Einige Bisphenole sind in der Umwelt nachweislich hormonell wirksam. Bisphenol A (BPA) als bekanntester Vertreter dieser Stoffgruppe und Bisphenol B (BPB) wurden bereits aufgrund ihrer endokrinen Wirkung auf Umweltorganismen als besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) unter REACH identifiziert. Im September hat Belgien für Bisphenol S (BPS) ein Dossier zur Identifizierung als SVHC bei der ECHA eingereicht. Auch für BPS sind aus Sicht der belgischen Behörden die Kriterien für endokrine Disruptoren in der Umwelt erfüllt. Für Bisphenol F (BPF) und Bisphenol AF (BPAF) und seine Salze gibt es deutliche Hinweise auf eine hormonelle Wirkung in der Umwelt. Der Ausschuss der EU-Mitgliedsstaaten der ECHA prüft gerade, ob für diese beiden Bisphenole die Datenlage ausreichend ist, um die Kriterien für endokrine Disruptoren in der Umwelt zu erfüllen. Endokrine Disruptoren (ED) sind Chemikalien oder Mischungen von Chemikalien, die die natürliche biochemische Wirkweise von Hormonen stören und dadurch schädliche Effekte (z.B. Störung von Wachstum und Entwicklung, negative Beeinflussung der Fortpflanzung oder erhöhte Anfälligkeit für spezielle Erkrankungen) in Organismen hervorrufen. Der Beschränkungsvorschlag des UBA umfasst daher aktuell diese fünf Bisphenole (BPA, BPB, BPS, BPF und BPAF) und hat das Ziel, die Emissionen dieser Stoffe in die Umwelt aus ihren verschiedenen Verwendungen zu minimieren.
Zusätzlich enthält der Beschränkungsvorschlag einen Mechanismus zur Aufnahme weiterer Bisphenole sobald deren hormonelle Wirksamkeit in der Umwelt EU-weit bestätigt wird. Mit diesem Ansatz sollen die Risiken der gesamten Stoffgruppe in der Umwelt minimiert werden. Basis der Beschränkung ist die Annahme, dass für endokrin wirksame Stoffe in der Umwelt kein sicherer Grenzwert abgeleitet werden kann, der protektiv genug ist für alle potenziell betroffenen Spezies. Somit stellt jede Emission von endokrinen Disruptoren in die Umwelt ein Risiko dar, das dieser Beschränkungsvorschlag minimieren soll.
Beschränkungen dienen dem EU-weiten Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor unzumutbaren Gefahren, die von Chemikalien ausgehen. Durch Beschränkungen werden in der Regel die Herstellung, die Vermarktung (einschließlich Einfuhr) und die Verwendung eines Stoffes beschränkt oder verboten. Zusätzlich können Bedingungen vorgegeben werden, wie etwa technische Maßnahmen oder Kennzeichnungen, um Risiken zu vermeiden oder zu minimieren. Der derzeitige Beschränkungsvorschlag für die Bisphenole sieht vor, dass hormonell schädigende Bisphenole in Erzeugnissen und Mischungen nicht über einem Grenzwert von 10 ppm (0,001 Gewichtsprozent) enthalten sein dürfen. Davon ausgenommen sind Fälle, in welchen diese Bisphenole kovalent in eine Matrix eingebunden vorliegen oder als Zwischenprodukt während der Herstellung von Polymeren auftreten, wenn der Kontakt zu Wasser solcher polymeren Verwendungen ausgeschlossen werden kann oder ein Migrationslimit von 0,04 mg/L nicht überschritten wird.
Der Beschränkungsvorschlag wurde von den deutschen Behörden am 7. Oktober in Form eines Dossiers nach den Anforderungen des Anhangs XV der REACH-Verordnung bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Wenn die ECHA die Erfüllung aller formalen Anforderungen an das Dossier bestätigt hat, können im Rahmen einer sechsmonatigen öffentlichen Kommentierungsphase Firmen, Verbände, Organisationen, Privatpersonen und weitere Behörden ihre Kommentare und ggf. weitergehende Informationen zu der vorgeschlagenen Beschränkung abgeben. Diese öffentliche Konsultation wird voraussichtlich am 21. Dezember 2022 beginnen. Alle Kommentare und zusätzlichen Informationen, die im Rahmen dieser öffentlichen Konsultation eingehen, werden von den beiden zuständigen wissenschaftlichen Ausschüssen der ECHA (Ausschuss für Risikobewertung – RAC, Ausschuss für sozioökonomische Analyse – SEAC) bei der Erarbeitung Ihrer Stellungnahmen zu dem Beschränkungsvorschlag berücksichtigt. Die Stellungnahmen der beiden Ausschüsse zu der vorgeschlagenen Beschränkung werden dann voraussichtlich im Dezember 2023 veröffentlicht und bilden die Grundlage der endgültigen Entscheidung der Europäischen Kommission über die Beschränkung. Der endgültige, rechtskräftige Beschränkungstext wird dann im Anhang XVII der REACH Verordnung veröffentlicht.