Wie verbessern wir den Zustand unserer Seen?

Ein See umgeben von Bergen mit klarem Wasserzum Vergrößern anklicken
Hochalpiner See
Quelle: Hoffmann / UBA

Ein guter ökologischer Zustand von Seen ist ein zentrales Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Durch eine Verminderung der Nährstoffeinträge wird die Gewässergüte von Seen langfristig verbessert. Zusätzliche See-interne Verfahren können die Besserung beschleunigen.

Inhaltsverzeichnis

Nur 24,7 % der Seen in Deutschland (n = 738, größer als 50 Hektar) weisen gegenwärtig einen „sehr guten“ oder „guten“ ökologischen Zustand auf. Mehr als ein Drittel unserer Seen ist nach ⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ (WRRL) als „unbefriedigend“ oder „schlecht“ klassifiziert, weil zu viele Nährstoffe (vor allem Phosphor) sie belasten und ihre Ufer unter Freizeitaktivitäten sowie Besiedlung leiden. Mehr über die Ergebnisse erfahren Sie hier

 

Eutrophierung – Hauptursache des unbefriedigenden oder schlechten ökologischen Zustands der Seen

Das Verfehlen des guten ökologischen Zustands geht überwiegend auf das Wachstum des Phytoplanktons (Algen), des Phytobenthos und der Makrophyten (am Gewässerboden vorkommende Algen und Wasserpflanzen) zurück (Abb. 1). Zusätzlich beeinflussen Veränderungen und Verbauung der Seeufer und der ⁠Klimawandel⁠ die natürliche Funktionsweise von Seen und können damit zu ökologischen Defiziten führen.

In den letzten 30 Jahren wurden die Einträge von Phosphor(P) um 70 % und von Stickstoff (N) um 50 % reduziert, weil die Kläranlagen heute fast flächendeckend Nährstoffe entfernen. Trotzdem ist die Belastung mit Phosphor weiterhin zu hoch (siehe Indikator): Zu viele Nährstoffe führen zu erhöhtem Wachstum von Algen und können massenhafte Vermehrung, sog. Algenblüten, bewirken. Folgen sind auch das Auftreten von ⁠Cyanobakterien⁠ (Blaualgen), Artenverlust, Sauerstoffmangel und Fischsterben. Fachleute sprechen von „Eutrophierung“: eine vom Menschen verursachte erhöhte Nährstoffkonzentration in einem Gewässer. Geringere Eutrophierung ist deshalb das Ziel moderner Bewirtschaftungskonzepte (Wasserwirtschaft in Deutschland, 2017; Hupfer et al., 2013). 

Abbildung 1: Zustand einzelner Qualitätskomponenten für die Seen
Abbildung 1: Zustand einzelner Qualitätskomponenten für die Seen
Quelle: Berichtsportal WasserBLicK / BFG /UBA / LAWA
 

Externe Maßnahmen zur Trophieminderung

Vorrangig ist, den externen Nährstoffeintrag von Seen nachhaltig zu verringern (Seen-Sanierung). Alle Quellen sind zu betrachten: diffuse Einträge aus der Landwirtschaft durch ⁠Erosion⁠, Drainage oder Oberflächenabfluss, Einträge aus städtischer Mischwasserkanalisation, die bei Starkregenereignissen fast ungeklärt in die Gewässer gelangen oder punktuelle Einleitungen von Kläranlagen ohne dritte Reinigungsstufe. Nur eine Reduktion der Einträge in die Gewässer führt langfristig zu einer Verbesserung der Wasserqualität. Zentral sind hierbei die Phosphoreinträge.

Um die Auswirkungen dieser externen Maßnahmen auf die Trophie eines Sees vorherzusagen, wird dessen hydrologische, physikalische, chemische und biologische Struktur untersucht (Nixdorf et al., 2013). Seen reagieren häufig verzögert oder nicht in dem erwarteten Ausmaß auf die Reduzierung (Kasprzak et al., 2018). Eingehende Untersuchungen des Sees und seines Einzugsgebietes (Zustandsanalyse, Bilanzierung des P-Haushaltes) helfen, Defizite und ihre Ursachen zu identifizieren (Hupfer et al., 2013; Schauser et al., 2002).

 

Gründe für die Anwendung See-interner Maßnahmen zur Trophieminderung

Unter bestimmten Umständen können nach der Minderung externer Quellen auch See-interne Maßnahmen zum Einsatz kommen (Seen-Restaurierung). Diese zielen darauf ab, die physikalische, chemische oder biologische Struktur eines Sees zu verändern, um so die unerwünschte Wirkung einer zu hohen Nährstoffbelastung zu vermindern (Lewandowski et al., 2013). See-interne Maßnahmen können zur Anwendung kommen (Hupfer et al, 2013), wenn

  • die weitere Senkung externer Quellen mit enormen Aufwand verbunden ist, z.B. bei Nährstoffanreicherung in Böden, deren Konzentrationen nur sehr langsam gesenkt werden können (Effizienzsteigerung).
  • die gewässerinternen und/oder hydrologischen Verhältnisse einer raschen Verbesserung entgegenstehen, z.B. bei sehr langen Wasseraufenthaltszeiten, weshalb Seen bis zu Jahrzehnten verzögert reagieren können (Zeitgewinn).
  • das nichtlineare Verhalten von Seen kurzfristig eine wesentlich stärkere Senkung der Nährstoffkonzentration notwendig macht - um das System schneller von einem unerwünschten von Algen (Phytoplankton) dominierten, trüben Zustand in einen erwünschten von Wasserpflanzen (Makrophyten) dominierten, klaren Zustand zu überführen (Selbststabilisierung).
 

See-interne Maßnahmen zur Trophieminderung

See-interne Maßnahmen zielen darauf, den Nährstoffgehalt im Gewässer zu reduzieren oder die Organismenstruktur des Gewässers zu verändern. Der P-Gehalt kann durch Erhöhung der P-Bindung im Gewässer oder des P-Exports aus dem Gewässer reduziert werden. Im Folgenden werden einige der gängigen See-internen Verfahren vorgestellt, wobei der Fachartikel von Lewandowski et al. (2013) als maßgebliche Quelle diente:

Erhöhung der P-Bindung im Gewässer

Um die P-Bindung im Gewässer zu erhöhen, werden reaktive Fällmittel eingesetzt, die als wirksame Bestandteile Aluminium, Calcium oder Eisen enthalten. Diese Elemente kommen auch natürlicherweise in Sedimenten vor und fungieren als Bindungspartner für P, wobei deren Vorkommen durch die geogenen Verhältnisse im ⁠Einzugsgebiet⁠ bestimmt wird.

Die Anwendung von Fällmitteln zielt im Wesentlichen darauf ab,
(1) Den P-Gehalt in der Wassersäule durch Sorption gelösten Phosphats an das Fällmittel sowie durch Co-Fällung partikulärer Wasserinhaltsstoffe während des Absinkens zu reduzieren.
(2) Die P-Bindekapazität der Sedimentoberfläche zu erhöhen und so die P-Freisetzung zu verringern, die eine Folge des mikrobiell gesteuerten Abbaus organischen Materials am Gewässergrund ist.

Eine P-Fällung ist am effektivsten, wenn besonders viel P im ⁠Wasserkörper⁠ gelöst und nicht in Planktonorganismen gebunden ist. Der Einsatz der verschiedenen Fällmittel ist bei fachgerechter Anwendung nicht toxisch (Bakker et al., 2016, Wauer & Teien, 2010; Wauer et al., 2009). Folgende grundlegende Eigenschaften sind jedoch zu beachten:

  • Al- und Fe-haltige Fällmittel können den ⁠pH-Wert⁠ erhöhen oder absenken, insbesondere in kalkarmen, nur schwach gepufferten Gewässern.
  • Al-haltige Fällmittel binden P auch unter reduzierenden Bedingungen, wie sie häufig im Sediment anzutreffen sind. Diese Verbindungen sind im Sediment nicht mobil.
  • Al-haltige Fällmittel werden bei pH-Werten unter 4 und über 9 gelöst und können dann toxisch wirken. Dies kann in Flachseen problematisch sein, wenn Sedimentpartikel aufgewirbelt werden und gleichzeitig hohe pH Werten durch die ⁠Photosynthese⁠ von Algen auftreten.
  • Ca-haltige Fällmittel besitzen eine geringere P-Bindekapazität im Vergleich zu den anderen Fällmitteln; durch Mineralisation und Alterung lässt ihre P-Bindung relativ schnell nach.
  • Fe-haltige Verbindungen können unter reduzierenden Bedingungen wieder in Lösung gehen und den gebundenen P wieder freigeben. Diese Eigenschaft wurde lange Zeit als Nachteil angesehen. Der Einsatz Fe-haltiger Fällmittel wurde deshalb häufig mit einer Belüftung des Tiefenwassers kombiniert, was jedoch kaum positive Langzeiteffekte bewirkt.
  • Die Redoxsensitivität des Fe ist insgesamt von Vorteil, weil
  1. Eisen - solange im Überschuss vorhanden - im Sediment mobil ist, stetig an die Sedimentoberfläche gelangen kann und so eine hohe P-Bindefähigkeit der Sedimentoberfläche sicherstellt.
  2. Während der Schichtungsperiode in das Tiefenwasser freigesetzter P nicht wachstumswirksam ist und bei Sauerstoffzutritt zu Beginn der Vollzirkulation zusammen mit den Fe-haltigen Verbindungen wieder ausgefällt wird.
  • Unter anoxischen Bedingungen werden Fe-haltige Verbindungen reduziert zu Fe2+. Hohe Konzentrationen von gelösten Fe2+- und Phosphat-Ionen im Porenraum des Sediments begünstigen die Bildung stabiler Fe-P Minerale, z.B. Vivianit (Rothe et al., 2014) und erhöhen so langfristig die P-Bindekapazität des Sediments.

Erhöhung des P-Exports aus dem Gewässer

Bei geschichteten Seen kann der P-Export erhöht werden, indem mit Nährstoffen angereichertes Tiefenwasser abgeleitet wird. Im Sommer und Winter sind tiefe Seen geschichtet. Auf Grund des Algenwachstums im lichtdurchfluteten oberen Bereich der Wassersäule im Frühjahr und Sommer verringert sich die Konzentration gelösten Phosphats. Gleichzeitig führen die Sedimentation von Algen und deren mikrobieller Abbau zur  Freisetzung von Nährstoffen im Tiefenwasser. Je größer die Nährstoffanreicherung im Tiefenwasser, desto mehr P kann nun aus dem See entfernt werden, wenn man seinen natürlichen ⁠Abfluss⁠ gegen eine Leitung mit Tiefenwasser ersetzt.

Entschlammung/Sedimententnahme

Das Sediment ist in den allermeisten Fällen über das gesamte Jahr hinweg gesehen eine P-Senke und keine Netto-P-Quelle. Dies erklärt, warum Sedimententnahmen oft nicht den gewünschten Erfolg haben.

Biomanipulation

Die Idee der Biomanipulation besteht darin, die Nahrungskette auszunutzen, um so den Fraßdruck auf das Phytoplankton zu erhöhen. Dies kann durch die Entfernung von Friedfischen, die sich von Zooplankton ernähren, oder durch die Stärkung des Raubfischbestands erreicht werden. Häufig springen aber andere Organismen (z.B. großes, räuberisches Zooplankton) in die erhoffte Lücke.

Eine Unterdrückung des Phytoplanktons führt zu verbesserten Lichtbedingungen und kann die Besiedlung mit Makrophyten auslösen. Auch gezieltes Anpflanzen von Makrophyten kann ein Klarwasserstadium stabilisieren, sobald die Lichtbedingungen deren Vermehrung zulassen. Die wichtigsten positiven Rückkopplungseffekte von Makrophyten sind:

  1. Nährstoffkonkurrenz zum Phytoplankton
  2. verminderte Resuspension von Sedimentpartikeln und den darin enthaltenen Nährstoffen
  3. allelopathische Effekte, d.h. Abgabe chemischer Verbindungen, die das Wachstums anderer Algenarten hemmen
  4. Lebensraum für Zooplanktonorganismen, die sich vom Phytoplankton ernähren

Belüftung, Zwangszirkulation

Eine Belüftung des Tiefenwassers oder eine Zwangszirkulation haben das Ziel, den Wasserkörper zusätzlich mit Sauerstoff zu versorgen und so den Lebensraum für Wasserorganismen zu vergrößern. Eine Zwangszirkulation führt jedoch auf Grund der Aufhebung der ⁠Schichtung⁠ zu einem Transport von gelösten Nährstoffen in die oberen Wasserschichten, was das Phytoplanktonwachstum verstärken kann. Auch ein Einsatz im Winter kann die natürlich auftretende Durchmischung des Wasserkörpers fördern und zur Auffüllung des Sauerstoffvorrats beitragen.

Eine bessere Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers oxidiert die Sedimentoberfläche, was die Freisetzung von P aus dem Sediment dämpfen kann. Auf Grund der Reversibilität dieser P-Bindung an oxidierte Fe- und Mn-Verbindungen und der geringen Eindringtiefe des Sauerstoffs in das Sediment, ist die zusätzlich erreichbare P-Bindung gering und wirkt sich deshalb nicht trophiesenkend aus.

Quellenverzeichnis:

Bakker, E. S.; Van Donk, E. & Immers, A. K.: Lake restoration by in-lake iron addition: a synopsis of iron impact on aquatic organisms and shallow lake ecosystems, Aquatic Ecology, 50, 121-135, 2016.

Hupfer, M.; Gohr, F.; Krause, D.; Mathes, J.; Spieker, J.; Wanner, S. & Lewandowski, J.: Vorbereitung und Auswahl von Maßnahmen zur Seentherapie, Korrespondenz Wasserwirtschaft, 6(12), 710-717, 2013.

Kasprzak, P.; Gonsiorczyk, T.; Grossart, H.-P.; Hupfer, M.; Koschel, R.; Petzoldt, T. & Wauer, G.: Restoration of a eutrophic hard-water lake by applying an optimised dosage of poly-aluminium chloride (PAC), Limnologica, 70, 33-48, 2018.

Lewandowski, J.; Hoehn, E.; Kasprzak, P.; Kleeberg, A.; Kurzreuther, H.; Lücke, N.; Mathes, J.; Meis, S.; Rönicke, H.; Sandrock, S.; Wauer, G.; Rothe, M. & Hupfer, M: Gewässerinterne Ökotechnologien zur Verminderung der Trophie von Seen und Talsperren, Korrespondenz Wasserwirtschaft, 6(12), 718-728, 2013.

Nixdorf, B.; Rücker, J.; Dolman, A. M.; Wiedner, C.; Hilt, S.; Kasprzak, P.; Köhler, A.; Weyer, K. v. d.; Sandrock, S.; Scharf, E.-M. & Willmitzer, H.: Prozessverständnis als Grundlage für die Gewässerbewirtschaftung--Fallbeispiele für Limitation, Konkurrenz, ⁠Gewässerstruktur⁠ und Nahrungsnetzsteuerung, Korrespondenz Wasserwirtschaft, 6(12), 693-701, 2013.

Rothe, M.; Frederichs, T.; Eder, M.; Kleeberg, A. & Hupfer, M.: Evidence for vivianite formation and its contribution to long-term phosphorus retention in a recent lake sediment: a novel analytical approach, Biogeosciences, 11, 5169-5180, 2014.

Schauser, I.; Mathes, J.; Scharf, B. & Hupfer, M: Entscheidungsfindung und Entscheidungshilfen bei der Seentherapie: Seentherapie: Grundlagen, Methoden, Perpektiven, Wasser und Boden, 54, 14-20, 2002.

Umweltbundesamt (Hrsg.): Die ⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ – Deutschlands Gewässer 2015, 2016.

Umweltbundesamt (Hrsg.): Wasserwirtschaft in Deutschland – Grundlagen, Belastungen, Maßnahmen, 2017.

Wauer, G. & Teien, H.-C.: Risk of acute toxicity for fish during aluminium application to hardwater lakes,

Science of the Total Environment, 408, 4020-4025, 2010.

Wauer, G.; Gonsiorczyk, T.; Hupfer, M. & Koschel, R.: Phosphorus balance of Lake Tiefwarensee during and after restoration by hypolimnetic treatment with aluminum and calcium salts, Lake and Reservoir Management, 25, 377-388, 2009

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