Allgemeine Informationen
Biozidprodukte der Produktart 3 werden zur Desinfektion im Rahmen der Veterinärhygiene verwendet. Sie werden in Bereichen verwendet, in denen Tiere untergebracht, gehalten oder transportiert werden.
Der Veterinärbereich umfasst dabei:
- landwirtschaftliche Nutztierhaltung (Ställe, Aquakultur),
- tierärztliche Einrichtungen (Praxen, Tierkliniken),
- weitere Bereiche, in denen Tiere untergebracht sind, gehalten oder befördert werden (Viehtransport, Zoohandel),
- private Tierhaltung
In der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung werden Desinfektionsmitteln im Wesentlichen für die Desinfektion von Ställen, Brutstätten, Schuhwerk und Klauen, Melkanlagen und Tiertransportmitteln eingesetzt. Hinzu kommen direkt auf Tiere aufgebrachte Desinfektionsmittel ohne gegen akute Erkrankungen gerichteten therapeutischen Zweck (zum Beispiel. Desinfektion des Nabels neugeborener Kälber mit Jod, Zitzendesinfektionsmittel) und Mittel für Aquakulturen zum Beispiel gegen externe Parasiten. Ob es sich bei Produkten zur Anwendung am Tier um Biozide gemäß Verordnung (EU) 528/2012 oder um Tierarzneimittel gemäß der Verordnung (EU) 2019/6 handelt, ist vor allem bei Zitzentauchmitteln sowie bei Präparaten zur Abwehr von äußerlichen Parasiten oftmals schwierig zu entscheiden.
Weiterführende Informationen: BVL - FAQ zur Abgrenzung von Tierarzneimitteln und Bioziden
In Arztpraxen sowie in Tierkliniken werden im Wesentlichen Produkte zur Oberflächendesinfektion sowie zur Instrumentensterilisation angewendet.
Für den Privatbereich sind Desinfektionsmittel für die Tierumgebung (Tränken, Käfige, und so weiter), Mittel zur Abschreckung von Parasiten, sowie Desinfektionsmittel zur Anwendung direkt auf dem Tier auf dem Markt. Ein Einsatz von Desinfektionsmitteln in Privathaushalten auch für kleine Tiere sollte jedoch vermieden werden (siehe unten).
Informationsquellen für wirksame Produkte
Die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft DVG stellt Listen der nach den jeweilig gültigen Richtlinien und als wirksam befundenen Desinfektionsmittel zusammen. Die fortlaufenden Versionen dieser Listen kann über die Homepages des „Ausschuss Desinfektion“ der DVG recherchiert werden. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) erstellt ebenfalls Positivlisten der geprüften Produkte und vergibt ihr DLG-Gütezeichen unter anderem für Stalldesinfektionsmittel, Reinigungs- und Desinfektionsmittel für Melkanlagen und Molkereieinrichtungen und Euterhygiene.
Die verschiedenen Desinfektionsmittellisten und das Gütezeichen der DLG können als Produktlabel angesehen werden. Allerdings zielen diese Kennzeichnungen nicht primär auf den sicheren Umgang mit den Mitteln, sondern auf Wirksamkeit und Erfüllung des Einsatzzweckes. Da jedoch konkrete Anweisungen zu Konzentration, Einwirkzeit, etc. gegeben werden, helfen sie indirekt auch, eine unsachgemäße und möglicherweise gefährliche Anwendung (z.B. durch Überdosierung) zu vermeiden.
Alternative Maßnahmen für Professionelle Anwendungen
Biozidfreie Verfahren
Zur Desinfektion von Gegenständen und Geräten stellen thermische Verfahren grundsätzlich eine Alternative zu chemischen Verfahren dar. Bei der Flächendesinfektion mit heißem Wasser sind allerdings wegen der kaum einzuhaltenden notwendigen Temperatur von > 82 °C thermische Verfahren den chemischen unterlegen. Weitere alternative Verfahren wie UV-Bestrahlung und Abflammtechniken haben kaum Bedeutung. Das Kalken von Wänden, d.h. Wandanstriche mit Kalkmilch (Ca(OH)2 in Wasser) findet seit alters her insbesondere bei Wirtschaftsgebäuden breite Anwendung. Kalkanstriche sind aufgrund ihrer stark basischen Wirkung keimtötend. Allerdings sind Kalkmilch oder Calciumhydroxid aufgrund ihrer bioziden Wirkung ebenfalls als biozide Wirkstoffe anzusehen.
Informationen zu Bioziden für spezifische professionelle Anwendungen
In der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 sind in Anhang VII die zugelassenen „Mittel für die Reinigung und Desinfektion von Stallungen und Anlagen für die Tierproduktion“ gelistet. Die neue Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165 legt fest, dass dieser Anhang bis zum Vorliegen aktualisierter Anhänge weiterhin gilt. Die Liste schränkt die zur Reinigung und Desinfektion von Haltungs- und Stallungseinrichtungen und Gerätschaften zugelassenen Wirkstoffe im Vergleich zu den herkömmlich verwendeten Substanzen ein. Es handelt sich in der Mehrzahl um Seifen, Säuren und Laugen, Alkohol, aber auch Formaldehyd, Wasserstoffperoxid u.a.
Das Forschungsinstitut für ökologischen Landbau (FiBL) listet Betriebsmittel, die alle Anforderungen für den ökologischen Landbau in Deutschland erfüllen. Positiv bewertete Handelsprodukte werden in der Betriebsmittelliste veröffentlicht.
Sachgerechte Anwendungen
Berufliche (professionelle) Anwendungen
Desinfektionsmittel, die zur Anwendung auf Materialien und Oberflächen im Zusammenhang mit der Unterbringung oder Beförderung von Tieren angewendet werden, sowie bestimmte weitere für die Hygiene im Veterinärbereich verwendete Produkte sind zulassungspflichtig. Gemäß Artikel 22 der Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 werden die Bedingungen für die Vermarktung und die Verwendung des jeweiligen Biozidproduktes in der Zulassung rechtsverbindlich festgelegt. Die in der Gebrauchsanweisung aufgeführten Anwendungshinweise sind daher unbedingt vor der Anwendung zu lesen und zu beachten.
Soweit es sich bei den angewendeten Stoffen um Gefahrstoffe mit entsprechender Kennzeichnung handelt, müssen die Vorschriften des Gefahrstoffrechts beachtet werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auf die Bereitstellung geeigneter Schutzausrüstung zu achten, Unterweisungen durchzuführen und Betriebsanweisungen zu erstellen. Handlungshilfen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen finden Sie auf der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Tierarztpraxen und Tierkliniken unterliegen unter anderem den Regelungen des Arbeitssicherheitsgesetzes und der Unfallverhütungsvorschriften, die zum Beispiel die Einhaltung der Hygienevorschriften fordern. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gibt mehrere Broschüren heraus, die den Veterinärbereich betreffen.
Die TRBA 230 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Land- und Forstwirtschaft und vergleichbaren Tätigkeiten“ fordert die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen und daraus abgeleiteten baulichen, technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Im Umgang mit Nutztieren sind Mittel zum hygienischen Reinigen und Trocknen der Hände bereitzustellen. Arbeitsräume, Geräte und Stiefel sind regelmäßig und bei Bedarf mit geeigneten Arbeitsmitteln zu reinigen und gegebenenfalls. zu desinfizieren.
Anwendungen im Privatbereich
Für den Privatbereich werden in der Produktart 3 Mittel entweder zur Desinfektion von Käfigen, Tränken und sonstigen Gegenständen im Kontakt mit den Haustieren oder zur Anwendung direkt am Haustier angeboten. Desinfektionsmittel sollten sinnvoller Weise nur nach tierärztlicher Anweisung bei speziellen Fällen angewandt werden. In Privathaushalten wird der Einsatz von nicht medizinisch notwendigen Desinfektionsmitteln in der Regel nicht als erforderlich angesehen. Dies ist die übereinstimmende Einschätzung des UBA (Umweltbundesamtes), des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) und des RKI (Robert Koch-Institut). Es besteht die Gefahr, dass Desinfektionsmittel falsch angewendet werden, sich Resistenzen bilden und zusätzliche Risiken durch Vergiftungen mit Desinfektionsmitteln hinzukommen. Letztlich besteht sogar die Gefahr, dass sich die Anwender von Desinfektionsmitteln im Privatbereich in falscher Sicherheit wiegen und klassische Hygienemaßnahmen vernachlässigen.