Risikoanalysen und Naturgefahrenszenarien für den Tourismus

grünes Zelt im Wasser auf überflutetem Campingplatzzum Vergrößern anklicken
Campingplatz unter Wasser
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Inhaltsverzeichnis

 

Risikoanalysen und Naturgefahrenszenarien für den Tourismus durchführen, Risikokartierung laufend aktualisieren

Die Risikoanalyse ist die zentrale Grundlage für alle Planungen und Maßnahmen, die zum Schutz von Bevölkerung und Gästen getroffen werden und daher ein wichtiger Bestandteil des Risikomanagements. Spezielle Analysen auf der Ebene von touristischen Destinationen sind wichtig, da diese detaillierte und aussagekräftige Informationen über Risiken, die den Tourismus betreffen, liefern. Ziel ist es, auf Grundlage genauer Kenntnisse über mögliche Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadenspotenziale die notwendigen Maßnahmen zu einer Reduzierung der Gefährdung bzw. einer schnellen Bewältigung von Krisensituationen zu treffen. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu werden, dass eine absolute Sicherheit nie erreicht werden kann.  
Da sich die Rahmenbedingungen, unter denen die Analyse durchgeführt wird, ständig verändern, neue Erkenntnisse zu Risiken, Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schäden gewonnen werden und die verwendete Methode daher optimiert werden kann, muss die Risikoanalyse als eine kontinuierliche Aufgabe verstanden werden. Auch klimatische Veränderungen müssen in die Analyse miteinbezogen werden, da sich der ⁠Klimawandel⁠ durch eine Zunahme von Extremereignissen auf das Auftreten von Naturgefahren auswirkt, wobei die Unsicherheiten über die genauen Veränderungen noch groß sind.  
Bevor die Risikoanalyse durchgeführt wird, muss ein geeignetes Gebiet ausgewählt werden. Dies kann dem Gebiet der touristischen Destination entsprechen, u.U. ist aber zur Sicherstellung einer einheitlichen Datengrundlage auch eine andere Abgrenzung sinnvoll. Das im Folgenden beschriebene Vorgehen orientiert sich an den Leitfäden „Methoden für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“  und „Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz. Ein Stresstest für die Allgemeine Gefahrenabwehr und den Katastrophenschutz“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und kann dort im Detail nachgelesen werden.

  1. Sammlung grundlegender Informationen über das Gebiet (Fokus Tourismus: touristisch relevante Infrastrukturen/Gebiete? Übernachtungszahlen, …)
  2. Auswahl der zu betrachtenden Gefahren (hier: klimatisch beeinflusste Extremereignisse und Naturgefahren; Beschreibung von Art, Ausdehnung, Intensität, Zeitpunkt und Dauer des Ereignisses auf Grundlage von wissenschaftlichen und statistischen Daten & Experteneinschätzungen). Auch extreme Ereignisse sollten berücksichtigt werden, da die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt zwar gering ist, diese aber große Schäden verursachen können. Zudem verschiebt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit extremer Ereignisse aufgrund des Klimawandels.
  3. Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit (Grundlage: fünfstufige Skala von sehr wahrscheinlich bis sehr unwahrscheinlich)
  4. Bestimmung und Bewertung (unbedeutend bis katastrophal) des Schadensausmaßes (Schädigung von Touristinnen und Touristen (Tote/Verletzte), geschädigte touristische Gebiete (z. B. Naturpark), Schäden an Beherbergungseinrichtungen, Wegen, Bergbahnen oder sonstigen vorwiegend touristisch genutzten Infrastrukturen)
  5. Visualisierung der Ergebnisse (die Größe des Risikos wird bestimmt durch die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß)

Die Ergebnisse der Risikoanalyse können mithilfe Geographischer Informationssysteme (GIS) weiter verarbeitet, ausgewertet und visualisiert werden. Die Risikokartierung dient dabei im Wesentlichen einer räumlichen Verortung der Naturgefahren. Je nachdem, welche Informationen darin abgebildet werden, unterscheidet man Gefahrenhinweiskarten (qualitative Darstellung), Gefahrenkarten (quantitative Darstellung), Gefährdungskarten (Informationen zu Eintrittswahrscheinlichkeiten) oder Risikokarten (Quantifizierung des Risikos, z. B. Schadenserwartung). Dabei muss im Einzelfall entschieden werden, welche Informationen sinnvollerweise dargestellt werden können. Die identifizierten Risiken können beispielsweise mit den vorhandenen touristischen Infrastrukturen (z. B. Beherbergungseinrichtungen, Wanderwege, …) bzw. den Gebieten, in denen sich Touristinnen und Touristen üblicherweise aufhalten, verschnitten werden. Daraus wird deutlich, ob und wodurch touristische Aktivitäten gefährdet werden. Wenn das Risiko groß oder aber der mögliche Schaden sehr hoch ist, müssen Maßnahmen zur Vermeidung (z. B. Änderung der Wegeführung) oder Reduzierung (z. B. Schutzbauten) der Risiken getroffen werden.
Da durch das Kartenmaterial komplexe Zusammenhänge anschaulich dargestellt werden können, kann dieses darüber hinaus dazu genutzt werden, um die Ergebnisse der Risikoanalyse an die betroffenen Akteure zu kommunizieren. Besonders, wenn in der Region bislang kaum Krisen oder Katastrophen aufgetreten sind, ist die Bewusstseinsbildung wichtig, um die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen zu erhöhen bzw. die Bereitschaft zur Umsetzung vorsorgender Maßnahmen im Einflussbereich einzelner touristischer Akteure zu erhöhen.

 

Hauptverantwortliche Institution (Maßnahmenträger):

In den meisten Bundesländern ist die untere Katastrophenschutzbehörde für die Durchführung von Risikoanalysen verantwortlich. Von der Destinationsmanagementorganisation kann angeregt werden, dass eine Risikoanalyse mit Fokus auf den Tourismus durchgeführt wird.

 

Zu beteiligende Akteure:

Berufs- und Freiwillige Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, Technisches Hilfswerk, Wasserwirtschaftsamt, Lawinenkommission, Tourismusvereine und -verbände, …

 

Klimawandelfolgen:

Zunahme klimatisch beeinflusster Extremereignisse (Hochwasser, Sturmfluten, Starkregenereignisse, Sturm, Brände, Lawinen, Erdrutsch, …)

 

Verwendete Steuerungsinstrumente:

Gefahren- und Risikoanalyse, Risikokartierung, Bewusstseinsbildung, Beteiligungsverfahren

 

Hindernisse und Lösungen:

Die Analyse von Risiken erfüllt keinen Selbstzweck, sondern ist ein Teil des Risikomanagements und Entscheidungsgrundlage im Umgang mit Risiken. Um das Sicherheitsniveau tatsächlich erhöhen zu können, sollte bereits im Erstellungsprozess der Fokus dabei vor allem auf jene Akteure gelegt werden, die anschließend für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen verantwortlich sind. Dabei ist die Gewinnung der Zustimmung und Unterstützung der politischen Ebene eine wichtige Voraussetzung, dass die Risikoanalyse eine praktische Berücksichtigung im Risikomanagement findet.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass die Analyse von Risiken immer mit Unsicherheiten verbunden ist, besonders da sich die Rahmenbedingungen, z. B. aufgrund des Klimawandels, aber auch durch gesellschaftliche Entwicklungen ständig verändern. Um dennoch eine hohe Glaubwürdigkeit der Analyse sicherstellen zu können, ist es wichtig, Transparenz herzustellen, indem beispielsweise dokumentiert wird, wie Eintrittswahrscheinlichkeiten, Schadenswerte usw. zustande gekommen sind und welche Grundannahmen getroffen wurden. Orientierung können hier die Risikoanalysen auf Ebene der Landkreise, Kommunen oder Länder bieten. Durch dieses Vorgehen kann zudem sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der Analysen vergleichbar sind.
Um das richtige Maß zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Praxisnähe finden, ist die Einbindung der relevanten lokalen Fachexpertinnen und -experten notwendig. Der Vorteil davon ist, dass zum einen die Qualität der Ergebnisse erhöht werden kann, diese zum anderen aber auch eine höhere Akzeptanz und Unterstützung finden.
Grundsätzlich gilt außerdem, dass die Analyse umso konkretere Aussagen erlaubt, je genauer diese durchgeführt wird. Gleichzeitig steigt aber der Aufwand für die Erstellung der Risikoanalyse. Alle im Untersuchungsgebiet möglichen Gefahren zu betrachten ist nicht zielführend, es bedarf vielmehr einer Fokussierung auf die wesentlichen Gefahren.

 

Kosten:

Die Erstellung der Risikoanalyse fordert je nach Ausgangssituation und Ziel finanzielle und personelle Ressourcen in unterschiedlicher Höhe. Um ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis sicherzustellen, ist es wichtig, sich auf eine Priorisierung der zu analysierenden Risiken zu einigen. Außerdem gilt es, sich vor Augen zu führen, dass mit der Risikoanalyse zwar ein finanzieller Aufwand verbunden ist, die Kosten, die durch die Vermeidung oder Abmilderung der Folgen einer Krisensituation eingespart werden können, aber viel höher sein können.

 

Ökologische Aspekte:

Mit der Durchführung einer Risikoanalyse an sich sind im Normalfall keine direkten ökologischen Auswirkungen verbunden. Allerdings ist es möglich, dass auf dieser Grundlage Entscheidungen für technische, bauliche oder organisatorische Schutzmaßnahmen getroffen werden, welche wiederum relevante ökologische Folgen haben können. Diese gilt es im Einzelfall zu bewerten, um eine möglichst umweltverträgliche Lösung zu finden.

 

Sozio-ökonomische Aspekte:

Die Risikoanalyse ist die Grundlage für ein funktionierendes Risikomanagement, daher sind aber keine direkten sozio-ökonomischen Folgen zu erwarten. Die sozio-ökonomischen Folgen des Krisen- und Risikomanagements werden bei der Maßnahme „Krisenmanagement einrichten und verfeinern“ beschrieben.

 

Quelle:

Dieser Vorschlag für eine ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „Folgen des Klimawandels für den Tourismus in den deutschen Alpen und Mittelgebirgsregionen und Küstenregionen sowie auf den Badetourismus und flussbegleitende Tourismusformen (z. B. Radwander- und Wassertourismus) “ / Seite 125.

 

Zusätzliche Anregungen:

  • Risikomanagement - Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe von Waldbrand bis Hochwasser, von Stromausfall bis ⁠Dürre⁠: Deutschland verfügt grundsätzlich über gut funktionierende zivile Strukturen zum Schutz seiner Bevölkerung. Dies gilt sowohl bei alltäglichen Schadensereignissen als auch in Situationen, die größere Bevölkerungsteile und ihre Lebensgrundlagen sowie die Funktionsfähigkeit Kritischer Infrastrukturen gefährden.
  • Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz (Ausgabe des Wissenschaftsforum Band 8) -  Das Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entwickelte eine pragmatische und einfach umsetzbare Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, die geeignet ist, auf allen Verwaltungsebenen jedwedes Risiko analysieren zu können.
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 Zunahme klimatisch beeinflusster Extremereignisse