Anlagensicherheit

Ziel von Anlagensicherheit und Störfallvorsorge ist es, Störungen in Anlagen, in denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, zu verhindern. Die Auswirkungen von Störungen, die dennoch eintreten, gilt es für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Bei diesen Arbeiten orientiert sich das Umweltbundesamt am Leitbild der "Nachhaltigen Produktion".

Nationale, europäische und internationale Anforderungen an die Anlagensicherheit

Zur Förderung der Anlagensicherheit forscht das ⁠UBA⁠ und unterstützt das Bundesumweltministerium sowie den Vollzug. Wir arbeiten in regelsetzenden Gremien mit und erfassen sowie analysieren national und international auftretende Störungen, um technische und organisatorische Maßnahmen zu deren künftiger Vermeidung oder zumindest Begrenzung zu entwickeln.

Rechtsvorschriften und Normen bilden die entscheidende Grundlage für die Festlegung von Anforderungen an die Anlagensicherheit. Daher bringt das UBA seine Expertise sowohl bei der Erarbeitung und Fortentwicklung von Rechtsvorschriften und Normen als auch bei der Unterstützung und Verbesserung ihrer Anwendung in die Vollzugspraxis ein.
Im Hinblick auf die nationalen Anforderungen sind hier vor allem folgende Gesetze und Verordnungen zu nennen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz

Anforderungen an Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb von Anlagen, die – auch durch Störungen – schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren verursachen können, stellt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (⁠BImSchG⁠). Insbesondere gilt die Pflicht zur Einhaltung des Standes der Technik. Das BImSchG unterscheidet zwischen Anlagen, deren Errichtung und Betrieb keiner Genehmigung bedarf und bei der nur schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern und zu mindern sind, sowie Anlagen, deren Errichtung und Betrieb einer Genehmigung bedarf und bei denen auch „sonstige Gefahren“ relevant sind.

EU-Seveso-Richtlinie und Störfall-Verordnung

Betriebe, in denen bestimmte gefährliche Stoffe ab festgelegten Mengenschwellen vorhanden oder vorgesehen sind, unterliegen der europäischen Seveso-II-Richtlinie (96/82/EG). Das gilt auch für Anlagen, bei denen davon auszugehen ist, dass solche Stoffe bei einem außer Kontrolle geratenen industriellen chemischen Verfahren anfallen. In Deutschland wurde die Seveso-II-Richtlinie hauptsächlich mit der zwölften Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (12. ⁠BImSchV⁠), der sogenannten Störfall-Verordnung (StörfallV), umgesetzt. An die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von sogenannten Betriebsbereichen werden durch die StörfallV besondere Anforderungen gestellt. Sie legt zum Beispiel Pflichten zur Einhaltung des Standes der Sicherheitstechnik, zur Anwendung eines Sicherheitsmanagementsystems sowie zur Ausarbeitung und Anwendung eines Konzepts zur Verhinderung von Störfällen fest. Für größere Betriebsbereiche gelten  sogenannte erweiterte Pflichten; hierzu gehört z.B.ein Sicherheitsbericht und Alarm- und Gefahrenabwehrplan.
Am 09. Januar 2017 ist die 12. BImSchV (StörfallV) novelliert worden, um die neue Seveso-III-Richtlinie (2012/18/EU) in nationales Recht umzusetzen.

Wasserhaushaltsgesetz

Soweit in Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird, ergeben sich Anforderungen an Errichtung, Beschaffenheit, Unterhaltung, Betrieb und Stilllegung aus Paragraf 62 f Wasserhaushaltsgesetz. Derartige Anlagen müssen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, unterhalten, betrieben und stillgelegt werden. Die Anforderungen des Gesetzes sollen in einer Bundes-Verordnung weiter präzisiert werden.

Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz

Bestimmte Leitungsanlagen („Rohrfernleitungen“) bedürfen einer ⁠Planfeststellung⁠ oder ⁠Plangenehmigung⁠ nach Paragraf 20 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Die Rohrfernleitungsverordnung und die Technische Regel Rohrfernleitungen bestimmen genauere Anforderung an Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb. Insbesondere müssen diese dem Stand der Technik entsprechen.

Mitarbeit in Gremien

Zahlreiche internationale, europäische und nationale Gremien befassen sich mit der Fortentwicklung von wissenschaftlichem Kenntnisstand, Grundsätzen, Leitfäden und Technischen Regeln sowie mit der Förderung des Vollzugs im Bereich Anlagensicherheit.

Auf internationaler Ebene arbeitet das Umweltbundesamt insbesondere in der Arbeitsgruppe Chemieunfälle der ⁠OECD⁠ und den Arbeitsgruppen zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Industrieunfallkonvention der ⁠UN⁠ Economic Commission for Europe (⁠UNECE⁠) mit.

Auf europäischer Ebene steht die Seveso-Richtlinie im Zentrum der Aktivitäten zur Anlagensicherheit. Ihre Umsetzung wird von einem ständigen Komitee der Mitgliedstaaten begleitet, in dem auch das Umweltbundesamt mitarbeitet.

Auf der nationalen Ebene lässt sich das Bundesumweltministerium in Fragen der Anlagensicherheit von der Kommission für Anlagensicherheit nach Paragraf 51a BImSchG beraten. Für den speziellen Bereich der Rohrfernleitungen wurde der Ausschuss für Rohrfernleitungen (AfR) als Beratungsgremium des Bundesumweltministeriums nach Paragraf 9 Rohrfernleitungsverordnung geschaffen. Der Ausschuss „Allgemeiner Immissionsschutz/Störfallvorsorge“ (AISV) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) bemüht sich unter anderem um eine bundeseinheitliche Umsetzung der Störfallverordnung durch die zuständigen Behörden der Bundesländer. Eine ähnliche Rolle nimmt der Bund/Länder-Arbeitskreis „Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ wahr. In diesen Gremien arbeitet das Umweltbundesamt aktiv mit. Es bringt seine Expertise darüber hinaus in verschiedene Gremien und Arbeitskreise zur Erarbeitung zum Beispiel von Technischen Regeln und Normen sowie Hilfen zum Vollzug der Rechtsvorschriften ein.

Übergreifende fachliche Themen

Bestimmte fachliche Themen sind für die Sicherheit von Anlagen grundsätzlich von Bedeutung, wenngleich sie in den rechtlichen Regelungen unterschiedlich berücksichtigt sind.

Stand der Technik/Stand der Sicherheitstechnik

Nach Paragraf 3 Absatz 6 ⁠BImSchG⁠ ist der Stand der Technik folgendermaßen definiert: „Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme […] zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, […] zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus insgesamt gesichert erscheinen lässt. […]“

Paragraf 2 Nummer 5 der 12. ⁠BImSchV⁠ bestimmt ergänzend: „Stand der Sicherheitstechnik [ist] der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Verhinderung von Störfällen oder zur Begrenzung ihrer Auswirkungen gesichert erscheinen lässt. […]“

Das ⁠UBA⁠ arbeitet an der Präzisierung und Fortentwicklung dieser Grundsatzanforderungen im Hinblick auf spezielle Themen, wie

  1. Vermeidung von Fehlbedienungen,
  2. Verhinderung von Eingriffen Unbefugter,
  3. Natürliche, umgebungsbedingte Gefahrenquellen.

Sicherheitsorganisation

Für die Sicherheit von Anlagen sind nicht nur Technik und menschliches Verhalten relevant, sondern auch die betriebliche Sicherheitsorganisation. Sicherheitsmanagementsysteme beinhalten nach Störfall-Verordnung folgende Elemente: Organisationsstruktur, Verantwortungsbereiche, Handlungsweisen, Verfahren, Prozesse und Mittel. Die Sicherheitsorganisation soll eine hohe Qualität bei der Errichtung, dem Betrieb, bei Änderungen, bei der Instandhaltung und Überwachung ebenso wie Planung für Notfälle gewährleisten und somit Störfälle verhindern und Störfallauswirkungen begrenzen. Das UBA hat Hilfestellungen erarbeitet, die zu einer Fortentwicklung des Sicherheitsmanagements genutzt werden können.

Risikokommunikation

Die qualifizierte Kommunikation über Risiken vor, während und nach einem Störfall oder einer Störung ist für den Schutz von Menschen und Umwelt bedeutsam. In Forschungsvorhaben wurde daher die Kommunikation vor Störfällen untersucht und Handlungshilfen ausgearbeitet.

Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen (⁠ZEMA⁠)

Durch die Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen (ZEMA) im Umweltbundesamt werden alle nach der StörfallV meldepflichtigen Ereignisse erfasst, ausgewertet und in einer Datenbank sowie Jahresberichten veröffentlicht. Die systematische Erfassung und Auswertung der Ereignisse soll Erkenntnisse liefern, die als wichtige Grundlage einer Weiterentwicklung des Standes der Sicherheitstechnik dienen können.