FW-R-4: Erhaltung forstgenetischer Ressourcen
Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die In-situ- und Ex-situ-Erhaltungsbestände konnten in den zurückliegenden Jahren ausgeweitet werden. Sie stellen sicher, dass die genetische Vielfalt bei den häufigen und seltenen Baumarten erhalten bleibt. Damit werden grundlegende Voraussetzungen für die Bewahrung der Anpassungsfähigkeit der Wälder geschaffen.
Im Rahmen des weiter fortschreitenden Klimawandels erhöhen extreme Witterungsereignisse und ihre Folgewirkungen den Selektionsdruck auf Waldbestände. Nur genetisch angepasste Individuen, d. h. einzelne Bäume, können innerhalb größerer Populationen überleben, wachsen und sich fortpflanzen. Angesichts der Vielzahl der Wechselwirkungen und der Dynamik der Einzelfaktoren lässt sich nicht vorhersagen, welche Individuen oder Populationen das sein werden. Die Lösung dieses Dilemmas besteht in der Aufrechterhaltung einer hinreichend großen Anzahl und Vielfalt potenziell anpassungsfähiger Individuen. Denn die genetische Vielfalt sowohl auf der Ebene der Individuen als auch der Populationen ist die Basis von Anpassung und Artenreichtum. Daher steht die Beobachtung und Erhaltung der genetischen Vielfalt und des genetischen Systems seit nahezu 100 Jahren im Fokus von Maßnahmen zur Erhaltung genetischer Ressourcen32. Von besonderer Bedeutung ist die weitergehende Erfassung der genetischen Eignung der verschiedenen räumlichen Vorkommen heimischer Baumarten in Deutschland.
Die Maßnahmen zur Erhaltung forstlicher Genressourcen können entweder in In-situ- und Ex-situ-Maßnahmen eingeteilt werden. Die In-situ-Maßnahmen gehören zur dynamischen Erhaltung. Sie haben zum Ziel, die jeweiligen genetischen Ressourcen am Ort ihres Vorkommens als sogenannte „Generhaltungsobjekte“ zu erhalten. Die Sicherung und Verbreitung ihrer genetischen Informationen in die nächste Baumgeneration erfolgt über die natürliche Verjüngung. Besonders gefährdete Arten oder Varianten werden in speziell angelegten Archiven, ggf. in Samenplantagen, (Ex-situ) erhalten. Die Ex-situ-Maßnahmen sind statische Maßnahmen, die die Sicherung der aktuellen Ausprägung der genetischen Vielfalt zum Ziel haben. Darunter fallen Maßnahmen zur langfristigen Einlagerung von Saatgut, Pollen, Pflanzen oder Pflanzenteilen unter kontrollierten Bedingungen als Träger genetischer Informationen. Diese Erhaltungsstrategien haben unterschiedlich hohe Anforderungen hinsichtlich des Flächenbedarfs, der Anlagekosten, Nutzung und Beobachtung, sodass die finanziell aufwändige Ex-situ- Erhaltung weniger Anwendung findet als die In-situ- Erhaltung.
In Deutschland liegt die Verantwortung für Generhaltungsmaßnahmen bei den Ländern. Die Konzepte der Länder zur Erhaltung forstlicher Genressourcen bilden den Rahmen für die notwendigen Generhaltungsmaßnahmen. Auf Bundesebene werden die Informationen über die Ausweisung aller Generhaltungsobjekte in einem Nationalen Inventar forstgenetischer Ressourcen (FGRDEU) zusammengeführt. Die Daten werden im mehrjährlichen Turnus aktualisiert und ergänzt.
Eine einfache Interpretation der sich ändernden Anzahl und Flächengröße der Generhaltungsobjekte in Deutschland ist nicht möglich. Denn die genetische Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Klimabedingungen wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst und lässt sich somit nur schwer abschätzen. Die Anzahl der Generhaltungsobjekte je Baumart und die Größen der Erhaltungsflächen geben lediglich eine Orientierung. Die Interpretation dieser Daten erfordert grundsätzlich forstwirtschaftliche Detailkenntnisse und die Anwendung von speziellen Indikatoren (z. B. Erhaltungsfähigkeit, Ökologischer Erhaltungsindex). So würde z. B. die Angabe der „In-situ- Erhaltungsfläche“ für seltene und Neben-Baumarten angesichts geringer Populationsgrößen bzw. Individuenzahlen den Erhaltungszustand überschätzen. Andererseits verrät die Anzahl der Generhaltungsobjekte nichts über die Größe der Population. Ebenso stehen genetische Inventuren, die den Grundsätzen des forstlichen Monitorings genügen, erst am Anfang. Von einem eindimensionalen „je mehr Generhaltungsobjekte, desto besser“ kann somit nicht ausgegangen werden, denn für jede Baumart gibt es einen sinnvollen Umfang von Generhaltungsbeständen, über den hinaus eine Steigerung der Fläche oder des Umfangs der Einlagerung von Generhaltungsobjekten keine weitere Verbesserung der Absicherung bringt.
Insgesamt hat die Erhaltung forstgenetischer Ressourcen einen deutlichen Fortschritt erfahren. Dies zeigt sich u. a. an der bundesweit einheitlichen Abstimmung der Ausweisungskriterien für Generhaltungsobjekte, der zunehmenden Anwendung von genetischen Markern zur Charakterisierung forstgenetischer Ressourcen und der Etablierung von bundesweiten Monitoringprogrammen (derzeit für Rot-Buche und Fichte) für populationsgenetische und evolutive Fragestellungen. Diese Entwicklungen bieten eine weitere Grundlage für die Bewertung der genetischen Anpassungsfähigkeit von Gehölzen unter den Bedingungen des Klimawandels.
In Deutschland haben die Flächen der In-situ- und Ex-situ-Generhaltungsobjekte in den letzten Jahren zugenommen. Lediglich zwischen 2010 und 2012 gab es eine geringfügige Reduzierung der Fläche der In-situ-Bestände. Bei den häufigeren Waldbaumarten, für die das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) die Erzeugung, das Inverkehrbringen sowie die Ein- und Ausfuhr von Forstvermehrungsgut regelt, stieg die Fläche von In-situ-Beständen von 2004 bis 2017 von 12.681 auf 32.405 Hektar. Seltene und gefährdete Baumarten unterliegen nicht dem FoVG. Für Flaum-Eiche, Elsbeere, Speierling, Wild-Apfel, Wild-Birne, Eibe, Feld-Ahorn, Grün-Erle, Grau-Erle und Gemeiner Trauben-Kirsche erfolgte eine systematische und vereinheitlichte Erfassung. Untersucht wurden Lage, Populationsgröße, Vitalitätszustand und Altersstruktur der Vorkommen. Hier wurde bis 2017 eine Ausweitung der gemeldeten In-situ-Bestände auf rund 4.560 Hektar erreicht. Auch die Flächen der angelegten Bestände und Samenplantagen zur Generhaltung (Ex-situ) sind von 2004 (1.777 Hektor) auf bis 2017 (2.470 Hektar) angewachsen.
32 - Die Erhaltung forstlicher Genressourcen beispielsweise in Genarchiven oder Saatgutlagern war ein wichtiger Grundpfeiler der sich Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelnden Forstpflanzenzüchtung. Seitdem ist die Erhaltung forstgenetischer Ressourcen für eine Vielzahl von Baum- und Straucharten sowie die Beobachtung des genetischen Systems (genetisches Monitoring) eine zentrale Aufgabe der Forstgenetik. Während sich die Emission von Luftschadstoffen in den 1980er Jahren durch politische Rahmenbedingungen und technische Lösungen mindern ließ, sind die regionalen Auswirkungen des globalen Klimawandels bisher nicht beherrschbar. Damit ist die Sicherung vielfältiger genetischer Ressourcen (im Sinne von Informationen für biologische Leistungen) eine Grundvoraussetzung für die Klimaanpassung von Wäldern und eine zukunftsfähige Waldwirtschaft.
Erhaltung der Vielfalt und eines angepassten Genpools von Baum- und Straucharten (Forstliche Genressourcen in Deutschland, S. 29)
Erhaltung der genetischen Vielfalt der Forstpflanzen (Waldstrategie 2020, S. 23)