herman de vries. how green is the grass?

how green is the grass? herman de vries

how green is the grass? herman de vries

Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Georg Kolbe Museum | 27. Januar – 23. August 2020
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Poetisch und radikal ist die lebenslange künstlerische Auseinandersetzung von herman de vries (geb. 1931) mit der Natur. Die retrospektiv angelegte Ausstellung im Georg Kolbe Museum in Kooperation mit dem Umweltbundesamt vereint zentrale Werke aus den vergangenen 50 Schaffensjahren des deutsch-niederländischen Künstlers. Seit seiner Präsentation auf der Biennale in Venedig (2015) zählt er zu den einflussreichsten Protagonisten der Environmental Art. Über die informelle Malerei im internationalen Umfeld der Gruppe ZERO entstand seine Beschäftigung mit der Natur. Die genaue Beobachtung ihrer zyklischen Prozesse und allumfassenden Gesetzmäßigkeiten bilden die Grundlage seiner Arbeit. Seit den 1970er-Jahren lebt herman de vries zurückgezogen im fränkischen Steigerwald, geht dort und weltweit auf ausgedehnte Streifzüge. Gesammeltes archiviert und katalogisiert er in eindrucksvoller Vielfalt und bringt seine naturwissenschaftlich genauen Studien zurück in die Kunst. Wie kein zweiter Künstler wendet er sich früh der in Schieflage geratenen Beziehung von Mensch und Natur zu und hat fernab von schnelllebigen Kunstströmungen ein stringentes Werk geschaffen, das in der heutigen Zeit – nicht nur durch die „Fridays for Future- Bewegung“ und die spürbaren Auswirkungen der Klimakrise – brandaktuell ist.

Die Natur als Erfahrung und zugleich als primäre Wirklichkeit ist eine Grundkonstante im Werk von herman de vries. Sammlungen von farbigen Erden, kleinen Rasenstücken oder knorrigen Hölzern gehören ebenso zu seinem Werk wie minimalistische Gemälde, sparsame Grafiken, Materialcollagen, Textsammlungen und Installationen für den öffentlichen Raum. Die intensiven Beobachtungen, die seinen Kunstwerken vorausgehen, schärfen die Sinne für die Wahrnehmung der Natur. Erst durch die Natur wird der Mensch gewahr, dass er Teil eines Ganzen ist, so das universelle Credo des Künstlers. Der französische Philosoph Bruno Latour formulierte in seinem Essay „Das terrestrische Manifest“ treffend, die Menschheit betrachte die Erde wie „vom Sirius aus“ – als wären wir extraterrestrische Wesen. In der radikalen Kausalität der Zusammenhänge müssten die Menschen sich neu erden, also „welthaft“ werden, so Latour.

Für de vries schafft die Kunst kein Abbild der Natur, vielmehr ist sie ein Vehikel für Bewusstwerdungsprozesse, die durch die sinnlich erfahrbare Natur ausgelöst werden. Diese ästhetische Naturerfahrung beschreibt de vries als „ein staunen und verehren an den rändern der wald- und feldwege“. Für ihn ist im Wald nicht alles grün, vielmehr entdeckt er bei seinem täglichen Gang durch den Wald eine unendliche Vielfalt an Farbtönen. Auch der Boden unter unseren Füßen, der durch Versiegelung und ⁠Erosion⁠ täglich schwindet, ist nicht von einem undefinierbaren Braun, sondern weist eine breite Farbpalette auf, wie die für die Berliner Ausstellung ausgewählte Serie „from earth: europe“, bestehend aus 66 unterschiedlich farbigen Feldern auf weißem Papier, zeigt.

Mit den Mitteln der Kunst erinnert uns herman de vries daran, die Erde nicht kalt und wie von Ferne zu betrachten, sondern aus der Nähe, teilnehmend. Sein Werk legt gleichsam Zeugnis davon ab, dass wir ein neues Verständnis von Natur, Wissenschaft und Ökologie benötigen, wenn wir den Planeten als Lebensgrundlage der Menschheit erhalten wollen. 

Die Ausstellung „herman de vries. how green is the grass?“ ist ein Kooperationsprojekt des Georg Kolbe Museums und des Umweltbundesamtes und wird von Dr. Julia Wallner (Georg Kolbe Museum) und Fotini Mavromati (Umweltbundesamt) kuratiert. Zur Ausstellung ist ein Begleitprogramm geplant. Es erscheint ein Katalog mit Essays von Cees de Boer, Stephan Geiger, Sintje Guericke, Fotini Mavromati, Ulrich Mergner, Birgit Schneider und Julia Wallner.

herman de vries, 1931 im niederländischen Alkmaar geboren und seit 1970 in Eschenau im Steigerwald lebend, von Hause aus ausgebildeter Gärtner, war er in den 1960er-Jahren Mitarbeiter des „Instituts für angewandte biologische Forschung in der Natur“ in Arnheim. Im Jahr 1959 gründete er gemeinsam mit anderen Künstler*innen die Gruppe niederländischer Informeller, die sich 1960 zur Gruppe „nul“ formierte und ZERO nahestand. Ab 1969 unternahm er zahlreiche Reisen nach Afrika und Asien. Mit der Ansiedlung im fränkischen Eschenau rückt die Natur in den Fokus seiner Arbeit. Auf seinen Wanderungen durch den nördlichen Steigerwald, den herman de vries als „sein Atelier“ bezeichnet, sammelt er Naturartefakte, die er später in ein Werk verdichtet. Auch auf seinen Reisen führt er diese Sammeltätigkeit und die Spurensuche fort. Daraus entsteht im Laufe der Zeit ein Archiv von über 9.000 Erdproben – jede einzelne mit Angaben zu Fundort und -datum versehen –, die er selbst gesammelt hat oder die Sammler*innen ihm schickten. Aus diesem Fundus entnimmt de vries das Material für seine „Erdausreibungen“, fein zerstoßene Erde auf Papier ausgerieben, die in ihrer vielschichtigen Farbigkeit auf die Funktion des Bodens als Archiv der Natur- und der Kulturgeschichte, aber auch auf die Vielfalt der Natur hinweisen. Spätestens seit der ZERO-Ausstellung im New Yorker Guggenheim Museum (2014) und mit der Präsentation im holländischen Pavillon auf der Biennale in Venedig erlangte herman de vries nach Jahrzehnten konsequenten Schaffens ein breites mediales Interesse.

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 Kunst und Umwelt