Am 14. Mai 2025 fand im Rahmen des Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes zur Evaluation von praktischer Anwendung und Wirksamkeit der Haftung nach dem Umweltschadensgesetz ein Fachgespräch in Räumlichkeiten des BMUKN in Berlin statt. Dessen Ziel war es einerseits, die vorläufigen Ergebnisse des Forschungsvorhabens sowie der daraus entwickelten (vorläufigen) Thesen zu präsentieren sowie andererseits, diese auch unter Berücksichtigung aktueller Rechtsentwicklungen, vor allem mit Blick auf Bestrebungen zur Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren, mit interessierten Stakeholderinnen und Stakeholdern zu erörtern.
Nach einer einleitenden Einordnung des Umweltschadensrechts auf europäischer und nationaler Ebene durch Herrn MinDirig Matthias Sauer folgte die Präsentation der (vorläufigen) Ergebnisse des Forschungsvorhabens durch die Forschungsnehmenden. Dabei wurde zunächst der Hintergrund des Forschungsvorhabens vor dem Befund erläutert, dass scheinbar nur eine überschaubare Anzahl (direkter) Anwendungsfälle im Kontext der Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, die unter Anwendung des USchadG selbst bewältigt werden, vorhanden sind. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Lage in Deutschland als auch jener in anderen Mitgliedsstaaten der EU. Dies führt unweigerlich zu den u.a. im Rahmen des Forschungsvorhabens betrachteten Fragen,
1. worauf diese geringen (direkten) Anwendungszahlen zurückzuführen sind,
2. wie effektiv sich das Instrumentarium der Umwelthaftung darstellt und
3. ob daher Verbesserungsmaßnahmen erforderlich sind und falls ja, welche.
Zunächst erfolgte eine Darstellung der zugrunde gelegten Methodik eines mehrstufigen
Analyseprozesses bestehend aus (a) der Analyse des Rechtsrahmens und einer ersten Evaluation ausgewählter Fälle, (b) der Ermittlung und Auswertung von praktischen Erfahrungen zu der rechtlichen und praktischen Anwendbarkeit und der Wirksamkeit sowie zu potentiellen Problemlagen des Umweltschadensgesetzes (breite Behördenbefragung, Interviews etc.), (c) vertiefenden Fallanalysen und der Durchführung des Fachgesprächs sowie (d) einer Gesamtauswertung aller Befunde. Anschließend wurden jene Aspekte zunächst aus rechtlicher Perspektive eingehend dargestellt und erläutert, die sich im Zuge der Durchführung des bisherigen Vorhabens als rekurrierend und gehäuft als Problem bzw. Hindernis im Vollzug präsentiert haben. Es wurde herausgearbeitet, dass dabei vor allem
- aus der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung des USchadG resultierende Komplexitäten,
- Fragen im Zusammenhang mit dem Verhältnis des USchadG zu anderen (fachrechtlichen) Regelungen (§ 1 USchadG) und
- die Komplexität des Instruments auf Grund unterschiedlicher Fragestellungen, die sich aus den jeweiligen Voraussetzungen der Umwelthaftung ergeben, insbesondere die Bestimmung und Bewertung des haftungsauslösenden Kriteriums der Erheblichkeit nachteiliger Auswirkungen,
wesentliche Punkte darstellen. Auch auf damit im Zusammenhang stehende tatsächliche bzw. praktische Problemlagen, wie etwa
- fehlende oder unzureichende Datengrundlagen zur Ermittlung eines Ausgangszustandes oder eines Deltas dazu nach eingetretenem Schadensereignis,
- die Feststellung eines Kausalzusammenhangs,
- die Ermittlung eines Verantwortlichen oder – und vor allem –
- die Unkenntnis über das Instrumentarium bzw. dessen Voraussetzung und Mehrwert
wurde eingegangen. Neben der Darstellung der Faktoren, welche potentiell im Vollzug als hemmend wirken oder zumindest als solches empfunden werden, bzw. der Erläuterung der Gründe hierfür, wurden auch Ansätze dazu reflektiert, ob und wie die einschlägigen Problemlagen sinnvoll bewältigt werden könnten. Dabei wurden nicht nur normative Änderungsmöglichkeiten, sondern auch Lösungen auf einer praktischen Ebene erörtert. Nach vorläufiger Analyse mögen punktuelle normative Änderungen hinsichtlich der vorgenannten Aspekte zwar möglich – und auch potentiell in der Sache unschädlich – sein. Nach vorläufiger Einschätzung kann jedoch nicht definitiv festgestellt werden, dass diese dann auch tatsächlich zu einer weiteren bzw. vermehrten Anwendung des Instrumentariums führen würden, gerade weil unterschiedliche Faktoren dabei interagieren. Hierbei gilt es auch zu berücksichtigen, dass diverse Aspekte letztlich auch auf die Inhalte der Umwelthaftungsrichtlinie zurückzuführen sind, weswegen dabei auch stets etwaige unionsrechtliche Implikationen beachtet werden müssen. Die Erstellung praktischer Handreichungen, Leitlinien oder Vollzugshinweise ist jedoch eine ernsthaft in Betracht zu ziehende Option, um Kenntnisdefizite im Vollzug zu beseitigen und den Mehrwert des USchadG zu betonen.
Nach einer kursorischen Darstellung der verfügbaren Rechtsprechung wurden sodann die empirischen Befunde ausführlich erläutert. Auch hier wurde das stufenweise Vorgehen präsentiert und die Herleitung und Sammlung bzw. Aggregierung der Daten und deren Analyse dargestellt. Anhand entsprechender Übersichten zur Auswertung wurden die zuvor genannten Punkte unter Bezugnahme auf die erhobenen Daten untermauert. Diese wurden insbesondere im Rahmen einer initialen Kontaktaufnahme zu einzelnen Behörden, die im Rahmen des ersten Meldezyklus Fälle gemeldet hatten, einer anschließenden breiten Behördenbefragung, der Kontaktaufnahme zu zahlreichen Umweltverbänden, Wirtschaftsverbänden, Industrieverbänden und Landwirtschaftsverbänden sowie zu Landesministerien erhoben. Auch die Durchführung der Fachinterviews zur Sammlung und Analyse qualitativer Daten zur Anwendbarkeit (sowie potentiellen Problemlagen dabei) und der Wirksamkeit des USchadG wurde beleuchtet.
Hierbei wurde das durchaus vielfältige Bild der unterschiedlichen Perspektiven auf das Instrumentarium, das dabei auch die vorerwähnten Befunde bestätigt, herausgearbeitet. Während die behördlichen Sichtweisen oftmals das entsprechende sich aus der breiten Befragung ergebende Bild unterstützten, stellen sich die Perspektiven anderer Stakeholder*innen als differenzierter dar. In den Antworten spiegelte sich mitunter auch ein „Teufelskreis“, in dem sich manch Normanwende befinden, wider. Demnach führt die fehlende Bekanntheit des USchadG bzw. seiner Voraussetzungen zu Rechtsunsicherheiten bei dessen Anwendung, sodass auch hohe Einstiegshürden für die Anwendung gesehen werden. Aus diesem Grunde erfolgt aber oftmals ein Rückgriff auf das bekannte Fachrecht bzw. die Suche nach „pragmatischen Lösungen“. Das wiederum führt dazu, dass es zu keiner Anwendung und damit keinen Beispielsfällen kommt, die dementsprechend aber auch keiner gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Dies hat erneut zur Folge, dass nach wie vor fehlende Kenntnis über das Instrumentarium und seine Voraussetzungen herrscht.
Aufbauend auf diesen Befunden wurden dann die vorläufigen Thesen ausführlich dargestellt und erläutert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Annahme des Vorliegens von Fällen naheliegt, die nach den Regelungen des USchadG behandelt werden könnten, jedoch nicht danach behandelt werden. Dies stellt sich dann als Problem dar, wenn sich durch die Anwendung des USchadG ein höherer Standard bei der Sanierung einstellen würde. Wie hoch der Anteil solcher Fälle und die Qualitätsunterschiede sind, lässt sich derzeit noch nicht feststellen. Die Gründe für die Nichtanwendung sind mannigfaltig, wobei sich einige – wie bereits erwähnt – gehäuft präsentieren. Das normative Änderungen tatsächlich zu einer vermehrten Anwendung führen könnten, kann derzeit noch nicht festgestellt werden. Es besteht allerdings ein großes Bedürfnis nach zusätzlichen Informationen und Leitlinien zum Umgang mit dem Umweltschadensrecht. Insofern könnten entsprechende Angebote zur Verbesserung der Kenntnislage, der Bekanntheit bereits bestehender (aber weitgehend unbekannter) Leitfäden, Auslegungshilfen etc. und des Mehrwertes in Angriff genommen werden. Im Lichte aktueller Bestrebungen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung könnte dem Instrumentarium unter Berücksichtigung möglicher Rückgänge in der präventiven Betrachtung aufgrund des Abbaus von Prüferfordernissen im Zuge von Zulassungsverfahren künftig potentiell eine wichtigere Rolle zuteilwerden.
In einem zweiten, diskursiven Block erfolgte durch vier Impulsvorträge eine Einordnung der vorläufigen Thesen sowie ein Einblick in praktische Erfahrungen mit dem USchadG aus behördlicher Sicht, aus Perspektive eines Naturschutzverbandes, aus Perspektive eines Infrastrukturunternehmens sowie aus der Sicht eines Planungsbüros. Die jeweiligen Sichtweisen wurden auch mit den Teilnehmenden, welche ein breites Spektrum an Perspektiven abbildeten (u.a. Behördenvertreter*innen, Vertreter*innen von Wirtschaftsverbänden, Rechtsanwälte und -Rechtsanwältinnen) erörtert. Bezeichnend war auch in diesem Kontext der Befund, dass die Wahrnehmung hinsichtlich der Wirksamkeit des Instrumentariums je nach Perspektive durchaus und mitunter erheblich variierte. Während beispielsweise einerseits das Instrumentarium als insgesamt recht unwirksam eingeordnet wird, sehen andere Akteure auf präventiver Seite sehr wohl eine deutliche Wirkung. Auch die jeweiligen Problemlagen überlagerten sich nicht unbedingt und unterstrichen damit den Befund, dass sich durchaus ein differenziertes Bild ableiten lässt. Gleiches gilt für die Frage etwaiger normativer Änderungen, wohingegen das Bereitstellen zusätzlicher Informationen zum Instrumentarium, dessen Voraussetzungen und Anwendungspraxis nahezu einhellig begrüßt wurde.
Die im Rahmen des Fachgespräches gewonnenen Erkenntnisse und ergangenen Hinweise werden ausgewertet und fließen in die Befunde des Endberichts zum Forschungsvorhaben ein.
Dokumente:
- Beitrag des BUND Naturschutz in Bayern e. V.
- Beitrag DB InfraGO AG
- Beitrag der Forschungsnehmenden
- Beitrag des Bundesamtes für Naturschutz
- Beitrag der Planungsgesellschaft Natur und Umwelt mbH
- Programmflyer: Evaluation von praktischer Anwendung und Wirksamkeit der Haftung nach dem Umweltschadensgesetz - Fachgespräch am 14. Mai 2025 in Berlin