EU-Recht für Bauprodukte

Die Europäische Union verbindet den freien Handel mit sicheren Produkten. Hersteller müssen ihre Produkte im Binnenmarkt höchstens einmal pro Eigenschaft testen. Die Mitgliedstaaten der EU dürfen unterschiedlich strenge Schutzniveaus und Grenzwerte beibehalten. Die Europäische Harmonisierung von Prüfmethoden entlastet die Hersteller und ermöglicht einen Wettbewerb mit der Produktleistung.

Europäische Ziele

Wesentliches Ziel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist der Abbau von Handelshemmnissen innerhalb Europas (Artikel 26). Auch Bauprodukte sollen vom Mauerstein bis zur Tapete frei handelbar sein. Zur Realisierung des Binnenmarktes sieht die europäische Verordnung Nr. 305/2011 (EU-BauPVO) eine Harmonisierung vor. Die EU-BauPVO hat die bis 2013 gültige Bauproduktenrichtlinie 89/106/EWG (BPR) abgelöst.

Die Verordnung selbst bestimmt nur den Rahmen. Harmonisierte Europäische Normen oder Europäische Technische Bewertungen legen die nötigen technischen Details fest. Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung und damit für eine schrankenlose Vermarktung und Verwendung ist, dass ein Hersteller die geforderten Leistungen des Bauprodukts nach den Regeln der Verordnung erklärt. Denn jeder Mitgliedstaat darf fordern, dass die erklärten Leistungen eines Bauprodukts seinen Anforderungen für die vorgesehene Verwendung entsprechen.

Einschränkungen des freien Handels sind laut Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 36) zulässig, wenn der Schutz von Umwelt, Gesundheit oder Sicherheit dies erfordert. In diesem Sinne enthält die EU-BauPVO „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz“ als eine der sieben Grundanforderungen für Bauwerke. Die Verordnung lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Anforderungen festzulegen, die nach ihrer Auffassung notwendig sind, um den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und von Arbeitnehmern, die Bauprodukte verwenden, sicherzustellen.

Nationale Zwischenlösung

Fehlen die geforderten Eigenschaften in den harmonisierten Normen, ist bis zur vollständigen Harmonisierung, eine zusätzliche technische Dokumentation nötig, um die die Lücken zur Wahrung der bestehenden Schutzniveaus zu schließen. Nach der Neuordnung des deutschen Baurechts im Jahr 2016 stehen die in Deutschland geltenden Anforderungen in der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen. Die materiellen Anforderungen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz sind im Teil A3 und die Hinweise zu ihrer Dokumentation im Teil D3 beschrieben. Die Datenbank „Sichere Verwendung von Bauprodukten“ erläutert wo Lücken heute bestehen und wie Anwender sie bei der Produktausschreibung und –auswahl beheben können.

Meilensteine zur Europäischen Harmonisierung

Die Konkretisierung der Umwelt- und Gesundheitsanforderungen hat sich in der ersten und zweiten Generation der harmonisierten Normen nur ansatzweise verwirklichen lassen. Gründe dafür sind die unterschiedlichen oder nicht detailliert definierten Anforderungen in den Mitgliedsstaaten, die mangelnde Erfahrung mit Umwelt- und Gesundheitsanforderungen in den betroffenen Normungsgremien und die teilweise fehlenden oder uneinheitlichen Prüf- und Bewertungsmethoden.

Für die nächste Generation von Normen und Europäischen Technischen Bewertungen (bisher Zulassungen) sollten harmonisierte Prüfmethoden zur Verfügung stehen. Ein Mandat (Normungsauftrag) der Europäischen Kommission zur Entwicklung der notwendigen Prüfmethoden wurde im April 2005 an das Europäische Komitee für Normung, CEN, erteilt. Im April 2006 hat das CEN ein neues technisches Komitee, CEN TC 351 „Bewertung der Freisetzung gefährlicher Stoffe aus Bauprodukten”, das die mandatierten Aufgaben wahrnimmt, gegründet und ein Arbeitsprogramm festgelegt. Im DIN spiegelt der Fachbereich KOA 03: „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz” im Normenausschuss Bauwesen (NA005-53 FBR) die Arbeiten des CEN TC 351.

Insgesamt sind zur Umsetzung der EU-BauPVO über 600 harmonisierte Produktnormen und etwa 1500 Prüfnormen vorgesehen. Viele betreffen Produktgruppen mit potentiell kritischen Auswirkungen auf die Innenraumluft und Boden und Grundwasser, darunter Holzwerkstoffe, Bodenbeläge, Wandbeläge, Klebstoffe, Estriche, Wand- und Deckenverkleidungen, Putze, Mauersteine, Abdichtungen, Zemente, Gesteinskörnungen und Wärmedämmstoffe.

Bis 2015 sollte das CEN/TC 351 geeignete Prüfverfahren für alle Bauprodukte zur Verfügung stellen. Als erste der Prüfmethoden war die CEN/TS 16516 „Bewertung der Freisetzung gefährlicher Stoffe aus Bauprodukten — Bestimmung von Emissionen in die Innenraumluft“ seit Dezember 2013 verfügbar. Ab Januar 2018 hat dieses Prüfverfahren als DIN EN 16516 den Status einer vollvalidierten Europäischen Prüfnorm erhalten. Sobald die Prüfnormen als CEN/TS oder DIN EN zur Verfügung stehen, können (CEN/TS) und sollen (DIN EN) die technischen Komitees für Bauprodukte im CEN, diese in ihre harmonisierten Produktnormen übernehmen. Ab jetzt gehört eine Standardprüfung und -kennzeichnung nach DIN EN 16516 für alle emissionsrelevanten Bauprodukte, die in Innenräumen verwendet werden, zum Stand der Technik.

Nächste Schritte

Die Europäische Kommission präzisiert in Ergänzungen der Produktmandate für welche Stoffe und Bauprodukte eine Überarbeitung der Produktnormen notwendig ist. Bisher hat das CEN im Jahr 2010 drei Mandatsergänzungen zur Umsetzung der EU-BauPVO-Grundanforderung Hygiene, Gesundheit  und Umweltschutz in drei konkreten Produktgruppen von der Europäischen Kommission erhalten. Diese betreffen Wärmedämmstoffe, Bodenbeläge und Gesteinskörnungen. Weitere sieben Mandatsergänzungen sind Anfang 2013 dazu gekommen: Gips, Vollholz, Holzwerkstoffe, Mauerwerk, Wand- und Deckenbekleidung, Dachdeckung und  Flachglas.

Die mandatierten Anforderungen muss jedes betroffene Technische Komitee in sein Arbeitsprogramm übernehmen. Eine konkrete, der CE-Kennzeichnung begleitende Auskunft über Emissionen oder Schadstoffgehalte für Bauprodukte ist inzwischen möglich, aber bisher noch nicht in Produktnormen umgesetzt. Hier sieht das ⁠UBA⁠ dringenden Handlungsbedarf. Eine Übersicht über Stoffe und Parameter, die zumindest in einem Mitgliedstaat der EU Gegenstand einer Bauprodukte betreffenden Regelung sind, gibt die Indicative list of regulated dangerous substances possibly associated with construction products under the CPD (PDF). Anhand dieser Liste können auch diejenigen Produktkomitees, die noch keine Mandatsergänzung bekommen haben, prüfen, ob bei ihren Produkten Handlungsbedarf besteht.

Angaben zu ⁠VOC⁠-Emissionen in der CE-Kennzeichnung

Die deutsche Fassung der europäischen Prüfnorm DIN EN 16516 für die Bestimmung von Emissionen aus Bauprodukten in die Innenraumluft ist im Januar 2018 erschienen. Sie ist die Basis für Angaben zu gesundheitsrelevanten VOC-Emissionen in der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten für Innenräume. Spätestens Anfang 2019 sollte die Prüfung nach der EN 16516 in den ersten Produktnormen mit entsprechenden Normungsaufträgen der Europäischen Kommission umgesetzt sein.

Obwohl einige Technische Komitees erste Produktnormen bereits ergänzt haben, um die Emissionen ihrer Produkte angeben zu können, wird die VOC-Angabe in der CE-Kennzeichnung sich noch etwas verzögern. Es fehlt im Moment die notwendige Veröffentlichung der betroffenen Produktnormreferenzen im Amtsblatt der Europäischen Union. Erst wenn die Europäische Kommission ihre Freigabe hier erteilt hat, können die Hersteller mit einer CE-Kennzeichnung auf der Grundlage einer aktualisierten Produktnorm beginnen. Bei der Freigabe von Normtiteln für das Amtsblatt der EU gibt es derzeit Verzögerungen. Daher lässt sich der Zeitpunkt für den Start von CE-Kennzeichnungen mit Leistungsangaben für VOC nicht genau vorhersagen.

Solange es die CE-Kennzeichnung mit VOC-Angaben noch nicht gibt, empfiehlt das UBA allen Verwendern, einen freiwilligen VOC-Nachweis zu fordern, der die Einhaltung der Kriterien des AgBB-Bewertungsschemas und / oder der MVV TB bestätigt. Für Bauprodukte, die in der MVV TB geregelt sind, kann die erforderliche technische Dokumentation zum Beispiel ein DIBt-Gutachten, eine noch gültige bauaufsichtliche Zulassung oder eine Europäische Technische Bewertung sein (siehe auch unter https://www.sichere-bauprodukte.de/). Für weitere Bauprodukte für Innenräume, die die MVV TB noch nicht umfasst, ist ein Umweltzeichen wie der Blaue Engel oder eine produktscharfe Umweltproduktdeklaration als Nachweis geeignet (siehe auch Muster-Leistungsbeschreibung für schadstoffarmes Bauen und Renovieren).