Pestizideinsatz in Naturschutzgebieten kaum rechtlich reguliert

Ein Naturschutzgebiet wird mit einem entsprechenden Schild ausgewiesen.zum Vergrößern anklicken
Ein Naturschutzgebiet.
Quelle: Adobe Stock / ThomBal

Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Schutzgebieten garantieren keinen ausreichenden Schutz vor dem Einsatz von Pestiziden. Das zeigt ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA). Das Gutachten untersucht exemplarisch die Schutzgebietsverordnungen der Bundesländer Sachsen und Niedersachsen.

Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Schutzgebieten garantieren keinen ausreichenden Schutz vor dem Einsatz von Pestiziden. Das zeigt ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes (⁠UBA⁠). Das Gutachten untersucht exemplarisch anhand einer Analyse der Schutzgebietsverordnungen der Bundesländer Sachsen und Niedersachsen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen den Einsatz von Pestiziden - also Pflanzenschutzmitteln und Bioziden - in Schutzgebieten regulieren. In dem Gutachten wurden 1800 Verordnungs- und Gesetzestexte für eine Vielzahl von Schutzgebietskategorien ausgewertet: Neben Naturschutzgebieten, Biosphärenreservaten und Nationalparken wurden FFH-Gebiete und Europäische Vogelschutzgebiete unter die Lupe genommen. Das Gutachten zeigt Handlungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Regelungen in den Bundesländern auf. Insekten, Ökosysteme und Gewässer sind aktuell nicht hinreichend durch rechtliche Vorgaben vor dem Einsatz von potentiell schädlichen Pestiziden geschützt. Ob ⁠Pestizide⁠ in den Schutzgebieten tatsächlich eingesetzt werden und welche Rolle lokale Vereinbarungen – etwa ⁠Vertragsnaturschutz⁠ und Agrarumweltmaßnahmen – spielen, war nicht Gegenstand der Untersuchung.
Schutzgebiete sind Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen und sichern den Erhalt von Arten. Eingriffe und Belastungen durch menschliche Aktivitäten sind hier zu vermeiden oder zu minimieren. Die Anwendung von Pestiziden in Schutzgebieten kann mit negativen Belastungen verbunden sein: Arten können direkt durch die Stoffe geschädigt oder indirekt durch Entzug der Nahrungsgrundlage bedroht werden.

Um einen verbindlichen und einheitlichen Schutzstatus zu erreichen, empfehlen die Autoren*innen der Studie, den Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten bundesweit zu regeln und die rechtlichen Bestimmungen nach den verschiedenen Schutzgebietskategorien und deren spezifischen Schutzanforderungen auszurichten. Dazu gehört ein grundsätzliches Verbot des Einsatzes von Pestiziden in Naturschutzgebieten mit Ausnahmemöglichkeiten. In den Kernzonen von Nationalparks sollte ein Komplettverbot gelten. In Natura 2000-Gebieten sollten Pestizide auch nur im Ausnahmefall eingesetzt werden.

Die Ergebnisse

Naturschutz wird nicht nur bundesrechtlich, sondern weitgehend auch auf Ebene der Bundesländer geregelt. Die Länder können in ihren Naturschutzgesetzen Vorgaben festlegen, um menschliche Eingriffe in die Natur zu regulieren.

In Deutschland gibt es 14.000 Schutzgebiete für Pflanzen und Tiere. In den einzelnen Schutzgebietsverordnungen können neben den gesetzlichen Regelungen weitere Schutzmaßnahmen konkretisiert werden. Das Gutachten kommt für die exemplarisch analysierten Bundesländer Sachsen und Niedersachsen zu der Schlussfolgerung, dass der Einsatz von Pestiziden in der Mehrzahl der in diesen Ländern gelegenen Schutzgebiete nicht verboten ist. Folglich finden die zu schützenden Arten hier keinen besseren rechtlichen Schutz vor Pestiziden als außerhalb dieser Gebiete.

Für Natura 2000-Gebiete, also für ⁠Fauna⁠-⁠Flora⁠-⁠Habitat⁠- (kurz FFH-) und Vogelschutzgebiete, kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass die derzeitigen rechtlichen Regelungen nicht ausreichen, um Habitate und Arten wirksam vor Störungen zu schützen und einen günstigen Erhaltungszustand zu gewährleisten. Das EU-weite Natura 2000-Schutzgebietsnetz wurde von der EU eigens zum Schutz heimischer Tier- und Pflanzenarten eingerichtet und bildet einen wichtigen Rückzugsraum für gefährdete Spezies.

Hintergrund

Die EU-Richtlinie für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (RL 2009/128/EG) fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, den Pflanzenschutzmitteleinsatz in empfindlichen Gebieten wie z.B. Natura 2000-Gebieten zu minimieren oder zu verbieten.

Die Bundesregierung hat im September 2019 das Aktionsprogramm Insektenschutz (API) beschlossen, nach dem verschiedene Maßnahmen zur Regulierung des Pestizideinsatzes initiiert werden sollen, um den Schutz von Insekten voranzubringen. Unter anderem sieht es ein Verbot von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Natura 2000-Gebieten vor. Um die bestehenden Regulierungen in solchen Schutzgebieten zu erfassen, das API zielgerecht auszugestalten und Empfehlungen für die Bundesebene abzuleiten, hatte das Bundesumweltministerium (⁠BMU⁠) das Gutachten beauftragt. Ob Pestizide in den Schutzgebieten der betrachteten Bundesländer eingesetzt werden, wurde im Gutachten nicht untersucht. Anreize zur Vermeidung des Pestizideinsatzes im Rahmen des Vertragsnaturschutzes oder von Agrarumweltmaßnahmen wurden ebenfalls nicht betrachtet.

Ende Juni 2021 wurde auf Bundesebene eine Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) auf den Weg gebracht, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (⁠BMEL⁠) fällt. Dadurch soll nun die Anwendung von bestimmten Pflanzenschutzmitteln in einer Reihe von Schutzgebieten grundsätzlich untersagt werden.

Allerdings bleibt die Novelle der PflSchAnwV deutlichhinter den geforderten Maßnahmen des API zurück. So gilt das Verbot von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden etwa nicht auf Ackerflächen in FFH-Gebieten, wenn diese nicht zugleich als Naturschutzgebiet, Nationalpark, Nationales Naturmonument oder Naturdenkmal ausgewiesen sind. Stattdessen sollen die Landwirte in diesen Gebieten von einem freiwilligen Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln überzeugt werden. Gelder für Ausgleichszahlungen wurden aufgestockt, doch bleibt abzuwarten, ob freiwillige Maßnahmen eine deutliche Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bewirken können.

Am 24. Juni 2021 wurde zudem das unter Federführung des BMU entstandene „Insektenschutzgesetz“ vom Bundestag beschlossen, welches unter anderem in einem neuen § 30a BNatSchG Regelungen zur Beschränkung der Ausbringung bestimmter Biozidprodukte mit insektizider Wirkung in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten, Naturdenkmälern sowie gesetzlich geschützten Biotopen verankert.

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