Ziel der Studie
Ermittlung der Vulnerabilität der Stadt Berlin für verschiedene Handlungsfelder und entsprechender Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel, Entwicklung eines interdisziplinären Maßnahmenkatalogs
Erscheinungsjahr
Untersuchungsregion/-raum
Verwendete Klimamodelle / Ensembles
sechs regionale Klimamodelle
Temperatur, Niederschlag, Wind
2031-2060, 2071-2100
Klimawirkungen
- Menschliche Gesundheit
- Hitze- und kälteabhängige Erkrankungen oder Mortalitäten
- Gesundheitliche Auswirkungen von UV-Strahlung
- Gesundheitliche Auswirkungen von aerogenen Stoffen
„Wachsende Bevölkerungszahlen mit einem deutlich höheren Anteil auch an Hochbetagten – so die demographischen Prognosen für Berlin – deuten für die Zukunft auf eine erhöhte Verwundbarkeit hin. Die Folge: ein Anstieg der Krankenhauseinweisungen (Morbidität) und von Sterbefällen (Mortalität). Studien zufolge sind bereits in den Jahren 2001 – 2010 etwa 1.400 Berlinerinnen und Berliner pro Jahr zusätzlich allein aufgrund dieser Hitzeproblematik gestorben. Der Klimawandel bringt aber auch „schleichende“ Gesundheitsgefahren mit sich, weil er die Lebensbedingungen für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen allmählich verändert. Dadurch können auch neue Krankheitserreger – i.d.R. vermittelt über neue oder heimische Krankheitsüberträger („Vektoren“, z.B. Mäuse, Mücken oder Zecken) – in ein Gebiet wandern, das ihnen durch bestimmte Wetterbedingungen bislang „versperrt“ war. So könnten sich etwa Zecken, die Borreliose übertragen können und bislang für Berlin noch kein großes Problem darstellen, in Zukunft begünstigt durch die milderen Winter stärker ausbreiten. Beeinflusst vom Klimawandel lasen sich bereits gegenwärtig Verlängerungen der Blühperiode von Pflanzen und damit höhere Belastungen für an Pollinosis (Allergien, die durch den Luftweg übertragen werden) leidende Menschen nachweisen. Aktuell rd. 700.000 Berlinerinnen und Berliner dürften von dieser unangenehmen Krankheit in Zukunft noch stärker betroffen sein, die darüber hinaus bei Nichtbehandlung zu chronischem Asthma führen kann. Eine hohe Staubbelastung der Luft – die typisch ist für langanhaltende Hitzeperioden – begünstigt das Auftreten von Allergien zusätzlich. Schließlich darf das ansteigende Hautkrebsrisiko durch vermehrte Sonneneinstrahlung nicht unterschätzt werden: Bei Männern und Frauen gehören Hautkrebsfälle in den letzten Jahren (2000 – 2014) zu den zehn häufigsten und zunehmenden Krebsarten in Berlin.“ (S. 3f.)
- Bauwesen
- Schäden an Gebäuden, Bauwerken und zugehöriger Infrastruktur
„die Zunahme von Starkregenereignissen wird im stark versiegelten Stadtraum zu mehr Überflutungen führen – Straßenabschnitte und Keller stehen unter Wasser, U-Bahn-Schächte sind in Gefahr, die Kanalisation wird überlastet.“ (S.4)
- Wasser
- Gewässerzustand von Oberflächengewässern
- Abwasserbewirtschaftung / Entwässerung
„Einen schon länger bekannten Problemkreis stellt die Berliner Mischkanalisation dar, die Regenwasser zusammen mit Schmutzwasser abführt und aus historischen Gründen vornehmlich in der inneren Stadt sowie älteren Siedlungskernen wie in Spandau zu finden ist. Bei starker Belastung durch Regenfälle können nicht alle ihre Abwässer zu den Kläranalgen geleitet werden, sondern fließen ungeklärt in die Oberflächengewässer. Senat und Berliner Wasserbetriebe (BWB) investieren seit einigen Jahren in erheblichem Umfang in Maßnahmen zur Erhöhung des unterirdischen Speichervolumens. Der Klimawandel birgt das Risiko, durch mehr Starkregenereignisse den entlastenden Effekt dieser Investitionen deutlich herabzusetzen. Heißere Sommer können zukünftig auch mit längeren Trockenphasen einhergehen. Dadurch reduziert sich der Durchfluss durch die Kanalisation, es entstehen unangenehme Gerüche. Auch können sich der Wasserstand und die Fließgeschwindigkeit der Spree reduzieren.“ (S. 5)
„Steigende Temperaturen und die durch Starkregen bedingte Zunahme der Mischwasserkanalisationsüberläufe werden die Wasserqualität beeinträchtigen.“ (S. 7)
- Biologische Vielfalt
- Arten und Populationen
„Aber auch das Stadtgrün kann in heißen, trockenen Phasen unter Stress geraten und mehr Pflege benötigen. Schon heute können aufmerksame Naturbeobachter feststellen, dass sich die Wachstumsperioden vieler Bäume, Sträucher und Nutzpflanzen verändert haben. Auch Fische, Amphibien oder Vögel in Berlin zeigen veränderte Verhaltensmuster. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt sind schwierig abzuschätzen. Weltweit und auch in Deutschland tragen Entwaldung und Landwirtschaft noch am stärksten zum Biodiversitätsverlust bei. Aber in Zukunft wird der Klimawandel zu einer Verschiebung der Lebensräume führen und damit einzelne Arten unter Druck setzen.“ (S. 7)
- Energiewirtschaft
- Energiebedarf
- Energieinfrastruktur
„Der Klimawandel wird längerfristig den Heizenergiebedarf in milderen Wintern reduzieren, heißere Sommer werden umgekehrt die Nachfrage nach Gebäudekühlung ansteigen lassen. […]In Berlin liegt der größte Teil des Stromnetzes unter der Erde. Aber auch hier kann der Klimawandel gefährlich werden – etwa durch sog. „Sommerfrost“, d.h. Leitungsunterbrechungen durch Absenkungen des Erdreichs infolge längerer Trockenheit."
- Industrie und Gewerbe
- Betriebsanlagen (Assets)
- Arbeitskräfte und Beschäftigte
- Wettbewerbsfähigkeit
„Der Klimawandel erreicht die Wirtschaft im Wesentlichen über drei Wirkungspfade. Erstens können Extremereignisse die Gebäude und Anlagen gefährden, zweitens gibt es – je nach Branche und Unternehmen sehr unterschiedliche – Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Abläufe (von der Logistik über die Wasser- und Energieversorgung bis hin zur Entsorgung), und drittens schließlich kann der Klimawandel auch die Arbeitsproduktivität der Beschäftigen reduzieren, wodurch sich ebenfalls die Wertschöpfung mindern kann. Schätzungen zu den Wertschöpfungsverlusten durch Hitzewellen reichen, je nach Intensität und Dauer, von 0,03 Prozent bis zu 2,8 Prozent des heutigen Sozialprodukts. Mit Blick auf das Berliner Bruttoinlandsprodukt von 2015 wären das jährliche Schäden in Höhe von 37 Mio. € bis 3,5 Mrd. €.“ (S. 8)
- Verkehr
- Verkehrssicherheit
- Verkehrsinfrastruktur
„steigende Temperaturen führen zu mehr Unfällen. Allerdings hauptsächlich deshalb, weil bei wärmerem Wetter der Radverkehr zunimmt. Hitze- wie nässesensibel ist der Fußverkehr. Angesichts der Zunahme an Hitze- und Niederschlagsextremen muss die Sicherheit und Annehmlichkeit des Fußverkehrs in Berlin verbessert werden, etwa durch Überwegungen, schattenspendende Straßenraumgestaltung, Trinkbrunnen oder Arkaden. Schon heute leiden Berlins Straßenbeläge unter Hitzestress: auf Autobahnen bilden sich gefährliche Verwerfungen („Blow-ups“), dunkle Teerbeläge weichen auf.“ (S. 9)
- Tourismuswirtschaft
- Touristisches Angebot
- Touristische Infrastrukturen
„Viele Aktivitäten im Tourismus, in der Kultur und im Sport finden im Freien statt. Sie sind deshalb sensibel für Änderungen der klimatischen Rahmenbedingungen. Dabei bietet der Klimawandel hier auch klare Chancen für Berlin: die touristische Saison etwa dürfte sich verlängern, auch das Gastgewerbe könnte profitieren, z.B. durch attraktive Außenangebote, speziell, wenn für Verschattung gesorgt wird. Aber es gibt auch erkennbare Risiken. Tourist/-innen sind vermehrt Sonne und Hitze ausgesetzt und müssen von Informations- und Warnsystemen erreicht werden und Vorsorgestrukturen nutzen können. Schließlich werden die Außenanlagen im Sportbereich durch Trockenstress und Starkregen vermehrt Belastungen ausgesetzt sein, weshalb die Pflege, aber auch die Entwässerung auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt werden müssen.“ (S. 10)
- Bevölkerungsschutz
„Den AFOK-Klimaszenarien zufolge wird der Berliner Katastrophenschutz in mindestens zwei Hinsichten zukünftig stärker herausgefordert:
1. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Anzahl der wetterbedingten Einsätze bei sog. Alltagsgefahren zunehmen wird. Dies betrifft in erster Linie Überschwemmungen, Notfalleinsätze durch Hitzebelastungen und – in geringerem Umfang – auch Brände aufgrund zunehmender Trockenphasen.
2. Die Klimaszenarien deuten auf eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür hin, dass sich in naher, vor allem aber ferner Zukunft die Häufigkeit und der Charakter von außergewöhnlichen Schadensereignissen erhöhen/verändern werden.“ (S. 52)
Methodischer Ansatz
Vulnerabilitätsanalyse und Maßnahmenentwicklung für verschiedene Handlungsfelder
Wer war oder ist beteiligt?
Auftragnehmer: Potsdam Institut für Klimafolgenforschung e.V. (PIK)
Reusswig, F.; Becker, C.; Lass, W.; Haag, L.; Hirschfeld, J.; Knorr, A.; Lüdeke, M. K.B.; Neuhaus, A.; Pankoke, C.; Rupp, J., Walther, C.; Walz, S.; Weyer, G.; Wiesemann, E. (2016): Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Berlin (AFOK). Klimaschutz Teilkonzept. Hauptbericht. Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Sonderreferat Klimaschutz und Energie (SRKE). Potsdam, Berlin 2016