Forschungskonferenz Klimaresiliente Schwammstadt: Naturbasierte Konzepte und Maßnahmen als Baustein urbaner Transformation
Datum: 20. Juni 2022
Ort: Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau
Eröffnung
Die Forschungskonferenz „Klimaresiliente Schwammstadt“ wurde von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (BMUV) und dem Präsidenten des Umweltbundesamtes (UBA) Prof. Dr. Dirk Messner eröffnet. Ministerin Lemke betonte, dass Klimaanpassung ein zentrales Transformationsthema und eine gemeinschaftliche Aufgabe sei. Sie wies darauf hin, dass das BMUV die wesentlichen Instrumente auf den Weg bringen werde, mit einem Gesetz, messbaren Zielen und Finanzierung. Lemke unterstrich, dass Klimaanpassung und naturbasierte Lösungen Lebensqualität garantieren und nannte die Wasserstrategie und das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz als wichtige erste Instrumente.
Fachbereichsleiter Martin Schmied, in Vertretung für Herrn Prof. Dr. Messner, ging in der Begrüßung zunächst darauf ein, dass zunehmende Klimafolgen uns ganz direkt und spürbar betreffen, weshalb wir als Gesellschaft ins Handeln kommen müssen. Dadurch bekommt die Klimaanpassung eine immer stärkere Schlüsselrolle, um eine sozial-ökologische Transformation der Städte anzustoßen, so Schmied. Der Schwammstadt-Ansatz würde den Städten dabei multifunktionale Lösungen zur Gestaltung grün-blauer Infrastrukturen bieten. Schmied/Messner weist darauf hin, dass Lösungen vorausschauend, ebenen- und sektorenübergreifend und mit vielen Akteur*innen aus Wissenschaft und Praxis entwickelt werden sollten.
Moderatorin Katie Gallus führte durch den Konferenztag und stellte zunächst das Programm vor und leitete zur Podiumsdiskussion und dem ersten Key Note Speaker über.
Podiumsdiskussion „Auf dem Weg zu klimaresilienten Städten: Rahmenbedingungen aus der Politik und der Forschung“
Als Impuls für die anschließende Podiumsdiskussion hielt Kilian Osberghaus (Projektleitung LCOY – Junge Klimakonferenz Deutschland) einen Vortrag zur Fragestellung „Warum klimaresiliente Städte nicht nur eine Vision, sondern essentieller Bestandteil einer klimaneutralen Gesellschaft sind“. Darin brachte er den Blickwinkel junger Menschen auf die Stadt der Zukunft ein und verdeutlichte die Notwendigkeit, jetzt zu handeln und Finanzmittel zu nutzen, um klimaresiliente Städte zu erreichen. Als wichtigen Aspekt nannte er die Gesundheit, unter anderem in Bezug auf Hitze und Flutkatastrophen. In diesem Kontext zitierte er einen Jugendlichen der LCOY: „1,5° ist die beste Medizin, die wir haben“. Osberghaus stellte dar, dass die junge Generation bei wichtigen Entscheidungen unterrepräsentiert sei. Für ihn sind die Themen Mobilität, Rückzugsorte, Landwirtschaft, Energie und Wasser für eine zukunftsgewandte Stadt von größter Bedeutung. Als Anregung gab er zum Abschluss den Teilnehmenden mit auf den Weg: „Jede Person kann ihren/seinen Beitrag dazu leisten, dass wir insgesamt eine Zukunft haben, die positiv ist, die enkeltauglich ist, die klimaneutral ist.“
Podiumsgäste:
- Dr. Susanne Lottermoser, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Leiterin der Abteilung „Transformation – Digitalisierung, Circular Economy, Klimaanpassung“
- Matthias Herbert, Bundesamt für Naturschutz (BfN), Leiter der Abteilung „Natur und Landschaft in Planung und Projekten, erneuerbare Energien“
- Andreas Giga, Leiter der Serviceorganisation Klima.Werk, Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV)
- Prof. Claudia Hornberg, Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU)
- Irene Burkhardt, Vizepräsidentin des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekt:innen (bdla)
Die Podiumsdiskussion wurde mit dem Thema Entwicklungsstand klimaresilienter Städte in Deutschland eingeleitet. Irene Burkhardt (bdla) gab als Einstieg zu bedenken, dass bereits ein geballtes Wissen vorhanden sei, es jedoch neben der Entwicklung von Anpassungskonzepten auch notwendig sei, nach Barrieren zu fragen, welche lediglich einen langsamen Fortschritt erlauben, um genau dort mit Lösungen anzusetzen. Dem fügte Matthias Herbert (BfN) hinzu, dass es integrative Strukturen benötige, um vorhandenes Wissen zu streuen. Er nannte das Beispiel der Vorsorgemaßnahmen an der Weißen Elster nach dem Hochwasser von 2013 und wies darauf hin, bei den Maßnahmen auch Biodiversität im Blick zu behalten.
Dr. Susanne Lottermoser (BMUV) sprach von einem heterogenen Bild, mit einem allgemein verbreiteten Bewusstsein zum Thema Klimaanpassung, jedoch unterschiedlicher Geschwindigkeit in der Konzeption und Umsetzung. Während größere und besonders betroffene Städte Vorreiter seien, fehle es kleinen und mittleren Gemeinden oft an Finanzen und Personal, so Lottermoser.
Zur Frage der Priorisierung vor dem Hintergrund einer steigenden Dringlichkeit, antwortete Prof. Claudia Hornberg (SRU), dass Klimaresilienz bereits seit 30 Jahren ein Thema sei und Expertise in verschiedenen Fachbereichen existiere, jedoch die Interdisziplinarität unter Einbindung sozialer und ökologischer Aspekte aktuell sehr wichtig seien. Den Gedanken des Miteinanders stellte auch Andreas Giga (EGLV) heraus, indem Themen nicht mehr nur sektoral gelöst werden sollten, sondern eine Transformation des Handelns stattfinden müsse. Zudem sei es notwendig, den gesetzlichen Rahmen im Bereich Mobilität, Bebauung und Regenwasserinfrastruktur zu aktualisieren, um die Verwaltungen handlungsfähiger zu machen. „Wir müssen vom Reden zum Handeln kommen“.
Matthias Herbert gab zu bedenken, dass es zwar klar sei, wo gehandelt werden muss, die Umsetzung jedoch oftmals schwierig sei. Er argumentierte, dass personelle Kapazitäten knapp und Klimafolgen regional sehr unterschiedlich ausgeprägt seien. Schließlich bedarf es intelligenter Konzepte wie der Schwammstadt, wo Ämter zusammenrücken und die Themen Grünentwicklung und Wasser zusammendenken. Burkhardt schloss sich hier mit der Frage an, wie man alle ins Boot bringt, einschließlich Verbände, Universitäten und anderen Akteur*innen. In der Verwaltung sei eine Zusammenarbeit nicht selbstverständlich, daher seien andere Ansätze notwendig, um fachliche Grenzen aufzuweichen.
Auch Susanne Lottermoser unterstrich, dass es einer „Klimaanpassungsplanung aus einem Guss“ benötige. Städte müssten eine Vision entwickeln, welche von der Verwaltungsspitze getragen wird, damit Ämter dahingehend zusammenarbeiten. Dies sei insbesondere im Bestand eine Herausforderung, wo ein integrierter Ansatz notwendig wäre. Der gesetzliche Rahmen existiere bereits, so Lottermoser, aber die Umsetzung vor Ort müsse gegeben sein, da Klimaanpassung keine Pflichtaufgabe für Kommunen ist. Hierzu ergänzte Andreas Giga, dass zwar gute Angebote [VA1] auf Bundes- und Landesebene existieren würden, ohne Verpflichtung jedoch Zurückhaltung herrsche. Neben einer gezielten Finanzierung würde es auch einen niedrigschwelligen Zugang sowie Bürokratieabbau benötigen, laut Giga.
Zum Thema Finanzierung antwortete Claudia Hornbach, dass direkte und indirekte Kosten verstärkt betrachtet werden sollten, nicht nur Hochwasserkosten, sondern auch die Vermeidung von Krankheitskosten durch Hitzevorsorge. Irene Burkhardt ergänzte, dass das Aufzeigen von Gefährdungspotentialen und das Gegenüberstellen der finanziellen Leistung von Stadtnatur essentiell sei aber verbessert werden müsse, um politisch wirksam zu sein. Zudem müsste bei den hohen Sanierungsbedarfen einer Kommune angesetzt werden, um stärker in den Bestand zu kommen und geringere Finanzbedarfe zu erzeugen.
Matthias Herbert fügte hinzu, dass die Finanzierung aktuell gut sei, es jedoch noch am Handeln fehle. Das BfN habe bereits vor 10 Jahren praxisorientierte Publikationen herausgebracht, aktuell auch zu Gebäudebegrünung mit Fördermöglichkeiten.
Dass ein aktives Engagement vieler Akteur*innen notwendig ist, wurde von Andreas Giga am Beispiel des KlimaWerks gezeigt, welches seit 2014 existiert. Es sei ein „mühseliger Weg“ zur wassersensiblen Stadt, aber sie hätten mit der Ruhrkonferenz eine umfassende Förderung erreicht und würden aus Abwassergebühren Beiträge erwirtschaften. Viele dezentrale Lösungen seien wichtig, so Giga.
Aus dem Publikum wurden im Anschluss Anregungen und Fragen an das Podium herangetragen. Themen umfassten die Förderung konsumtiver Kosten, eine stärkere Darstellung vermeidender Kosten, Herausforderungen des Umgangs mit dem Denkmalschutz, die Einbindung von Stadtteilen, und vertieft eine Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens, bspw. des BauGB mit Hinblick auf Grünkennzahl, Anteil der Geschossfläche, Regenwassereinleitung. Zum letzten Punkt antwortete eine Vertreterin des BMWSB aus dem Publikum, dass das Ministerium aktuell das BauGB überarbeite und auch anderweitig im Bereich Klimaanpassung aktiv sei, zum Beispiel mit dem Bundespreis Stadtgrün.
Susanne Lottermoser schloss die Podiumsdiskussion mit der Einschätzung, dass es in der Umsetzung sowohl Zivilgesellschaft wie auch private Akteur*innen brauche, die Interesse am Thema haben und dass Barrieren für diese Akteur*innen reduziert werden müssten. Für sie sei ein Kulturwandel hin zu einer Transformation notwendig, damit Bürger*innen insbesondere naturbasierte Vorsorgemaßnahmen annehmen und auch Verantwortung übernehmen.
Vortrag: Wieviel Natur braucht die Stadt? Klimaanpassung in Kommunen zukunftsfähig gestalten
Dr.-Ing. Martina Winker, Mitglied der Institutsleitung, ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung
Ihren Vortrag eröffnete Martina Winker mit dem Statement, dass man zur Frage „Wieviel Natur braucht es“ keine absolute Zahlen geben könne. Wichtiger seien die Fragen „Warum, wie und was will man erreichen und gestalten?“ und „Wer soll von der Entwicklung profitieren?“. Zum Thema Schwammstadt erklärte Winker, dass mittlerweile viele Begriffe damit zusammenhängen würden, zurückzuführen auf den „Sponge City“-Begriff aus China. Zentral und wichtig sei es dabei, Gesellschaft, Ökonomie und Umwelt als System zu verstehen. Winker machte darauf aufmerksam, dass eine Pfadabhängigkeit vermieden werden müsse, um flexibel kombinierbare Systeme zwischen Technik und Gesellschaft zu schaffen. Es sei notwendig zu schauen, wo Menschen zu schützen sind, die nicht ausreichend für sich selbst vorsorgen können. Winker zeigte unterschiedliche Funktionen blau-grüner Infrastruktur für die Stadt auf und betonte die Bedeutung von Multifunktionalität vor dem Hintergrund knapper Flächen. Sie ging unter anderem auch auf den Faktor Unwissen ein, zum Beispiel in Bezug auf die Verwendung von Klimaszenarien in der Planung, Grenzen der kommunalen Anpassung, Rechtssicherheit, offene Budgetfragen (beispielsweise Betriebskosten).
Laut Winker brauche es eine Veränderung im Bestand, unter Einbezug von Verkehrsflächen und des Themas Mobilität. Weiterhin seien Themen wie steigende Stickstoffwerte in Gewässern, Mischwasserentlastung, Grundwasseranreicherung durch Versickerung (Stichwort Altlasten) und die Anpassung des Stadtgrüns zur Weiterentwicklung und Umsetzung von Schwammstädten von Bedeutung. „Eigentlich bräuchten wir Faktor 5 in der Umsetzung“, so Winker. Daher sieht sie das Planen unter Unsicherheit und Unwissen und eine gute Fehlerkultur in diesem Kontext als zentrale Voraussetzung.
Für eine schnellere Umsetzung durch kommunale Akteur*innen nannte Winker, dass diese jenseits fachlicher Silos arbeiten müssten, es eine neue Aufgabenverteilung und stärkeren Rückenwind von nationaler und gesetzlicher Ebene bräuchte. Planungsprozesse müssten zudem verändert und Möglichkeitsräume in der Diskussion geöffnet werden. Weiterhin sei es essentiell, die Stadtgesellschaft einzubinden, da im Bestand viele Private und Immobilienbesitzer*innen aktiviert werden müssten, so Winker.
Als bestehende Forschungsfragen und Aufgaben betont Winker, dass neue Modelle der Kommunalverwaltung erarbeitet, Transformationspfade aufgezeigt und umfangreiche Best Practices mit transparenten Kosten zusammengetragen werden müssen. Des Weiteren bestehe Bedarf bei der Entwicklung von Bewertungskonzepten, einer Anpassung der Gebührenordnung, Indikatoren für Gesundheitsbelastung, sowie einer ganzheitlichen Vulnerabilitätsbewertung.
Parallele Themen-Sessions
Session 1: Räumliche Strategien und Planungsinstrumente für blau-grüne urbane Infrastrukturen zur Starkregenvorsorge
In dieser Session wurden innovative räumliche Strategien und planerische Ansätze für die Sicherung und Gestaltung blau-grüner urbaner Infrastrukturen zur Anpassung an den Klimawandel vorgestellt. Als Moderatorinnen leiteten Alice Schröder (UBA) und Dr. Susanne Schubert (UBA) durch die Sessions. In Impulsvorträgen stellten Dr. Simone Linke (TU München) und Dr. Carlo Becker (Bgmr Landschaftsarchitekten) zwei Projekte zur blau-grünen Infrastruktur vor. Dr. Linke präsentierte das BMBF-Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“, welches mithilfe von sechs Reallaboren in München Lösungen für eine blau-grüne Stadtentwicklung erforscht. Dr. Becker referierte zum Thema „Oberfläche der Stadt neu denken“ und stellte dabei unter anderem das BMBF-Projekt „Blue-Green Streets vor“. Diskutiert wurde diesbezüglich unter anderem die Einbeziehung von Bürger*innen in Reallaboren, die Umsetzung im größeren Rahmen sowie Probleme und Hindernisse bei der Umsetzung. Die Teilnehmenden der Session identifizierten in einem angeregten Austausch anschließend einzelne Forschungsthemen, -fragen und Wissenslücken in dem vorgestellten Themenfeld. Zentral war dabei die Frage einer schnellen, effizienten Umsetzung von identifizierten städtebaulichen Maßnahmen, praktische Probleme und deren Lösungen, Wissenslücken bezüglich der technischen Umsetzung verschiedener Maßnahmen, Rechtsfragen und mögliche Synergien zwischen Klimaanpassung und Klimaschutz. Als Ergebnis wurde u.a. genannt, dass pragmatische Lösungen, gute Beispiele und deren Aufbereitung wichtig seien. Factsheets auf wenigen Seiten seien am besten, um das Wissen an die Akteur*innen zu bringen.
Gewünscht wurde außerdem mehr Forschung zu den Themen Mobilitätswende und klimaangepasster Stadt im Zusammenspiel, zu Zertifizierungen als Treiber von weiteren Umweltthemen (wie beispielsweise Biodiversität) und außerdem zu einer gebündelten Kommunikation guter Beispiele. Weiterhin bedarf es einer Aufarbeitung von rechtlichen Fragen und bestehenden Handlungsspielräumen, die schon jetzt genutzt werden können, sowie der Testung neuer Technologien, um verstärkt Evidenz zu erzeugen (Bsp. Baumrigolen). Auch Synergien von Klimaanpassung und sozialen Fragen seien wichtig.
Session 2: Sozio-technische Transformation hin zur hitzeangepassten Schwammstadt
Die von Valentin Meilinger (UBA) und Sebastian Ebert (UBA) moderierte Session thematisierte Wege der sozio-technischen Transformation hin zur hitzeangepassten Schwammstadt sowie technische und insbesondere naturbasierte Lösungen zur städtischen Hitzevorsorge an Gebäuden, Freiräumen und Infrastrukturen. Sie umfasste zwei Impulsvorträge von Dr. Karsten Grunewald (IÖR) und Dr. Daniel de Graaf (UBA). Dr. Grunewald teilte die Erfahrungen aus dem „HeatResilientCity“-Projekt und Dr. de Graaf stellte grüne Elemente als Vermeidungsstrategie gegen Hitzeinseln in Quartieren vor. In der Diskussion nach den Impulsvorträgen wurde auch über die „Disservices“ (zum Beispiel vermehrtes Auftreten der Tigermücke) bei blauen Infrastrukturen gesprochen. Es bestand einvernehmen, dass die Vorteile blauer Infrastrukturen überwiegen. Anschließend diskutierten die Teilnehmenden, welche zentralen Stellschrauben zur Umsetzung einer hitzeangepassten Schwammstadt existieren und trugen sowohl Rahmenbedingungen und Maßnahmen, als auch Verantwortlichkeiten und Kapazitäten zusammen. Als wichtige Rahmenbedingungen wurden langfristige Ressourcen für Kommunen für die Umsetzung genannt, mehr Personal für die [VA2] Umsetzung von Schottergarten-Verboten, die Möglichkeit, Begrünung von Flächen als naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen[VA3] anzuerkennen, sowie eine stärkere Verankerung von Klimaanpassung in der Baugesetzgebung. Interdisziplinäre Teams in der kommunalen Verwaltung wurden als Faktor für eine bessere Umsetzung genannt, ebenso wie eine stärkere Aktivierung von Gebäudeeigentümer*innen. Zentrale Maßnahmen sind die Einbeziehung naturbasierter Maßnahmen in die Berechnung von Energieeffizienz und Hitzebelastung sowie ein umfassendes Monitoring von bestehender Begrünung. Auch diverse Forschungsbedarfe zur hitzeangepassten Schwammstadt wurden gesammelt. Gewünscht ist mehr Forschung zur breiten Anwendung von Hitzevorsorge-Maßnahmen, Weiterbildung von Bürger*innen, Betroffenheit von sozialen Gruppen, besserer Wissenstransfer zu Klimaanpassung in der Bildung, nähere Betrachtung von Stadtkern und Stadtumland sowie technische Fragen zu Maßnahmen und Kosten-Nutzen-Analysen.
Session 3: Bewertung der Wirksamkeit blau-grüner Infrastrukturen der Schwammstadt für die Klimaanpassung // Möglichkeiten und Grenzen der blau-grünen Infrastrukturen
Die Session fokussierte auf unterschiedliche Perspektiven im Zuge der Bewertung und Umsetzung blau-grüner Infrastrukturen. Moderiert wurde sie von Dr. Claus-Gerhard Bannick (UBA) und Nathan Obermaier (UBA). Sie wurde mit drei Vorträgen von Dr. Hans-Guido Mücke (UBA), Christiane Büttner (Jena-Geos-Ingenieurbüro GmbH) und Corinna Merzyn (Verband privater Bauherren e.V.) eingeleitet. Dr. Mücke hat Herausforderungen, Chancen und Risiken von naturbasierten sowie blau-grünen Stadtumbauansätzen aus Sicht des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes vorgestellt. Frau Büttner stellte das Zusammenspiel aus Naturschutz und Energiewende vor. Frau Merzyn sprach über mögliche Anreize für Gebäudeeigentümer*innen sowie Denkansätze, wie man Bauherr*innen zur Umsetzung von klimaanpassungsrelevanten Vorgaben bewegen kann. In einem World Café konnten sich die Teilnehmenden daraufhin in vier Gruppen zu unterschiedlichen Thematiken bezüglich blau-grüner Infrastruktur austauschen. Sie identifizierten Hürden, aber auch positive Nebeneffekte der Implementierung, Forschungsbedarfe sowie Zielkonflikte in der Implementierung. Als Hemmnisse wurden rechtliche Aspekte, Fachkräftemangel, Wissenstransfer in diversen Settings, Kosten und fehlende Anreize genannt. Positive Nebeneffekte beziehen sich auf CO2-Speicherung, Biodiversität, verbesserte Boden- und Wasserqualität, gesteigerte Aufenthaltsqualität und soziale Orte. Darüber hinaus thematisierte der Austausch, mit welchen fachtechnischen Lösungen welche konkreten Effekte erzielt und auch messbar gemacht werden können und welche organisatorischen, sozioökonomischen und institutionellen Anforderungen bestehen, die zu einer verstärkten Umsetzung blau-grüner Infrastrukturen führen. In diesem Kontext identifizierten die Teilnehmenden Wissenslücken und Forschungsfragen. Forschungsbedarf besteht bezüglich technischer Aspekte der Maßnahmen, Bewertungsindikatoren, Wirkungsketten, Effekten von Maßnahmen, breiterer Anwendung sowie soziologischer und ökonomischer Aspekte.
Session 4: Wirksame Politikinstrumente zur Umsetzung der Schwammstadt
In dieser von Andreas Vetter (UBA) und Dr. Elke Bojarra-Becker (Difu) moderierten Session gab es zwei Impulsvorträge, einerseits von Linda Hölscher (adelphi) zur Ex ante-Wirksamkeitsbewertung von Anpassungsmaßnahmen, andererseits von Jan Hendrik Trapp (Difu) zu kommunalen Politikinstrumenten für eine wassersensible Stadtentwicklung. Als problematisch wurde die Messbarkeit von Outcomes und Impacts diskutiert. Die Teilnehmenden diskutierten zum einen die Leitfrage, welche Politikinstrumente besonders geeignet sind, um die Schwammstadt-Konzepte verstärkt zu realisieren und zum anderen, welche methodischen Ansätze geeignet sind, um die Wirksamkeit dieser/verschiedener Politikinstrumente zu bestimmen. Als geeignete Politikinstrumente gelten aktualisierte Normen und Regelwerke, die dem heutigen Stand der Technik entsprechen. In gesetzliche Regelungen könnten Innovationsklauseln aufgenommen werden. Außerdem soll eine bessere Fehlerkultur gefördert werden und mehr Handlungsspielraum für kommunale Akteur*innen geschaffen werden. Als fördernde Faktoren genannt wurden außerdem mehr partizipative Bürgerbeteiligung, schnellere und effektivere Verfahren, interdisziplinäre Strukturen, gesetzliche Innovation, rechtlich bindende Zielvorgaben und komplexitätsreduzierende Mechanismen. Unter den möglichen methodischen Ansätzen wurden beispielsweise Kosten-Nutzen-Analysen, standardisierte Methoden, Benefit- und Akteursanalysen, Auswirkungsanalysen, Instrumentenmixe sowie Indikatoren und Parameter diskutiert. Weiterhin wurden Forschungsfragen und -bedarfe herausgearbeitet. Dazu gehört die Untersuchung von konkreten Vorteilen von Maßnahmenumsetzung und der Kosten des Nichthandelns, weniger Pilotprojekte und mehr Umsetzung in der Breite, die Flächennutzung in der Stadt der Zukunft, Akteurskonstellationen und standardisierte Decision-Support-Systeme, insbesondere für kleinere Kommunen.
Session 5: Schwammstadt und Digitalisierung
Moderiert von Christian Kind (Zentrum KlimaAnpassung), befasste sich diese Session mit innovativen Lösungen für Klimawandelanpassung an der Schnittstelle von Digitalisierung und Schwammstadt. Nach einer Einführung in das Thema Digitalisierung und einer Bezugnahme zur Schwammstadt, hielt Sonja Schlipf (Hamburg Wasser) einen Impulsvortrag über digitale Elemente bezüglich Starkregen und Gründächern. Im Anschluss referierte Juliane Wright (IÖR) über das BMVI-Projekt „KLIPS“, welches digitale Lösungen in Bezug auf Hitzeinseln entwickelt. Im Anschluss wurde über Maßnahmenmonitoring, Klimaanpassung im Rahmen von Denkmalschutz, rechtliche Rahmenbedingungen und technische Aspekte der Maßnahmenumsetzung diskutiert. Die Teilnehmenden sammelten schließlich Beiträge der Digitalisierung zur Schwammstadt, sowie Hindernisse und potentielle Lösungen. Beiträge umfassen beispielsweise Daten und Karten, Information und Teilhabe, Sensorik für Gründächer und Bewässerungsbedarfe, sowie Informationsdienste zum Wetter, aus denen man wiederum Bewässerungsbedarfe ableiten kann. Als Hindernisse genannt wurden rechtliche Rahmenbedingungen[VA4] zur Nutzung von Regenwasser, technische Aspekte bei der KI-Nutzung, Datenschutzprobleme, Stromverbrauch und Störanfälligkeit der Systeme, eine fehlende Digitalisierungs-Community, Denkmalschutz im Konflikt mit der Umsetzung[VA5] von (KI-basierten) Gründächern/Begrünung, Unwissen über Potentiale und Anforderungen sowie Datenverfügbarkeit.
Kurzvorstellung der Session-Ergebnisse
Unter der Moderation von Katie Gallus stellten die Moderator*innen der Sessions einige Highlights aus den Vorträgen und Diskussionen vor. Dabei trugen sie insbesondere Forschungs- und Umsetzungsbedarfe als zentrale Botschaften zusammen.
Zu Session 1 „Räumliche Strategien und Planungsinstrumente für blau-grüne urbane Infrastrukturen zur Starkregenvorsorge“ fasste Alice Schröder (UBA) zunächst die Inputs von Dr. Simone Linke der TU München und von Dr. Carlo Becker von bgmr Landschaftsarchitekten zusammen. Schröder gab einen Überblick zur Diskussion mit den Teilnehmenden und betonte dabei den Wunsch der Kommunen hinsichtlich einer kompakteren Aufbereitung wissenschaftlicher Ergebnisse. Als identifizierte Forschungsfragen wurden bspw. die Themen Mobilitätswende und klimaangepasste Stadt genannt.
Session 2 „Sozio-technische Transformation hin zur hitzeangepassten Schwammstadt“ stellte Valentin Meilinger (UBA) vor, welcher die Inputs von Dr. Karsten Grunewald (IÖR) und von Dr. Daniel de Graaf (UBA) zusammenfasste. Als Resümee der Session nannte Meilinger, dass es zu Hitzeanpassung als bauliche Maßnahme noch viel zu tun gäbe und dass es neue Governance-Ansätze zwischen öffentlichen und privaten Akteur*innen bräuchte. Zuletzt nannte er Forschungsfragen, etwa zur Einbindung von naturbasierten [VA6] Lösungen (NbS) in Kosten-Nutzen-Analysen.
Für Session 3 „Bewertung der Wirksamkeit blau-grüner Infrastrukturen der Schwammstadt für die Klimaanpassung“ gab Nathan Obermaier (UBA) einen Einblick in die Vorträge von Dr. Hans-Guido Mücke, (UBA), Christiane Büttner (Jena-Geos-Ingenieurbüro GmbH) und Dipl.-Ing. Corinna Merzyn (Verband Privater Bauherren e.V.). Neben Möglichkeiten und Grenzen blau-grüner Infrastruktur wurden Verantwortlichkeiten in den Kommunen und mögliche Anreize für Bauherr*innen besprochen. Obermaier resümierte, dass ihm die Session insbesondere die Vielfalt des Themas vor Augen geführt hätte.
Session 4 „Wirksame Politikinstrumente zur Umsetzung der Schwammstadt“ wurde von Andreas Vetter (UBA) vorgestellt, der die Inhalte der Vorträge von Linda Hölscher (adelphi) und Jan Hendrik Trapp (Difu) wiedergab. Zur Diskussion sagte er, dass die grundlegende Frage gewesen sei, ob aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen ausreichend seien (und es lediglich an deren Umsetzung fehle) oder ob eine Aktualisierung dieser notwendig sei. Experimentierklauseln wurden als Möglichkeit genannt, um mehr Innovation in Programme und Strategien einzubringen.
Für Session 5 „Schwammstadt und Digitalisierung“ nannte Christian Kind (Zentrum KlimaAnpassung) kurz die Vorträge von Juliane Wright (Projekt KLIPS) und Sonja Schlipf (Projekt Smartes Gründach) und betonte, dass Digitalisierung einige Beiträge leisten könne, um die Schwammstadt in die Umsetzung zu bringen. Neue digitale Formate umfassen beispielsweise Informationen mittels Remote Sensing Methoden und Online-Portalen, um komplexe Zusammenhänge bürgernah zu kommunizieren, aber auch zum Monitoring von Stadtgrün unter Nutzung von Satelliteninformationen.
Abschlussworte und Ausblick
Martin Schmied begann seine Abschlussworte damit, dass er sich vier Themen als Aufgaben aus der Veranstaltung mitnehmen würde: 1) „wir stehen total unter Druck bei dem Thema“ und daher gebe es Bedarf, schnell in die Umsetzung zu kommen; 2) es brauche neue Gesetze und Normen; hier werde das UBA prüfen werde, wo es seinen Beitrag leisten könne; 3) NbS [VA7] [BR8] würde häufig in Konflikt stehen mit anderen Themen wie zum Beispiel Mobilität oder Wohnungsbau-Druck; 4) die Kommunikation nach außen müsse sich verbessern, unter anderem zu Kosten-Nutzen-Bewertungen.
Dem fügte Schmied hinzu, dass das UBA in Politikberatung, Forschung und Kommunikation aktiv sei, auch zum Thema Schwammstadt. Klimaanpassung und Resilienz in urbanen Räumen sei ein wichtiges Thema beim UBA und es werden weitere Forschungsvorhaben dazu ausgeschrieben. Er bemerkte auch, dass im Fachbereich bereits viele Themen und Vorhaben parallel laufen und besser koordiniert werden müssten, unter anderem zu naturbasiertem Klimaschutz, Umgang mit Flächen, dreifacher Innenentwicklung (Bauen, Stadtgrün plus Mobilität) und Anpassung des Wassersektors im urbanen Raum. Aktuell würde auch ein Vorhaben zur sozialen Dimension der Klimaanpassung starten, so Schmied.
Schmied schloss seinen Beitrag und die Konferenz mit der Anregung: „Eigentlich müssen wir auch radikaler werden in unserer Forschung“ und verwies hierbei wiederum auf eine notwendige Fehlerkultur in der Umsetzung.
Teilen:
Top
Die Auswertung der Stimmen beansprucht einige Zeit.