Internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik Corvid-19

Die Corona-Krise wird von vielen als eine historische Zäsur wahrgenommen. Infolge einer Zoonose kam es zu der Pandemie mit dem Virus Sars-CoV-2, die die weltweiten Abhängigkeiten zwischen Gesellschaft, Natur und wirtschaftlichem Handeln sichtbar machte.

Internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik während und nach der Covid-19 Pandemie

Blogartikel von Dr. Harald Ginzky, Jan Kosmol, Dr. Kathrin Schwirn

ie Corona-Pandemie hat die Welt verändert. Geo-politische Spannungen, zum Beispiel zwischen China und den USA, ebenso wie bestehende Konflikte zwischen EU Staaten haben sich eher verschärft. Die Pandemie hat ferner auch Krisenphänomene in den Ländern des Globalen Südens intensiviert, während in Ländern des Globalen Nordens oftmals in der Lage waren, die Auswirkungen durch staatliche Interventionen abzupuffern. Die Kluft zwischen Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens droht tiefer zu werden. Auch könnte es in einigen Staaten sowohl im Süden als auch im Norden zu einer grundlegenden politischen Destabilisierung (zB. USA, Brasilien und einige Länder im Globalen Süden) kommen.

Vor allem hat die Pandemie die wechselseitigen Abhängigkeiten sowie die Fragilität der weltweiten Verflechtungen infolge des globalisierten Wirtschaftens sowie der internationalen Hypermobilität verdeutlicht. Es scheint, dass ein kompetentes und erfolgreiches Krisenmanagement nur durch kluges Regieren („good governance“) auf allen Ebenen erreicht werden kann. Ein Erfolgskriterium scheint das Vertrauen der Bürger*innen in den Staat und seine Institutionen zu sein. Das gilt – weltweit und auch speziell in Ländern des Globalen Südens. Ferner sind augenscheinlich Staaten mit leistungsfähigen (öffentlichen) Gesundheitssystemen beim Krisenmanagement erfolgreicher. Auch kann eine gut entwickelte digitale Kommunikation den Infektionsschutz unterstützen.

Die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik arbeitet zu den Großthemen ⁠Klimawandel⁠, ⁠Biodiversität⁠ und internationales Chemikalienmanagement unter erschwerten Bedingungen. Der Modus der großen Konferenzen war und ist zumindest während der Pandemie nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich die folgenden vier Empfehlungen, die bei der Fortschreibung der internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik als neue Leitmotive zu beachten sind:

  • Der „One-Health“-Ansatz ist besonders geeignet, um Umwelt- Gesundheits- und Klimapolitik ganz im Sinne der Agenda 2030 auszurichten. Er bedarf dazu einer wirksamen und kohärenten Zusammenarbeit von Staaten und internationalen Organisationen.
  • Resilienz⁠ der Gesellschaften insgesamt, aber auch ihrer jeweiligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Teilsysteme muss als übergeordnetes Leitmotiv der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik sichergestellt werden.
    • Resilienz verlangt, dass die Systeme in der Lage sind, externe Schocks „abzupuffern“ („Absorptions- und Anpassungsfähigkeit“) sowie sich, wenn nötig, weiterzuentwickeln („Transformationsfähigkeit“).
    • Resilient können Systeme nur sein, die die Anforderung aus den Nachhaltigkeitszielen „niemanden zurückzulassen“ berücksichtigen.
  • Um Resilienz zu gewährleisten und zu bewahren, ist eine gemeinwohlorientierte Steuerung durch handlungsfähige staatliche und internationale Institutionen, die das Vertrauen ihrer Bürger*innen genießen, erforderlich.
  • Digitale Techniken, klug eingesetzt, sind ein wichtiges Instrument, um die vielfältigen Krisenphänomene besser verstehen und bewältigen zu können.

Für die internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik können folgende Maßnahmen empfohlen werden.

Unmittelbar müssen die Länder des Globalen Südens darin unterstützt werden, den Herausforderungen der Pandemie – gesundheitspolitisch, aber auch ökonomisch – zu begegnen. Die Länder des Globalen Nordens tragen wegen der internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen, der strukturellen Ungleichheiten und der Notwendigkeit, Resilienz zu erreichen, eine große Verantwortung.

Des Weiteren müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko weiterer Zoonosen und Pandemien möglichst zu mindern. Der „One-Health“-Ansatz ist zu berücksichtigen und die geltenden Managementstandards entsprechend zu überprüfen. Auch sind in allen Staaten dichte Überwachungsnetze und ausreichende Informationssysteme effektiv zu etablieren. Die internationale Zusammenarbeit von FAO, der ⁠WHO⁠ und der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) sowie der CBD und ggf. der IMO und/oder Fischereiorganisationen ist hierfür dringend anzuraten.

Schließlich sind folgende Maßnahmen zu empfehlen:

  • Stärkung des Nexus von Gesundheit und Umweltschutzes in allen sektoralen Politiken der internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik
  • Verrechtlichung der oben genannten Leitmotive entweder über soft-law-Instrumente, den „Global Pact for the Environment“ oder den von ⁠UN⁠ Generalsekretär Guterres vorgeschlagenen „New Global Deal“
  • Nutzung der virtuellen Formate für mehr Beteiligung sowie für die Berücksichtigung aller Perspektiven und für den wissenschaftlichen Austausch
  • Institutionalisierte Form der Sammlung, Verarbeitung und Bereitstellung von Wissen in Bezug auf das Leitmotiv der Resilienz, z.B. durch IPBES
  • Förderung der internationalen Kooperation von Städten und Gemeinden sowie deren institutionelle Verankerung
  • Ergänzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten aus dem Menschenrechtsbereich um Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes

Das sind nur erste Überlegungen. Klar ist, dass ein mehr an internationaler Kooperation dringlich erforderlich ist. Denn die wirtschaftliche Globalisierung verlangt eine Rahmensetzung durch internationale Vereinbarungen, die die Resilienz des weltweit vernetzten Wirtschaftens und die Transformation zu Umwelt- und Klimaverträglichkeit ermöglichen und sicherstellen.

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Autor*innen:

  • Dr. Harald Ginsky, Umweltbundesamt, bearbeitet die Themen Climate Geo-Engineering, Meeresumweltschutz, Tiefseebergbau sowie Gewässer- und Bodenschutz aus rechtlicher Perspektive
  • Jan Kosmol, Umweltbundesamt, Themenfeld Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft mit einem Schwerpunkt auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen des Bergbaus und der Versorgung mit mineralischen Rohstoffen aus globalen Lieferketten
  • Dr. Kathrin Schwirn, Umweltbundesamt, Fachgebiet IV2.2 Arzneimittel und Nanomaterialien. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Umweltrisikobewertung von Nanomaterialien im Rahmen der Chemikaliensicherheit sowie die Anpassung der zugehörigen Risikobewertungsinstrumente an Nanomaterialien.
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 Corona  Internationales