Einheitliche EU-Standards für die Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Ein zentrales Element der novellierten CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) sind einheitliche europäische Berichtsstandards, die Unternehmen bei der Erstellung ihrer Berichte anwenden müssen. Die „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) werden als delegierte Rechtsakte durch die Europäische Kommission verabschiedet und damit in geltendes Recht überführt. Die Entwürfe werden von Expert*innengruppen bei der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) im Auftrag der Europäischen Kommission erarbeitet.
Die Berichtsstandards werden in mehreren Phasen entwickelt und verabschiedet:
Set 1: zwölf Berichtsstandards, zehn davon zu Nachhaltigkeitsthemen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance und zwei Standards mit übergreifenden Anforderungen; Veröffentlichung delegierter Rechtsakte bis 30.06.2023
Set 2: branchenbezogene Berichtsstandards für zehn Branchen, vereinfachte Berichtsstandards für börsengelistete kleine und mittlere Unternehmen, ggfs. Erweiterungen für Set 1; Veröffentlichung delegierter Rechtsakt bis 30.06.2024
Set 3 ff.: branchenbezogene Berichtsstandards für voraussichtlich rund 30 weitere Branchen
Überblick Set 1 der EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards (Entwürfe vom 25.11.2022)
Überblick Set 1 der EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards (Entwürfe vom 25.11.2022) Quelle: Umweltbundesamt
Die im Set 1 enthaltenen und in der Abbildung dargestellten Berichtsstandards richten sich an alle Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD. Die Entwürfe sind auf den Webseiten der EFRAG einsehbar.
ESRS 1 enthält generische Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Unternehmens, definiert die Anwendungsregeln für die Standards, Struktur der Berichte und Berichtsprinzipien. Darunter fallen auch Vorgaben zur Wesentlichkeitsanalyse und dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit, der Einbeziehung von Stakeholdern bei der Bestimmung wesentlicher Themen, Erläuterungen zur Verbindung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten mit den Berichtsanforderungen sowie Prinzipien zur Berichterstattung über Liefer- und Wertschöpfungsketten. Gemäß der vorgesehenen Anwendungsregeln können Unternehmen ganze Berichtsstandards auslassen, sofern sie die darin abgedeckten Nachhaltigkeitsthemen als unwesentlich bestimmen. Eine Begründung ist beizufügen. Für als wesentlich deklarierte Themen sind die jeweiligen Berichtsstandards anzuwenden oder auch darüberhinausgehende Informationen offenzulegen. Bestimmte Kennzahlen oder Datenpunkte können auch für wesentliche Themen ausgelassen werden, falls diese im Einzelfall unwesentliche Informationen erzeugen würden. Dagegen sollen bestimmte Anforderungen verpflichtend für alle Unternehmen gelten, unter anderem die gesamten Berichtsstandards ESRS 2 „General Disclosures“ und ESRS E1 „Climate change“, Teile des ESRS S1 „Own workforce“ sowie Datenpunkte, die aufgrund der sog. Offenlegungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/2088) von Finanzmarktakteuren benötigt werden.
ESRS 2 enthält themenübergreifende Berichtsanforderungen und soll für alle Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD vollumfänglich verpflichtend gelten. Offenzulegen sind unter anderem Governance-Strukturen sowie das Verhältnis von Strategie und Geschäftsmodell hinsichtlich Nachhaltigkeitsthemen. Zudem ist der Prozess zur Ermittlung wesentlicher nachhaltigkeitsbezogener Auswirkungen, Risiken und Chancen (sog. „impacts, risks and opportunities“ – IRO) zu beschreiben. ESRS 2 definiert darüber hinaus generische Berichtsanforderungen zu Unternehmenspolitiken, Maßnahmen, Kennzahlen und Zielen, die Grundlage für die entsprechende Berichterstattung anhand der themenbezogenen Standards ist. ESRS 2 folgt sinngemäß einer von der “Task Force on climate-related financial disclosures” (TCFD) empfohlenen Struktur, wodurch Kompatibilität mit den in der Entwicklung befindlichen internationalen Nachhaltigkeitsberichtsstandards hergestellt werden soll. Diese Struktur gilt auch für themenbezogene Standards.
Im Umweltbereich sind fünf themenbezogene Berichtsstandards vorgesehen:
ESRS E1 enthält Berichtsanforderungen zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie. Der Standard ist von allen berichtspflichtigen Unternehmen vollständig anzuwenden, kann also nicht aufgrund von individuellen Wesentlichkeitserwägungen ausgeschlossen werden.
ESRS E2 enthält Berichtsanforderungen zur Umweltverschmutzung, insbesondere zur Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sowie besorgniserregenden Stoffen.
ESRS E3 enthält Berichtsanforderungen zu Wasserverbräuchen und der Nutzung mariner Ressourcen.
ESRS E4 enthält Berichtsanforderungen zu Biodiversität und Ökosystemen, unter anderem zu Landnutzung und Landnutzungsänderung, inklusive Entwaldung, invasiven Arten und weiteren Treibern für Biodiversitätsverlust sowie zum Zustand von Arten und Ökosystemen.
ESRS E5 enthält Berichtsanforderungen zu Ressourcennutzung und Circular Economy, insbesondere zu Materialien und deren zirkulären Verwendung, Produkten des Unternehmens und zirkulären Verwendungsmöglichkeiten sowie Abfällen.
Branchenspezifische Berichtsstandards
Zusätzlich zu den Berichtsstandards, die sich an alle Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD richten, sollen auch konkretisierende branchenspezifische Standards verabschiedet werden (Set 2 ff.). EFRAG hat mit der Erarbeitung der Berichtsstandards für erste Branchen begonnen. Sie sollen bis Ende 2023 als Entwürfe an die Europäische Kommission übergeben werden und umfassen:
Landwirtschaft
Kohlebergbau und Bergbau
Öl- und Gas (getrennt nach upstream- und mid- bis downstream-Aktivitäten)
Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung
Textilien, Accessoires, Schuhe und Schmuck
Transport (Straße)
Kraftfahrzeuge
Energieerzeugung und Versorgungswirtschaft
Parallel wird ein Standard zur Branchenklassifizierung erstellt, in dem eine Zuordnung der Branchen zur allgemeinen Klassifizierung der Wirtschaftstätigkeiten (NACE) erfolgt.
In den Folgejahren sind Berichtsstandards für rund 30 weitere Branchen geplant.
Berichtsstandards für kleine und mittlere Unternehmen
In den Anwendungsbereich der CSRD fallen ab dem Jahr 2026, mit Aufschubmöglichkeit bis 2028, kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Damit diese nicht unangemessen von den Berichtspflichten belastet werden, sollen sie vereinfachte Berichtsstandards anwenden können. Diese werden von EFRAG derzeit erarbeitet und werden von der Europäischen Kommission bis zum 30.06.2024 als delegierter Rechtsakt verabschiedet.
Erarbeitungsprozess der Standards
Bei der Erarbeitung der EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards kommt der Europäischen Beratungsgruppe für Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group – EFRAG) eine zentrale Rolle zu. EFRAG’s Arbeit konzentrierte sich ursprünglich auf die Mitarbeit an und Bewertung von internationalen Rechnungslegungsstandards. Im Zuge der Novelle der CSR-Richtlinie erhielt EFRAG seitens der Europäischen Kommission (Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion – FISMA) ein Mandat, vorbereitende Arbeiten für die EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards durchzuführen und ein ordentliches Verfahren (sog. „due process“) zur Entwicklung dieser Standards einzuführen.
EFRAG hat im März 2022 zwei neue Gremien eingerichtet, die „Sustainability Reporting Technical Expert Group“ (SR TEG) und das „Sustainability Reporting Board“ (SRB), die für den Standardentwicklungsprozess verantwortlich sind. Beide Gremien sind mit Vertreter*innen verschiedener Stakeholdergruppen besetzt. In der Praxis werden erste Entwürfe für Standards durch das EFRAG-Sekretariat vorbereitet, von der SR TEG diskutiert und abgeändert und anschließend im SRB diskutiert und beschlossen. Für jeden Standard sehen die Verfahrensregeln auch eine öffentliche Konsultation vor. Abweichend davon wurden die vorbereitenden Arbeiten für das Set 1 an Berichtsstandards von einer Projekt-Task Force übernommen, die im Juni 2021 parallel zu den Verhandlungen zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie ihr Arbeit aufnahm. Das Arbeitsergebnis der Task Force wurde im April 2022 an die EFRAG-Gremien übergeben und zur öffentlichen Konsultation gestellt. Das SRB hat mit Unterstützung der SR TEG daraufhin die Entwürfe finalisiert und am 23.11.2022 an die Europäische Kommission übergeben.
Internationale Nachhaltigkeitsberichtsstandards
Auch auf internationaler Ebene gibt es Bestrebungen zu einheitlichen Nachhaltigkeitsberichtsstandards für Unternehmen.
Die ehemalig stark fragmentierte Landschaft an Nachhaltigkeitsberichtsstandards für Unternehmen wurde durch die Gründung des „International Sustainability Standards Board“ (ISSB) im November 2021 bei der „International Financial Reporting Standards“ (IFRS)-Stiftung weitgehend konsolidiert. Die ehemaligen Standardsetzer „Sustainability Accounting Standards Board“ (SASB), „International Integrated Reporting Council“ (IIRC) und das „Climate Disclosure Standards Board“ (CDSB) sind in der IFRS-Stiftung aufgegangen. Das ISSB entwickelt Standards für die Berichterstattung nachhaltigkeitsbezogener Finanzinformationen, die sich insbesondere an die Kapitalmärkte richten sollen. Das ISSB erarbeitet zurzeit zwei Berichtsstandards, einen Standard mit generischen und themenübergreifenden Berichtsanforderungen (IFRS S1) und einen Standard zur Offenlegung klimabezogener Finanzinformationen (IFRS S2).
Demgegenüber besteht die Global Reporting Initiative (GRI) fort. Die GRI entwickelt bereits seit 25 Jahren Nachhaltigkeitsberichtsstandards für Unternehmen und andere Organisationen. Im Fokus der GRI-Standards stehen die Auswirkungen einer Organisation auf Umwelt, Menschen und Wirtschaft. Die nach GRI berichteten Informationen sollen folglich an die Vielzahl von Stakeholdern eines Unternehmens gerichtet sein. Die Anwendung der GRI-Standards ist freiwillig. Die GRI-Standards sind ähnlich der neuen EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards aufgebaut und enthalten generische, themenbezogene und branchenspezifische Berichtsanforderungen. Die IFRS-Stiftung und GRI haben im März 2022 eine Absichtserklärung unterzeichnet ihre Arbeiten künftig eng zu koordinieren.
Die europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards sollen weitgehend kompatibel mit den Standards der IFRS-Stiftung und GRI gestaltet werden. Die europäischen Berichtsstandards folgen dabei dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“. Dies beinhaltet sowohl eine Berichterstattung über die aus finanzieller Sicht wesentlichen Nachhaltigkeitsinformationen (Fokus der IFRS-Standards) als auch über die wesentlichen Auswirkungen eines Unternehmens auf Umwelt, Menschenrechte und weitere Sozialbelange (Fokus der GRI-Standards).
Nationales Gremium beim DRSC e.V.
Auf nationaler Ebene hat das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC), der nationale Standardsetzer auf dem Gebiet der Konzernrechnungslegung, sein Aufgabenspektrum erweitert und im Dezember 2021 einen Fachausschuss Nachhaltigkeitsberichterstattung eingesetzt. Über diesen Fachausschuss möchte sich das DRSC in die internationalen und europäischen Aktivitäten zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsberichtsstandards einbringen. Der Fachausschuss ist vornehmlich mit Unternehmensvertreter*innen besetzt. Das UBA ist als Beobachter vertreten.
„Für Mensch und Umwelt″ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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