Vom 19. bis 21. Februar 2025 fand in Berlin der DKN Gipfel für Nachhaltigkeitsforschung statt. Das Motto lautete „Nachhaltige Entwicklung vorantreiben“. Die vom Deutschen Komitee für Nachhaltigkeitsforschung in Future Earth (DKN) organisierte Veranstaltung setzte die Reihe der Deutschen Future Earth Gipfeltreffen fort und bot eine Plattform für rund 250 Teilnehmende aus dem In- und Ausland. Mit drei Plenardiskussionen und mehr als 30 parallelen Sessions ermöglichte der Kongress einen umfangreichen Austausch über neue wissenschaftliche Erkenntnisse, Forschungsbedarfe und Aspekte der Forschungsförderung im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung.
Eine der hochrangigen Podiumsdiskussionen trug den Titel „Transformation in der Nachhaltigkeitswissenschaft - Transformation der Nachhaltigkeitswissenschaft“.
An dem Panel nahmen teil:
- Prof. Daniela Jacob (GERICS, Helmholtz-Zentrum Hereon sowie Vorsitzende des DKN
- Dr. Christiane Joerk (DFG – Deutsche Forschungsgemeinschaft)
- Marco Fritz (DG RTD, Europäische Forschungsgemeinschaft)
- Dr. Stephan Bartke (Umweltbundesamt)
- Moderator Prof. Michael Bollig (Universität zu Köln)
Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, wie sich die Nachhaltigkeitswissenschaft selbst weiterentwickeln muss, um einen transformativen Wandel hin zur Nachhaltigkeit besser zu unterstützen. In den Diskussionen wurden mehrere kritische Aspekte hervorgehoben, die derzeit noch die Wirksamkeit der Nachhaltigkeitswissenschaft und ihren Beitrag zur Gesellschaft bremsen.
Wesentliche Erkenntnisse aus der Podiumsdiskussion
Klarstellung der Forschungsauswirkungen:
Die Nachhaltigkeitsforschung reicht von der Grundlagenforschung bis zur transdisziplinären Co-Produktion und Umsetzung. Wie Dr. Stephan Bartke feststellte, bestehe ein dringender Bedarf an klaren Theorien des Wandels, in denen Förderprogramme und Projekte ausdrücklich ihren zu erwartenden Beitrag zur Nachhaltigkeit definieren. Um ein umfassendes Verständnis der Nachhaltigkeitsforschung und ihrer potenziellen Auswirkungen zu erlangen, sei es wichtig, verschiedene Forschungsschwerpunkte zu erfassen. Dies stehe im Einklang mit den allgemeinen Zielen der Interessengruppe für Nachhaltigkeitsforschung und -lösungen (IG EPAS) und des CASRI-Projekts, die darauf abzielen, die systemische, umsetzbare und transversale Nachhaltigkeitsforschung zu fördern.
Verbindung von Wissenschaft, Politik und Finanzierung:
Ein wiederkehrendes Thema auf dem Podium war die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Forschungsförderern. Eine bessere Abstimmung zwischen nationalen und europäischen Finanzierungsprioritäten sei unerlässlich, um die Fragmentierung zu verringern und eine langfristige Wirkung zu unterstützen. Dr. Stephan Bartke verwies auf die CASRI-Initiative als Beispiel für die Stärkung der Verbindungen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU sowie zwischen Forschung und Politik. Das CASRI-Projekt, das durch eine Koordinierungs- und Förderungsaktion von Horizon Europe initiiert wurde, soll systemische, umsetzbare und transversale Nachhaltigkeitsforschung und -innovation in ganz Europa koordinieren und verbessern.
Definition der Rollen in der Erkenntnisgewinnung:
Prof. Dr. Daniela Jacob, Vorsitzende des DKN und Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS), betonte, dass es in der Nachhaltigkeitsforschung oft an einer klaren Aufgabenteilung zwischen den Forschenden, die Wissen generieren, und der Verwaltung oder anderen Akteurinnen und Akteuren, die für die Umsetzung der Forschungsergebnisse verantwortlich sind, fehle. Eine klarere Definition dieser Rollen würde dazu beitragen, eine Überlastung der Wissenschaftler*innen zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Forschungsergebnisse zu Veränderungen in der Realität führen. Sie betonte auch, dass Finanzierungsmodelle diese Realität widerspiegeln sollten, indem sie nicht nur die Forschung selbst, sondern auch die strukturierte Übernahme und Anwendung der Ergebnisse in Politik und Praxis unterstützen.
Hindernisse für die transdisziplinäre Wissenschaft überwinden:
Die Nachhaltigkeitswissenschaft müsse sich von institutionellen Barrieren befreien, die inter- und transdisziplinäre Ansätze erschweren. Dr. Christiane Joerk (DFG) wies darauf hin, dass durch die Anerkennung der Nachhaltigkeitswissenschaft als eine etablierte Disziplin – ähnlich wie die Agrar- oder Raumwissenschaften – ihr institutioneller Stand erhöht und Finanzierungsmöglichkeiten verbessert werden könnten. Sie betonte, dass inter- und transdisziplinäre Forschung von den Förderorganisationen zunehmend geschätzt werden, jedoch müssten die Karrierewege und Bewertungskriterien diesen Wandel noch widerspiegeln.
Abstimmung von nationalen und EU-Forschungsstrategien:
Marco Fritz (Europäische Kommission, DG RTD) erläuterte, wie Horizon Europe inter- und transdisziplinäre Ansätze fördert. Nationale und EU-Finanzierungsstrategien müssten jedoch stärker aufeinander abgestimmt werden, um die Nachhaltigkeitsforschung und ihre Integration in die Politik zu beschleunigen. Er hob das „Do No Significant Harm“ (deutsch: Verursache keinen signifikanten Schaden)-Prinzip als einen wichtigen Mechanismus hervor, um sicherzustellen, dass Forschungsprojekte aktiv zur Nachhaltigkeit beitragen.
Neudefinition der Exzellenz-Forschung:
Prof. Michael Bollig (Universität zu Köln) und andere Diskussionsteilnehmer*innen waren sich einig, dass Exzellenz in der Forschung nicht nur an akademischen Publikationen gemessen werden sollte, sondern auch an der tatsächlichen Wirkung der Ergebnisse in der Praxis. Die Universitäten müssten spezielle Strukturen für transdisziplinäre Forschung schaffen, vergleichbar mit einer stabilen administrativen Unterstützung, die zur Sicherung der Finanzierung entwickelt wurde.
Verknüpfung von IG EPAS und CASRI
Stephan Bartkes Teilnahme an dem Panel war durch die Ziele der IG EPAS motiviert. Die IG EPAS wurde 2022 als Teil des EPA-Netzwerks gegründet und fördert die strategische Forschungszusammenarbeit zwischen den europäischen Umweltschutzbehörden (EPAs). Die Gruppe arbeitet daran, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern, indem sie die Doppelrolle der EPAs bei der Valorisierung der Forschung und der Gestaltung der Politik nutzt.
Ein Kernelement der aktuellen Arbeit der IG EPAS ist das Projekt CASRI, das im Rahmen einer erfolgreichen „Horizont Europa“-Ausschreibung gestartet wurde. CASRI hat zum Ziel, Nachhaltigkeitsforschung und -innovation in ganz Europa zu koordinieren und zu verbessern, indem ein systematisches und umsetzbares Rahmenkonzept für gemeinsame Anstrengungen geschaffen wird. Das Projekt soll Lücken im Wissen um die Wechselwirkungen zwischen nationalen und europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschungs-Agenden schließen.
Der Gipfel bot wertvolle Einblicke und bekräftigte den Bedarf an kollaborativen und transdisziplinären Ansätzen zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit.
Mehr Informationen über das CASRI-Projekt sind unter CASRI.eu zu finden.