Klimawandelfolgen in Thüringen. Monitoringbericht 2017

Berichterstattung über Klimafolgen und Klimaanpassung in Thüringen
keine Klimamodelle
Temperatur, Niederschlag, Schneedecke, Sonnenschein, Gewitter
1881-2016
„Zu den unmittelbarsten Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit gehört zunehmende Hitze. […] Betroffen sind vor allem ältere Menschen, chronisch Kranke, Kinder und isoliert lebende Personen. […]Für die bisherigen elf Jahre, in denen das Hitzewarnsystem eingerichtet ist, lässt sich für Thüringen kein signifikanter Trend zu einer erhöhten Anzahl von Warntagen und damit einem erhöhten Hitzerisiko feststellen. Die Entwicklungen müssen aber weiter beobachtet werden, denn die Zeitreihen der Heißen Tage zeigen in Thüringen seit 1961 einen deutlich steigenden Trend.“ (S. 43)
„Beginn, Dauer und Intensität des Pollenflugs stehen in engem Zusammenhang mit der Witterung bzs. Dem Klima. Infolge des Klimawandels kann es zu einer Erhöhung der Pollenbelastung und einer Verlängerung der Pollensaison und infolgedessen zu einer höheren Belastung von Allergikern kommen. In Thüringen blühen Hasel und Birke heute bereits signifikant früher als in den 1980er und 1990er Jahren.“ (S. 44)
„Noch fehlt es an eindeutigen Beweisen für den Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung und das Auftreten vektorassoziierter Krankheiten, auch wenn die Ergebnisse zahlreicher Einzeluntersuchungen inzwischen auf Zusammenhänge hindeuten: Als Folge der Klimaerwärmung ist – mit Blick auf die Vektoren – mit einer zunehmenden und schnelleren Vermehrung durch kürzere Generationsdauern, einer Verlängerung von jährlichen Aktivitätsperioden und höheren Überlebensraten durch mildere Winter sowie mit Veränderungen der Nahrungsverfügbarkeit zu rechnen.“ (S. 48)
„Unter anderem ausgelöst durch eine sich verändernde innerjährliche Niederschlagsverteilung kommt es in einzelnen Jahren zu ausgeprägten Schwankungen des Grundwasserspiegels. Ein eindeutiger Trend ist aber nicht erkennbar. Ebenfalls gibt es bisher keine statistisch nachweisbare Entwicklung zu höheren oder niedrigeren Grundwasserständen.“ (S. 52)
„Der Klimawandel kann dazu führen, dass sich Häufigkeit und Schwere von Hochwasserereignissen verändern. Für Thüringen zeigen Projektionen, dass sommerliche Starkniederschlagsereignisse langfristig sowohl häufiger als auch mit steigender Intensität auftreten werden. Auch ist davon auszugehen, dass die jährlichen Niederschlagsmengen künftig stärker in den Wintermonaten fallen.“ (S. 54)
„Durch den Klimawandel werden sich verschiedene Faktoren verändern, die das Niedrigwassergeschehen beeinflussen. Von Relevanz ist vor allem, dass es zukünftig vermehrt zu Trockenperioden kommen soll, die in ihrer Intensität voraussichtlich extremer ausfallen und länger andauern werden. Treten diese Klimaänderungen wie erwartet ein, wird sich auch das Risiko von extrem niedrigen Pegelständen erhöhen.“ (S. 56)
„Die Trinkwassertalsperren in Thüringen leisten einen bedeutenden Beitrag zur öffentlichen Wasserversorgung im Freistaat. Den derzeitigen Erkenntnissen zufolge kann die Trinkwasserversorgung für die Zukunft auch unter Bedingungen des Klimawandels als gesichert gelten.“ (S. 58)
„Die Landwirtschaft ist wesentlich von den Klimaverhältnissen am Standort abhängig. Daher hat der Klimawandel sehr unmittelbare Auswirkungen auf diese Landnutzungsform. In Thüringen hat sich die Vegetationsperiode in den letzten Jahren verlängert. Viele landwirtschaftliche Kulturen blühen und fruchten früher im Jahr. Darauf müssen die Landwirte reagieren: mit der Fruchtarten- und Sortenwahl und ihren Bewirtschaftungsabläufen. Die Veränderungen bringen Vor- und Nachteile.“ (S. 66)
„Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entwicklung der Erträge sind differenziert zu bewerten. Einerseits steigern eine verlängerte Vegetationsperiode und höhere Temperatursummen verbunden mit CO2-Düngeffekten die Erträge, andererseits führen Trockenstress oder Extremereignisse wie Stürme, Starkregen, Hagel oder auch Überschwemmungen dazu, dass Ertragserwartungen nicht erfüllt werden.“ (S. 68)
„Klimaveränderungen haben Einfluss auf das Auftreten von Schaderregern, aber es gibt noch viele Unsicherheiten, welche Arten in ihrer Entwicklung letztendlich begünstigt und welche beeinträchtigt werden, und welche neuen Arten sich ggf. nach Einschleppung etablieren können.“ (S. 70)
„Mit dem Klimawandel sind vielfältige Risiken für die Böden verbunden. Neben Veränderungen des Bodenwasserhaushalts wird für Thüringen vor allem von einer steigenden Gefährdung durch Wassererosion ausgegangen, da erosionswirksame Starkniederschläge zunehmen können. Die Gefahr von Bodenschadverdichtung steht in engem Zusammenhang mit dem Bodenwasserhaushalt. Vor allem für die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Ostthüringer Buntsandsteingebiet, in den Randlagen des Thüringer Beckens und in Südwestthüringen wird von einer erhöhten Verdichtungsgefährdung ausgegangen. Eine hohe Bodenwassersättigung in Zeiten, in denen Böden intensiver bearbeitet werden, erhöht das Risiko.“ (S. 73)
„Fichtenreinbestände sind infolge des Klimawandels einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, da sie vielerorts schon heute nicht standortgerecht sind.“ (S. 80)
Aussagen zu Veränderungen der Zuwachsraten lassen sich auf der bisherigen Datengrundlage für Thüringen noch nicht treffen. Bundeweite Entwicklungen liefern jedoch Hinweise auf einen Zuwachsrückgang bei fast allem Baumarten im Vergleich der Perioden 2002-2008 und 2008-2012. Unter anderem wird hierfür die Zunahme von Trockenjahren verantwortlich gemacht.“ (S. 82)
„Stürme, Schneebruch, Trockenheit sowie Insekten- und Pilzbefall können zu ungeplanten Holznutzungen in Wäldern führen. In Thüringen haben in den letzten zwei Jahrzehnten Stürme die umfangreichsten Zwangsnutzungen verursacht. Solche Extremereignisse können als Folge des Klimawandels zunehmen und eine geregelte, nachhaltige Forstwirtschaft erschweren. Ein unmittelbarer statistischer Zusammenhang zwischen Schadholzmengen verschiedener Ursachen und dem zunehmenden Klimawandel ließ sich in der Zeitreihe 1993-2015 nicht nachweisen.“ (S. 84)
„Der Klimawandel vollzieht sich derzeit so schnell, dass der natürlichen Anpassung von Arten und Artengemeinschaften deutliche Grenzen gesetzt werden. Dies führt zum Verlust von Arten und Lebensräumen, die bisher den Charakter der thüringischen Landschaft und Artenausstattung ausgemacht haben.“ (S. 93)
„Da die Infrastrukturen und ihre Nutzer Wetter und Witterung sehr unmittelbar ausgesetzt sind, wer-den sich die klimatischen Veränderungen auch auf das Verkehrssystem auswirken. So wird sich die Beanspruchung der Verkehrswege beispielsweise durch Frost, (Stark-)Regen aber auch Hitze verändern, Schädigungen können zunehmen und einen höheren Aufwand für die Instandhaltung nach sich ziehen. Für die Verkehrsteilnehmer, vor allem im Straßenverkehr, können die klimatischen Veränderungen möglicherweise zunehmende Unfallrisiken bedeuten.“ (S. 99)
„Milde bis warme Tage ohne relevanten Niederschlag sind ideal für viele Outdoor-Aktivitäten und daher förderlich für den Tourismus. Noch hat sich das Touristenklima Thüringens nicht signifikant verändert. Allerdings waren in 15 der letzten 20 Jahre die tourismusklimatischen Bedingungen besser als im langjährigen Durchschnitt. Günstige Voraussetzungen also für den Natur- und Erlebnisurlaub, der einen wesentlichen Anteil an den Reisegründen der Thüringenbesucher hat.“ (S. 108)
„Die geringere Höhe der Skigebiete in den Mittelgebirgen bedingt jedoch, dass die Folgen des Klimawandels in Form einer abnehmenden Schneesicherheit hier früher zu bemerken sind als im Hochgebirge.“ (S. 110)
„Starker Sturm und Hagelschlag können kostspielige Schäden an privaten Wohngebäuden nach sich ziehen. Die Zeitreihe der Schadensfälle in der Verbundenen Wohngebäudeversicherung ist bislang wesentlich durch zwei extreme Ereignisse geprägt: Die Winterstürme Jeanette und Kyrill haben in den Jahren 2002 und 2007 sowohl die meisten Schäden als auch die höchsten Kosten verursacht.“ (S. 116)
„Seit Anfang der 1990er Jahre nimmt in Thüringen die Zahl der Kühlgradtage zu, die Zahl der Heizgradtage hingegen nimmt ab. Beide Entwicklungen vollziehen sich mit einem statistisch signifikanten Trend. Die langjährigen Mittelwerte der Klimanormalperiode 1961-1990 werden im Falle der Kühlgradtage nur noch im Ausnahmefall unter-, im Falle der Heizgradtage nur noch im Ausnahmefall überschritten.“ (S. 124)
„Extremwetterereignisse können zu massiven Stromausfällen führen. Projektionen zeigen, dass extreme Wetter- und Witterungsereignisse im Zuge des Klimawandels häufiger und intensiver werden. In Thüringen könnte sich das in häufigeren und längeren Unterbrechungen der Stromversorgung niederschlagen.“ (S. 126)
„Extremwetterlagen wie Stürme und heftige Schneefälle, Wald- und Feldbrände, Hochwasser und Staudammbrüche sowie Massenanfälle von Verletzten auf Straßen und Schienen sowie in Tunneln sind für den Freistaat Thüringen die wesentlichen klimaabhängigen Hauptgefährdungen, für die der Katastrophenschutz gerüstet sein muss. Durch den Klimawandel kann sich die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser klimaabhängigen Hauptgefährdungen mittel- bis langfristig erhöhen. Während für Hochwassergefahren erst zum Ende des Jahrhunderts mit einem höheren Risiko in einzelnen Teilräumen zu rechnen ist, wird für Stürme und Flächenbrände erwartet, dass sie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts flächendeckend in Häufigkeit und Intensität zunehmen können. Massenanfälle von Verletzten treten häufig in Verbindung mit Schnee- und Eisglätte auf. Da auch zukünftig Einzelereignisse in Teilräumen zu Gefährdungssituationen führen können, ist bislang nicht von einer Abnahme dieser Gefährdung auszugehen.“ (S. 131)
„Neben vielen anderen Gründen, den Flächenverbrauch zu begrenzen oder ganz zu vermeiden, ist der sparsame Umgang mit der Ressource Fläche auch aus Sicht der Anpassung an den Klimawandel ein wichtiger strategischer Ansatz. Raumordnung und Landesplanung können hierzu durch die Steuerung der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung und die Moderation der vielfältigen Anforderungen an die Landnutzung beitragen.“ (S. 137)
Das Klimafolgenmonitoring basiert auf einem Indikatorensystem und nutzt Daten aus bereits existierenden und laufenden Erhebungen behördlicher und nicht-behördlicher Einrichtungen. State-Indikatoren beschreiben die beobachtbaren Klimaveränderungen in Thüringen, Klimawandelfolgen werden in Form von Impact-Indikatoren dargestellt.
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (Hg.): Klimawandelfolgen in Thüringen. Monitoringbericht 2017. Erfurt 2017