Funde von Tierarzneimitteln in der Umwelt
Umweltfunde von Arzneimittelwirkstoffen sowie von deren Abbau- und Transformationsprodukten liegen zumeist in sehr niedrigen Konzentrationen (Größenordnung: ng/l, µg bis mg/kg Gülle und ng bis µg /kg Boden) vor. Da die Wirkstoffe nicht einzeln, sondern in einer Mischung vorliegen, können auch Mischeffekte entstehen. Wie sich diese Mischeffekte verschiedener Wirkstoffe auf die Umwelt, Menschen und Tiere auswirken, ist bislang nicht untersucht.
Die unterschiedlichen Gruppen der Tierarzneimittel reagieren in der Umwelt sehr spezifisch. Grundsätzliche Abbau- und Umwandlungsprozesse der Wirkstoffe sowie ihrer Metaboliten und Transformationsprodukte im Boden sind teilweise bekannt, ihr Vorkommen, ihr Abbau, ihre Verlagerung und ihre Wirkung in der realen Umwelt hingegen oft noch unerforscht (siehe: Umweltwirkungen von Tierarzneimitteln). Dies gilt vor allem für einige sogenannte Altwirkstoffe, die bereits vor der Einführung der verbindlichen Umweltrisikobewertung auf dem Markt erhältlich waren (siehe: Umweltaspekte bei der Zulassung von Tierarzneimitteln).
Dennoch erscheint es auch bei lückenhaftem Stand der Wissenschaft sinnvoll, die Problematik von Tierarzneimitteln in der Umwelt auf Basis des Vorsorgeprinzips anzugehen. Wenn frühzeitig aufgrund erster Anzeichen eines möglicherweise wachsenden Problems sensibilisiert wird, können gemeinsam mit allen Akteuren Lösungen diskutiert werden.
Tierarzneimittel in der Umwelt: Eintrag, Abbau, Verlagerung und Verbleib
Bei Verabreichung von Tierarzneimitteln wird auch bei bestimmungsgemäßer pharmakologischer Verabreichung zumeist der größere Anteil (40 bis 90 %) wieder ausgeschieden und gelangt in die Gülle. Ein Vergleich verschiedener Studien zeigte, dass vor allem in Geflügel- und Schweinegülle höhere Konzentrationen von Antibiotika nachweisbar sind als in Rindergülle. Geflügelmistproben zeigten Konzentrationen von bis zu 17.000 µg Trimethroprim/kg Mist (siehe Abbildung: Funde von als Tierarzneimittel eingesetzten Antibiotika in der Umwelt). Die untersuchten Schweinegülleproben wiesen Rückstände zwischen 15.000 (Sulfonamide) bis 46.000 (Chlortetrazyklin) µg/kg Gülle auf.
Je nach Vorbehandlung und Lagerungsdauer der Gülle kann ihr Gehalt an Arzneimittelrückständen unterschiedlich ausfallen (siehe: Behandlung von Wirtschaftsdüngern). Tierarzneimittel können entweder gelöst in der flüssigen Phase der Gülle oder gebunden an feste Bestandteile vorliegen, wobei zum einen die chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs, aber auch die Beschaffenheit der Gülle einen Einfluss haben. An Feststoffe gebundene Tierarzneimittel werden mikrobiell nur vermindert abgebaut. Nur wenn sich der Wirkstoff wieder löst, kann ein solcher Abbau stattfinden.
Eintrag von Tierarzneimitteln durch die Ausbringung mit Wirtschaftsdüngern
Der Umwelteintrag von Tierarzneimittelwirkstoffen erfolgt hauptsächlich mit Wirtschaftsdüngern auf landwirtschaftliche Flächen. Gärreste aus Biogasanlagen, in denen Gülle mit Tierarzneimittelrückstanden eingesetzt wurde, tragen ebenfalls zum Eintrag in die Umwelt bei Verwertung als Dünger bei. Daneben gibt es den direkten Eintrag auf Weideflächen und Ausläufe sowie in angrenzende Gewässer über behandelte Nutztiere. Hier spielen auch Pferde und Schafe (Schafsbäder) eine Rolle. Außerdem können Tierarzneimittel durch Verschleppungen im Stall (siehe: Umweltaspekte bei Verabreichung von Tierarzneimitteln) und durch unsachgemäße Lagerung (siehe: Lagerung und Entsorgung von Tierarzneimitteln) in die Umwelt gelangen.
Tierarzneimittel werden im Boden abgebaut, angelagert und verlagert
An der Bodenoberfläche können die Wirkstoffe durch Lichteinwirkung physikalisch zersetzt werden. Diese Prozesse sowie der Abbau während der Lagerung kann die zum Teil hohen Konzentrationen, die in verschiedenen Studien in Gülle zu finden waren, verringern (vergleiche Abbildung: Funde von als Tierarzneimittel eingesetzten Antibiotika in der Umwelt). Die verbliebenen Tierarzneimittel können durch Versickerung weiter in den Boden gelangen. Sie können die Abläufe im Boden durch die Beeinflussung der Mikroorganismen stören (siehe: Umweltwirkungen von Tierarzneimitteln).
Im Boden ist das Transportverhalten abhängig von der Polarität, dem Anreicherungsverhalten der Substanz (Sorption) und von den Eigenschaften des Bodens. Anlagerungsreaktionen werden durch sauerstoffhaltige Bedingungen begünstigt (aerobe Adsorption). Viele Tierarzneimittel, wie Tetrazykline, Tylosin oder Fluoroquinolone, adsorbieren stark an Bodenpartikel. Inwieweit diese Wirkstoffe remobilisierbar sind, ist nicht geklärt. Obwohl kein flächendeckendes systematisches Monitoring für Tierarzneimittelrückstände in der Umwelt existiert, wurden in den letzten Jahren in verschiedenen Umweltmedien regelmäßig Antibiotikawirkstoffe nachgewiesen. Die Abbildung: Antibiotikarückstände in Gülle, Gärresten und Böden zeigt eine Auswahl an Antibiotika und deren nachgewiesenen Maximalkonzentrationen in Deutschland. Die Abbildung lässt aber keine Einschätzung der durchschnittlichen Konzentrationen in Gülle, Gärresten und Böden zu.
Tierarzneimittel werden in Gewässern und im Grundwasser nachgewiesen
Über den Boden können Tierarzneimittel bei Regen abgeschwemmt, durch Drainagen, das Sickerwasser in oberirdische Fließ- und Standgewässer oder in das Grundwasser eingetragen werden. Eingetragen werden vor allem wasserlösliche Stoffe, wie die Sulfonamid-Antibiotika. Bisher wurde die Gefahr einer Grund- und Trinkwasserbelastung durch Tierarzneimittel noch nicht flächendeckend untersucht. Projekte des Umweltbundesamtes und des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Kooperation mit Landwirten bestätigen eindeutig lokale Einträge von Tierarzneimitteln aus der Landwirtschaft in das oberflächennahe Grundwasser. Bisher bekannte Untersuchungen von Wasserversorgern in Niedersachsen bestätigen, dass bislang keine Arzneimittelrückstände aus der Veterinärmedizin im Trinkwasser nachgewiesen werden konnten.
Auch in den deutschen Ostseeküstengewässern konnten Arzneimitteleinträge nachgewiesen werden, z.B. Sulfamethoxazol welches auch im Veterinärbereich eingesetzt wird.
Die Landwirtschaft ist nicht die einzige Quelle für Arzneimittel in der Umwelt. Humanarzneimittel gelangen über Kläranlagenabläufe in oberirdische Gewässer. Befinden sich Brunnen mit einer Uferfiltratfunktion in der Nähe von Kläranlagen, können Humanarzneimittel nach der Passage durch die gesättigte Zone des Grundwasserleiters auch in das Grundwasser gelangen, das hier von den Brunnen zur Trinkwasserentnahme genutzt wird.
Tierarzneimittel in der Umwelt: Abbau, Verlagerung und Verbleib
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