Überblick: Globale Landwirtschaft und Klimaschutz
Die Landwirtschaft ist für die Versorgung mit Nahrungsmitteln verantwortlich und bildet die Existenzgrundlage für viele Menschen weltweit. Sie spielt damit eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Die Erderwärmung und veränderte Mengen von Niederschlag können jedoch zu Ernteausfällen führen und die Lebensgrundlage einer Vielzahl von Menschen in ländlichen Gebieten bedrohen.
Gleichzeitig ist der landwirtschaftliche Sektor Teil des Problems: Der IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landnutzung schätzt, dass ein Fünftel bis ein Drittel (21-37 Prozent) der weltweiten Treibhausgasemissionen auf unsere Ernährungssysteme zurückzuführen sind: 9-14 Prozent werden durch Pflanzenbau und Viehzucht in landwirtschaftlichen Betrieben verursacht, 5-14 Prozent durch die Landnutzung und 5-10 Prozent durch die Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion. Im Gegensatz zu anderen Sektoren ist die landwirtschaftliche Produktion mit Treibhausgasemissionen verbunden, die nicht dekarbonisiert, also nicht durch treibhausgasneutrale Prozesse ersetzt werden können. Darunter fallen unter anderem Methan-, Lachgas- und Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen, die durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Böden, Verdauungsprozesse bei Wiederkäuern und die Lagerung von Wirtschaftsdüngern entstehen.
Darüber hinaus sind die Intensivierung der Landwirtschaft und Trends hin zu großflächigen Monokulturen eine zentrale Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt und den zunehmenden Druck auf Ökosysteme und Wasserressourcen. Dahinter steht vor allem der hohe und weiter ansteigende Verbrauch von tierischen Lebensmitteln und Produkten. Ohne eine Umstellung auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung und die Umsetzung weiterer Klimaschutzmaßnahmen wird es nicht möglich sein, die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. Zudem wird es immer schwieriger, die Umweltauswirkungen des Ernährungssystems innerhalb der planetaren Grenzen zu halten.
Um das Agrarsystem nachhaltiger zu gestalten, müssen mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden:
• die Erhaltung der Ökosysteme
• die Minderung von Treibhausgasen
• die Anpassung an die Erderwärmung
• die Bereitstellung sicherer und gesunder Nahrungsmittel für alle
Für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen gibt es bereits bekannte Lösungen. Trotzdem bleibt ambitionierter Klimaschutz in der Landwirtschaft in großem Maßstab bislang aus.
Herausforderungen und Lösungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft
Bereitstellung der Lebensmittel zu sozialverträglichen Preisen. Diese existenzielle Relevanz des Sektors führt aber auch dazu, dass Forderungen nach ambitioniertem Klimaschutz oft gemieden werden. Hinzu kommt ein begrenztes technisches Minderungspotenzial, da die landwirtschaftliche Produktion durch ihre biologischen Prozesse per se mit Treibhausgasemissionen verbunden ist. So stellt die Landwirtschaft ein komplexes System mit einer großen Vielzahl an Akteuren und sehr verschiedenen Bedingungen, Hintergründen und Bedürfnissen in verschiedenen Ländern dar. Aber auch da, wo Optionen für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft klar ersichtlich sind, werden sie oft nicht umgesetzt.
Lösungsansätze für eine nachhaltigere Landwirtschaft:
Klimaschutzmaßnahmen auf der Angebotsseite:
• extensivere Anbaumethoden
• besseres Management von Stickstoff-Düngemitteln
• verbessertes Management von Wirtschaftsdünger
• Reduzierung der Emissionen aus der Tierhaltung
• Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlichen Systemen
• Reduzierung von Treibhausgasemissionen aus dem Reisanbau sowie weniger Verbrennung von Ernterückständen.
Klimaschutzmaßnahmen auf der Nachfrageseite:
• Reduzierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten
• Veränderung von Ernährungsgewohnheiten
• verminderte Abholzung.
Der Umsetzung dieser Optionen stehen Hindernisse auf institutioneller, politischer, finanzieller, soziokultureller, technischer und biophysikalischer Ebene entgegen. Geeignete Ansätze für die Entwicklung von Lebensmittelsystemen müssen kontextspezifisch sein, da sowohl die landwirtschaftlichen Systeme als auch die Hindernisse, die der Umsetzung von Minderungsansätzen im Wege stehen, sehr unterschiedlich und spezifisch für die lokalen Gegebenheiten sind.
Analyse: Minderungspotenziale in zehn Schwerpunktländern
Die naturräumlichen, politischen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten sind je nach Weltregion sehr unterschiedlich. Deshalb ist es sinnvoll, einzelne Länder der unterschiedlichen Kontinente genauer zu betrachten. Für die Länder Ägypten, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Großbritannien, Indonesien, Neuseeland, Südafrika und die USA wurden die Potenziale für ambitionierten Klimaschutz in der Landwirtschaft analysiert. Zudem wurden ausgewählte Minderungsmaßnahmen vertieft betrachtet und quantifiziert sowie Hindernisse und Hemmnisse für die Umsetzung der Minderungsoptionen identifiziert.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Welche Minderungsoptionen am besten geeignet sind, variiert je nach Land und hängt von Faktoren wie lokalem Klima, Hauptprodukten der Landwirtschaft und bestehenden landwirtschaftlichen Systemen ab. Für jedes der 10 einzelnen Länder wurden die nationalen Gegebenheiten und aktuellen Minderungspläne untersucht, um festzustellen, wo zusätzliches Minderungspotenzial vorhanden ist. Zu diesem Zweck wurde eine qualitative Analyse der Merkmale und Umstände des Agrarsektors in jedem der ausgewählten Länder durchgeführt, basierend auf vorhandenen Emissionsprofilen für landwirtschaftliche Aktivitäten, sozioökonomischen Hintergrund, Handels- und Beschäftigungsdaten, aktuellen nationalen Klimapolitiken, der Anfälligkeit des Agrarsektors für die Auswirkungen der globalen Erwärmung sowie Trends bei Lebensmittelkonsum und -verschwendung.
Emissionsquellen in der Landwirtschaft unterscheiden sich je nach Land, aber es ergeben sich gemeinsame Muster, wobei Emissionen aus der Tierhaltung (enterische Fermentation), Güllemanagement, auf landwirtschaftlichem Land ausgebrachte Gülle und der Energieverbrauch auf dem Betrieb die bedeutendsten Beiträge zu den landwirtschaftlichen Emissionen in allen Ländern sind und Fermentation häufig die größte Quelle ist. In Ländern, in denen Reis ein Grundnahrungsmittel ist und umfangreich angebaut wird, machen Emissionen aus dem Reisanbau einen großen Anteil der gesamten landwirtschaftlichen Emissionen aus (z. B. China, Indonesien, Ägypten). Emissionen aus der Pflanzenproduktion stammen hauptsächlich aus der Verwendung von synthetischen Düngemitteln. In den meisten der analysierten Länder überdüngen Landwirte derzeit ihre Felder, auch aufgrund der niedrigen Kosten von Düngemitteln durch staatliche Subventionen, was zu erheblichen Nährstoffverlusten und entsprechender Umweltverschmutzung und Emissionen führt.
In einigen Fällen können LULUCF-Emissionen ("Land Use, Land Use Change and Forestry") die landwirtschaftlichen Emissionen völlig überschatten. Emissionen aus Landnutzungsänderungen werden im Allgemeinen durch die Entwaldung zur Ausweitung der Landwirtschaft angetrieben. Im Fall von Indonesien umfasst dies auch die Trockenlegung und Verbrennung von Mooren. Von den zehn untersuchten Ländern sind die Emissionen aus der Entwaldung besonders relevant für Indonesien und Brasilien, aber auch für Argentinien und die USA.
Die Relevanz und das Potenzial der einzelnen Maßnahmen sind sowohl regional als auch national unterschiedlich. Diese hängen unter anderem von den wichtigsten Agrarprodukten, dem Grad der Intensivierung der Produktionssysteme, den klimatischen Bedingungen und Anpassungsbedarf an den Klimawandel, den kulturellen und sozioökonomischen Bedingungen und der Art des Agrarhandels ab. Vor allem in Ländern, in denen die Ernährungssicherheit nicht für die gesamte Bevölkerung gewährleistet ist, muss jede Minderungsmaßnahme im Zusammenhang mit den nationalen Entwicklungsprioritäten betrachtet werden.
Drei Hauptfaktoren bestimmen, wo das größte Minderungspotenzial in einem Land liegt:
• die Hauptquellen von Emissionen im Land
• der Fußabdruck der bestehenden landwirtschaftlichen Systeme in Bezug auf ihre Emissionsintensitäten (tCO2e/Tonne Produkt)
• die Nachhaltigkeit der Produktionssysteme
Solche Produktionssysteme sind häufig mit einem hohen Ressourceneinsatz verbunden, die Emissionen in anderen Sektoren verursachen (z. B. Düngemittelproduktion, Energieverbrauch auf dem Betrieb) oder zu höheren indirekten Emissionen durch vermehrte Düngemittelanwendung und/oder Futtermittelproduktion für die Nutztierhaltung führen, einschließlich Emissionen durch Entwaldung zur Landnutzung.
Das Beenden der landwirtschaftlichen Expansion, welche insbesondere in tropischen Ländern (z. B. Brasilien und Indonesien) zur Entwaldung führt, hat das größte Minderungspotential. Aber auch die Verringerung der Emissionen aus der enterischen Fermentation birgt ein erhebliches Minderungspotenzial, insbesondere durch nachfrageseitige Maßnahmen zur Verringerung des inländischen Verbrauchs von tierischen Produkten. Die enterische Fermentation ist in den meisten Ländern, einschließlich der Schwellenländer, die wirtschaftlich stark von der Ausfuhr tierischer Erzeugnisse abhängig sind, eine zentrale Emissionsquelle. Während das Minderungspotenzial bestimmter agrarökologischer Praktiken wie Deckfrüchte und verbesserte Fruchtfolge auf der Grundlage der Literatur als eher begrenzt eingeschätzt wird, bieten sie dennoch zahlreiche Zusatznutzen, indem sie z. B. die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels fördern. Zudem sind es Maßnahmen, die ohne wesentliche Nachteile oder Risiken in großem Umfang umgesetzt werden können.
Weiterhin sind landbasierte Minderungsmaßnahmen, die die Kohlenstoffvorräte auf landwirtschaftlichen Flächen erhöhen, eine attraktive Option für den Klimaschutz und haben ein recht hohes Potenzial, zusätzliche Senken zu schaffen. Dazu zählen z. B. die Wiederherstellung von Grasland und dieAgroforstwirtschaft/Silvopastoralismus, bei der Gehölze mit Weideflächen und Tierhaltung kombiniert werden. Es bestehen jedoch viele Risiken und Unsicherheiten hinsichtlich ihrer effektiven Umsetzung. Aktivitäten zur Speicherung von Kohlenstoff in Biomasse sollten die Dekarbonisierung, die im Agrarsektor zur Erreichung von Klimazielen und mit 1,5 °C kompatiblen Emissionspfaden erforderlich ist, nicht ersetzen.
Neben der Minderung von Treibhausgasen in der landwirtschaftlichen Produktion, ist es unerlässlich zu betonen, dass ein nachhaltiger Pfad zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C ohne Änderungen der Ernährungsmuster, hauptsächlich in industrialisierten Ländern, nicht realisierbar ist.
Landwirtschaft im Kontext internationaler Klimaverhandlungen
Die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, für den im Rahmen der Klimaverhandlungen unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ein eigener inhaltlicher Agendapunkt besteht. Zuerst als Agendapunkt mit dem Titel „Issues related to agriculture“ und später als die Arbeitsprogramme „Koronivia Joint Work on Agriculture“ (2017-2022) sowie „Sharm el-Sheikh joint work on implementation of climate action on agriculture and food security“ (2022-) werden sowohl wissenschaftliche Aspekte als auch Umsetzungsaspekte für die Treibhausgasminderung und Klimawandelanpassung in der Landwirtschaft diskutiert. Der Landwirtschaftssektor spielt auch eine wesentliche Rolle bei den nationalen Klimaschutzbeiträgen (NDCs) der Staaten unter dem Übereinkommen von Paris. Allerdings haben nur wenige Länder quantifizierte Sektorziele, also konkrete Zielwerte, für die Emissionsminderung in der Landwirtschaft oder Landnutzung. Der Landwirtschaftssektor ist daher ein Sektor, in dem eine Ambitionssteigerung beim Klimaschutz nötig und möglich ist. Dies sollte sich auch in den alle fünf Jahre vorzulegenden und jeweils ambitionierteren NDCs widerspiegeln.
Analysen für zehn Schwerpunktländer
Die Analysen zu Hemmnissen und Potenzialen für Klimaschutz im Landwirtschaftssektor im Allgemeinen werden in der länderspezifischen Analyse auf den nationalen Kontext angewendet werden, um konkret umsetzbare Ansätze für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft in 10 ausgewählten Schwerpunktländern zu identifizieren. Für Ägypten, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Großbritannien, Indonesien, Neuseeland, Südafrika und die USA werden die Potenziale für ambitionierten Klimaschutz in der Landwirtschaft auf der Basis der Literatur analysiert. Pro Land werden ausgewählte Minderungsmaßnahmen vertieft betrachtet und quantifiziert. In Länderpapieren werden diese Analysen zusammengefasst, sowie Hemmnisse für die Umsetzung der Minderungsoptionen identifiziert. Davon ausgehend werden Vorschläge zur ambitionierteren Minderungsanstrengungen der ausgewählten Länder erarbeitet und Instrumente und Maßnahmen zu deren Umsetzung vorgeschlagen. Die Ergebnisse in den Länderpapieren werden ausdrücklich wissenschaftliche Forschungsergebnisse und keine Handlungsempfehlungen für die untersuchten Staaten darstellen.