesentlichen sollten bereits vorhandene Daten genutzt werden, deshalb war ein weiteres Entscheidungskriterium für die Aufnahme von Eingangsdaten in die Sensitivitätsbetrachtung deren Vorliegen in raumbezogener Form. Verschiedenste kommunale Daten wurden angefragt, priorisiert und reduziert: Daraus entstanden die vier Datensegmente Bevölkerung, Gefahrenquellen, Schutzgüter / Infrastruktur und Umwelt- und Bodendaten. Diesen wurde in Anlehnung an DWA-M 119 Schadenspotenziale zugeordnet.
Weiterhin wurden potenzielle Schadensbewertungen für ausgewählte Objekte definiert, z.B. Mischwasserschächte, Heizöltanks, Badestellen, Regenrückhaltebecken und Erdwärmesonden. Einigen Daten – vor allem denen aus dem Segment Umweltdaten – wurde aufgrund eines nicht eindeutigen Zusammenhangs zum Starkregenereignis keine Bewertung zugeordnet. Diese sind für andere Untersuchungen, etwa zum Stadtklima, allerdings sehr hilfreich.
Zur Einschätzung der Überflutungsgefährdung wurde eine GIS-basierte Abschätzung der Senken und Hauptfließwege des Oberflächenwassers im gesamten Lübecker Stadtgebiet durchgeführt. Verwendet wurde neben der GIS-Software ArcMap die kostenlose Erweiterung ArcHydro (Fa. ESRI). Die Grundlage für die Erstellung der Senken- und Fließwegekarten bildete ein auf Basis eines Laserscan-Datensatzes aus dem Jahr 2006 erstelltes Digitales Geländemodell mit der Auflösung von 1x1 m.
Eine weitere Risikoanalyse fand statt. Zur Ermittlung und Darstellung des Risikos in Bezug auf Starkregen-bedingte Schäden wurden die Überflutungsgefährdung aus GIS-Analyse bzw. 1D-2D-Modell sowie das Schadenspotenzial (Sensitivitätsanalyse) kombiniert betrachtet. Dabei wurde sich an der Hochwasser-Risikokarte gemäß HWRM-RL 2007/60/EG orientiert, aber abweichend eine modulare Darstellung für verschiedene Objektkategorien gewählt, um eine Grundlage für die Sensibilisierung von Zielgruppen zu schaffen.
Am Beispiel zweier Pilotgebiete wurde das Überflutungsgefahrenpotenzial konkretisiert. Die topografischen Gegebenheiten wurden aufgearbeitet und anschließend wurde eine Überflutung mit MIKE Flood in diesen Gebieten simuliert.
Auf Grundlage der ermittelten Überflutungsgefährdung im Stadtgebiet konnte eine Klassifizierung und Gefährdungsbewertung entsprechend DWA-M 119 nach der Tiefe und, für die Feuerwehr, zusätzlich nach dem Volumen vorgenommen werden. Die nach Tiefe bzw. Volumen klassifizierten Senken dienten als Input für die Risikobewertung.
Im Anschluss an die Analysen wurden modellhaft Maßnahmen implementiert und anschließend bewertet. Die simulierten Maßnahmen wurden auf eine Maßnahmenkarte übertragen. Aus dieser lassen sich sowohl langfristige Planungsgrundlagen, die das Entwässerungssystem robuster werden lassen, als auch kurzfristige Schutzmaßnahmen für Überflutungsfälle im aktuellen Ist-Zustand ableiten.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter dem Förderkennzeichen 03DAS014 gefördert.
hydro & meteo GmbH & Co. KG