Seit dem Geschäftsjahr 2017 sind in Deutschland rund 500 große, kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen dazu verpflichtet, eine sogenannte „nichtfinanzielle Erklärung“ zu erstellen. Darin haben sie die von ihnen verfolgten Konzepte, Risiken und Leistungsindikatoren in Bezug auf Umwelt, Arbeitnehmerbelange, soziale Belange, Menschenrechte und Korruption darzulegen, sofern diese als wesentlich erachtet werden. Die rechtliche Grundlage dafür bildete bislang die europäische CSR-Richtlinie (2014/95/EU, engl. „Non-financial Reporting Directive") und deren nationale Umsetzung über das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG). CSR steht für „Corporate Social Responsibility“, also die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Die Richtlinie wurde im Jahr 2022 umfassend überarbeitet und erhielt einen neuen Titel. Sie wird fortan als „Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD“ (Richtlinie (EU) 2022/2464), also die Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung, bezeichnet.
Zweck der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ist, Transparenz über die nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen für die Geschäftstätigkeit der Unternehmen aber auch über die Auswirkungen eines Unternehmens auf Mensch und Umwelt herzustellen. Diese Informationen sollen insbesondere Finanzmarktakteuren die nötige Grundlage bieten, um die Nachhaltigkeit ihrer Portfolios messen und nachhaltigere Anlageentscheidungen treffen zu können.
Neufassung der CSR-Richtlinie
Verschiedene Studien, unter anderem des UBA (siehe Unterseite „Forschungsergebnisse“), offenbarten deutliche Defizite der aktuell geltenden Berichtspflichten. Aufgrund dessen und angestoßen durch den „European Green Deal“ und die Sustainable Finance-Strategie der Europäischen Kommission wurde die CSR-Richtlinie von 2021 bis 2022 umfassend überarbeitet.
Mit der Neufassung sollen Nachhaltigkeitsinformationen den gleichen Stellenwert wie Finanzinformationen eines Unternehmens erhalten. Die neuen Anforderungen gelten ab dem Geschäftsjahr 2024, also für die Berichterstattung ab 2025, und werden in den Folgejahren phasenweise ausgeweitet.
Anwendungsbereich – wer ist ab wann betroffen?
Die Berichtspflicht wird phasenweise von den aktuell bereits betroffenen Unternehmen auf alle bilanzrechtlich großen, haftungsbeschränkten Unternehmen sowie alle börsennotierten Unternehmen ausgeweitet (ausgenommen sind börsennotierte Kleinstunternehmen):
- Geschäftsjahr 2024: bisher zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtete Unternehmen
- Geschäftsjahr 2025: alle weiteren großen Unternehmen
- Geschäftsjahr 2026: börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen), kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen
- Geschäftsjahr 2028: Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz von über 150 Mio. EUR in der EU, wenn sie mindestens ein Tochterunternehmen oder eine Zweigniederlassung in der EU haben und bestimmte Schwellenwerte überschreiten
Wesentlichkeit – wie bestimmen sich die Berichtsinhalte?
- Gemäß der novellierten Richtlinie muss ein Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Angaben machen, die aus finanzieller Perspektive oder aus ökologischer und sozialer Perspektive wesentlich sind (sog. doppelte Wesentlichkeit).
- Kriterien und Ansätze für die Identifikation und Bewertung wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen und -informationen werden in den Berichtsstandards definiert. Allerdings verbleibt die Wesentlichkeitsanalyse eine unternehmensindividuelle Aufgabe, deren Ergebnis die Anwendung der Berichtsstandards und folglich auch den Berichtsinhalt bestimmt. Ausgenommen davon sollen nur ein kleiner Teil der Anforderungen sein, über die jedes Unternehmen berichterstatten muss.
Berichtselemente und -themen
Unternehmen müssen bezogen auf ihre wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte u.a. offenlegen:
- Governance-Strukturen
- Geschäftsmodell und Strategie
- Due Diligence-Prozesse, einschließlich tatsächlicher und potenzieller Auswirkungen auf Mensch und Umwelt
- Nachhaltigkeitsbezogene Risiken, Abhängigkeiten und Chancen
- Zielsetzungen und erreichte Fortschritte
- Maßnahmen
- Indikatoren
- Prozess zur Wesentlichkeitsanalyse
Die zu berichtenden Informationen können qualitativer oder quantitativer Natur, zukunfts- oder vergangenheitsbezogen sein und kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume abdecken. Sie beziehen sich grundsätzlich auf die eigenen Aktivitäten sowie die Wertschöpfungsketten des Unternehmens.
Folgende Themen werden von der Berichtspflicht abgedeckt:
Umwelt
- Klimaschutz und Klimaanpassung
- Wasser- und Meeresressourcen
- Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
- Verschmutzung
- Biodiversität und Ökosysteme
Soziales und Menschenrechte
- Gleichbehandlung und Chancengleichheit
- Arbeitsbedingungen
- Achtung der Menschenrechte
Governance
- Unternehmensethik und Unternehmenskultur
- Lobbying
- Faire Geschäftsbeziehungen
Die konkreten Berichtsanforderungen werden in Nachhaltigkeitsberichtsstandards definiert, den sog. „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS). Diese erlässt die Europäische Kommission voraussichtlich Mitte 2023 als delegierte Rechtsakte. Entwürfe sind bereits verfügbar. Sie finden mehr Informationen zu den ESRS auf der Unterseite „Berichtsstandards“. Branchenspezifische Standards sollen später folgen.
Liefer- und Wertschöpfungsketten
Im Vergleich zur aktuell geltenden Rechtslage wird die Pflicht zur Berichterstattung über Risiken und Chancen sowie über ökologische und soziale Auswirkungen in Liefer- und Wertschöpfungsketten ausgeweitet. Die Angaben sollen gegebenenfalls die Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen und Lieferkette der Unternehmen umfassen. Detaillierte Anforderungen werden in den Berichtsstandards geregelt.
Die Regelungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ihrer Berichtsstandards spielen zudem eine wichtige Rolle für die geplante EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten (sog. „EU-Lieferkettengesetz“, „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ – CSDDD). Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 23.02.2022 sollen für Unternehmen, die beiden Richtlinien unterliegen, die Berichtspflichten aus der CSDDD über die CSRD abgegolten sein.
Prüfung
Die CSRD sieht eine verbindliche externe Prüfung der berichteten Nachhaltigkeitsinformationen vor. Prüfberechtigt sind Abschlussprüfer*innen und, wenn ein Mitgliedstaat von der Ermächtigung der CSRD Gebrauch macht, unabhängige Erbringer von Bestätigungsdienstleistungen. Bestätigungsdienstleistungen sind typischerweise Zertifizierungen, wie sie von Zertifizierungsstellen oder Umweltgutachter*innen vorgenommen werden.
Die Prüfer*innen müssen die Nachhaltigkeitsinformationen mit „begrenzter Prüfungssicherheit“ bestätigen. Eine künftige Ausweitung auf eine „hinreichende Prüfungssicherheit“ ist vorgesehen, sofern sich dies als angemessen erweist. Bei begrenzter Prüfungssicherheit wird bestätigt, dass der*dem Prüfer*in keine Sachverhalte bekannt wurden, die zu der Annahme veranlassen, dass im Bericht wesentliche falsche Darstellungen enthalten sind. In diesem Fall werden weniger Prüfungen vorgenommen als bei der Prüfung mit hinreichender Prüfungssicherheit.
Taxonomie-Verordnung
Für nach der CSR-Richtlinie berichtspflichtige Unternehmen bestehen bereits Berichtsanforderungen, die sich aus der europäischen Taxonomie-Verordnung ergeben. Gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) 2020/852 in Verbindung mit der delegierten Verordnung 2021/2178 müssen Unternehmen berichten, welcher Anteil ihrer Umsätze, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben geeignet ist, die Kriterien der Taxonomie-Verordnung zu erfüllen und welcher Anteil diese bereits erfüllt. Die Angaben sind in den Abschnitt des Lageberichts zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzunehmen.
Weitere Informationen zum Thema Sustainable Finance finden Sie auf der UBA-Wissensplattform Sustainable Finance.