Sieben Fragen und Antworten zum Diesel

Ein Abgasrohr an einem Auto.zum Vergrößern anklicken
Luftschadstoffe aus dem Straßenverkehr haben negative gesundheitliche Wirkungen
Quelle: Stefan Redel / Fotolia.com

Nur neuste Dieselautos der Abgasstandards Euro 6d-TEMP und Euro 6d haben auch auf der Straße niedrige Stickstoffoxid-Emissionen. Ältere Dieselautos überschreiten hingegen die Euro-Grenzwerte für Stickstoffdioxid auf der Straße deutlich. Fakten zu Stickstoffoxid-Belastung, Software-Updates, Nachrüstung mit Katalysatoren und der Rolle von Dieselmotoren für den Klimaschutz.

1. Welchen Anteil haben Diesel-Pkw an der schlechten Luft in den Städten?

Diesel-Pkw sind die Hauptquelle für Stickstoffoxid in den Städten. Der Verkehrsbereich trägt zu rund 60 Prozent zur Stickstoffdioxid (NO2)-Belastung bei. Daran sind die Diesel-Pkw wesentlich beteiligt: Sie verursachen 65 Prozent der direkten NO2-Emissionen des Straßenverkehrs. Andere Fahrzeuge haben einen wesentlich geringeren Anteil. Busse zum Beispiel machen im Bundesdurchschnitt nur vier Prozent der Emissionen des städtischen Verkehrs aus. Auch Lkw- und Lieferverkehr sind mit zusammen rund 28 Prozent deutlich weniger an der Luftbelastung beteiligt als die Diesel-Pkw. Die lokale Industrie ist für etwa 3 Prozent der NO2-Belastung in deutschen Städten verantwortlich. Die privaten Heizungen einer Stadt tragen zu rund 7 Prozent zur NO2-Belastung bei.

2. Warum legt die EU einen NO2-Grenzwert für die Atemluft fest, der mit der Dieselflotte nicht eingehalten werden kann? 

Die Mitgliedstaaten der EU haben sich im Jahr 1999 darauf geeinigt, dass ab dem Jahr 2010 ein NO2-Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) überall eingehalten werden soll. Grundlage war eine entsprechende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Man ging damals davon aus, dass dieser Wert bei einem gleichbleibenden ⁠Verkehrsaufkommen⁠ in den Innenstädten und mit einer verbesserten Abgasreinigung innerhalb von 10 Jahren einhaltbar wäre. Nicht erwartet hatte man die – unter anderem durch Steuervorteile bedingte – höhere Zahl von Dieselfahrzeugen. Dennoch wäre der Luftgrenzwert an den meisten Orten einzuhalten gewesen, wenn die Realemissionen der älteren Diesel-Pkw nicht die Emissionen auf dem Rollenprüfstand deutlich überschritten hätten. 

3. Warum stoßen relativ junge Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 5 und 6a/b/c auf der Straße kaum weniger Stickstoffoxide aus als Fahrzeuge, die schon 10 Jahre oder noch älter sind?

Ein Grund liegt darin, dass zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs die Temperaturen beim Verbrennungsprozess gesteigert wurden und damit grundsätzlich mehr Stickstoffoxide direkt vom Motor gebildet werden. Damit haben anschließende Abgasnachbehandlungssysteme höhere Minderungsraten zu erbringen, um real niedrige Stickstoffoxidemissionen (NOx Emissionen) zu erreichen. Heutige Euro 5- und Euro-6-Diesel-Pkw haben daher bei unzureichender Auslegung der Abgasreinigung sehr hohe Stickstoffoxidemissionen. Das zeigt, dass vor Einführung von Euro 6d-TEMP und Euro 6d die Hersteller – zudem noch in Abhängigkeit der Modelle – die durchaus vorhandenen technischen Potenziale zur Minderung der Stickstoffoxidemissionen unterschiedlich stark nutzen. Teilweise findet bei diesen Fahrzeugen bei bestimmten Situationen im realen Fahrbetrieb (z. B. bei niedrigen Ansauglufttemperaturen) kaum eine aktive Stickstoffoxidminderung statt. Bei Vorhandensein einer selektiven katalytischen Reduktion (SCR) kam es bei diesen Fahrzeugen teilweise zu einer nicht vollständigen Ausnutzung der möglichen Minderung der Stickstoffoxide, da beispielsweise nicht ausreichend Harnstoff dem Katalysator zudosiert wird. Erst modernste Diesel-Pkw der Normen Euro 6d-TEMP bzw. Euro 6d zeigen auch im Betrieb auf der Straße ein niedriges Emissionsniveau.

Im Durchschnitt führt dies zu deutlich höheren durchschnittlichen Stickstoffoxidemissionen im realen Fahrbetrieb auf der Straße im Vergleich zu auf dem Rollenprüfstand gemessenen Werten bei der Überprüfung der Abgasgrenzwerte: Ein Euro 4-Diesel-Pkw hat heute auf der Straße durchschnittlich mit 1.087 Milligramm pro Kilometer (mg/km) rund viermal höhere NOx-Emissionen im Vergleich zum Grenzwert (Euro 4-Grenzwert: 250 mg NOx/km). Bei Euro 5-Diesel-Pkw ist es schon fünfmal höher (real: 968 mg NOx/km, Grenzwert: 180 mg NOx/km). Bei Euro 6-Diesel-Pkw (6a/b/c) liegen die realen NOx-Emissionen sogar um mehr als den Faktor 7 über dem Grenzwert (real: 630 mg NOx/km, Grenzwert: 80 mg NOx/km). Moderne Diesel-Pkw der Normen Euro 6d-TEMP und 6d liegen im Schnitt deutlich unter dem gleichen Grenzwert (Quelle: Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, Version 4.1; für das Jahr 2018). Die hohen Emissionen resultieren teilweise auch aus Alterungseffekten, die für Euro 4 Diesel Pkw aufgrund des inzwischen hohen Fahrzeugalters deutlich ausgeprägter sind.

Auch bei einem Technologievergleich, das heißt bei Annahme gleicher Laufleistung von 50.000 km und damit einer Vereinheitlichung dieser Alterseffekte, werden jedoch insgesamt hohe Emissionen beobachtet, die deutlich über dem Grenzwert liegen. Euro 4-Diesel-Pkw liegen dann mit 989 mg NOx/km nahezu gleichauf zu Euro 5 Diesel Pkw mit 950 mg NOx/km. Euro 6 a/b/c Diesel Pkw stoßen bei der standardisierten ⁠Fahrleistung⁠ von 50.000 km durchschnittlich 614 mg NOx/km aus.

4. Woran erkenne ich Neufahrzeuge, die wenig Stickoxide ausstoßen? Soll ich mir überhaupt noch einen Diesel kaufen?

Wirklich sauber sind nur Autos ohne Verbrennungsmotor – beispielsweise Elektroautos oder Autos mit Brennstoffzellen. Sie stoßen im Betrieb lokal keine Stickstoffoxide aus. Auch Benziner (bei Direkteinspritzern mit Partikelfilter bzw. mit der Norm Euro 6c oder moderner) sind sehr sauber, da es strenge Grenzwerte gibt, die die Fahrzeuge auch real auf der Straße einhalten. Mit Hybrid- oder Gasautos sind Autofahrerinnen und Autofahrer ebenfalls vergleichsweise sauber unterwegs. Wer unbedingt einen Diesel kaufen möchte, sollte auf die Norm Euro 6d-TEMP oder Euro 6d achten. Denn neu bedeutet nicht immer auch gleich sauber. Selbst relativ aktuelle Diesel mit Euro 6a, b oder c halten die Grenzwerte auf der Straße oft nicht ein. Sie stoßen im realen Fahrbetrieb durchschnittlich bis zu siebenmal mehr Stickstoffdioxide aus, als nach dem Grenzwert erlaubt. Generell gilt: Kleine Autos sind schadstoffärmer und umweltfreundlicher als große.

5. Bringen die Software-Updates etwas für die Luft in den Städten?

Ja, allerdings wird die Luft dadurch nur geringfügig besser. Seit 2016 haben Software-Updates in einem begrenzten Umfang zur Verringerung der NO2-Belastung beigetragen. Modellierungen von Anfang 2020 zeigen, dass Softwareupdates und Flottenerneuerung im Jahr 2019 eine Minderung von ein bis zwei Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter (µg NO2/m³) im Jahresmittel bewirkten. Davon sind rund drei Viertel auf die geringeren Emissionen neuer Fahrzeuge zurückzuführen. Lediglich ein Viertel der Minderung ergibt sich durch die Wirkung der Softwareupdates (rund 0,25 bis 0,50 µg NO2/m³). Mit einer weiteren Umsetzung der Software-Updates ist auch 2020 mit einer gewissen zusätzlichen NO2-Minderungen auszugehen.

6. Kann ich meinen alten Diesel-Pkw mit einem Stickstoffoxid Katalysator nachrüsten lassen?

Bei älteren Diesel-Pkw (Euro 5 und älter) ist im Serienzustand überwiegend keine wirksame Technik verbaut, um Stickoxide auf Grenzwertniveau im praktischen Betrieb auf der Straße zu mindern. An diesen Fahrzeugen sind Softwareupdates nur eingeschränkt wirksam. Diese „alten“ Diesel sollten mit so genannten SCR-Katalysatoren (selektive katalytische Reduktion) nachgerüstet werden. Dafür hat die Bundesregierung den rechtlichen Rahmen mit Anforderungen an Stickoxid-Minderungssysteme (aktuelle Fassung vom 12. Juli 2019) geschaffen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erteilt seitdem allgemeine Betriebserlaubnisse für Nachrüstsysteme, die diesen Anforderungen genügen. Nachgerüstete Fahrzeuge sind nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz im Falle von Fahrverboten von diesen ausgenommen – abgesehen von Einzelfällen, wenn die schnellstmögliche Einhaltung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid anderenfalls nicht sichergestellt werden kann. Die Kostenübernahme für die Umrüstung haben derzeit lediglich zwei Automobilhersteller unter bestimmten Bedingungen zugesagt.

Bei einzelnen Nachrüstsystemen konnten bei einem Euro-5-Diesel-Pkw mehr als 90 Prozent Minderung der Stickstoffoxidemissionen im realen Betrieb erreicht werden. Die Zulassungsanforderungen für Nachrüstsysteme erlauben eine Stickstoffoxid-⁠Emission⁠ von höchstens 270 Milligramm pro Kilometer im praktischen Betrieb und in einem Testtemperaturbereich von 5°C bis 30°C.

Um durch Nachrüstung einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität in mit Stickstoffdioxid hoch belasteten Städten zu erreichen, muss ein hoher Prozentsatz der Euro-5-Diesel-Pkw nachgerüstet werden. Nur durch flächenbezogene Dieselfahrverbote könnte dies in Städten mit aktuell noch deutlichen Überschreitungen der NO2-Grenzwerte initiiert werden, da nachgerüstete Fahrzeuge von Fahrverboten in der Regel (siehe oben) ausgenommen sind. Zudem müssten die Automobilhersteller die Kosten für die Nachrüstung zumindest teilweise übernehmen. 

7. Brauchen wir den Diesel nicht für den ⁠Klimaschutz⁠?

2019 lagen die Kohlendioxid-Emissionen von neu zugelassenen Benzin-Pkw im Flottendurchschnitt mit 157,6 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer (g CO2/km) unter denen von Diesel-Pkw mit 167,6 g ⁠CO2⁠/km. Der Gesamtdurchschnitt aller neuen Pkw lag übrigens sogar bei lediglich 157 g CO2/km – aufgrund der Hybrid- und Elektroautos. Vom Diesel als Klimaretter kann also keine Rede sein.

Der Vorteil der Diesel-Pkw besteht nur auf dem Papier. Bei gleicher Motorisierung stoßen Diesel-Pkw theoretisch zwar bis zu 15 Prozent weniger CO2 aus als Benziner. Die Realität sieht aber anders aus – SUV und hochmotorisierte Fahrzeuge werden meist mit Diesel-Motoren ausgestattet, um den Spritverbrauch in einem erträglichen Rahmen zu halten. So kamen und kommen diese Fahrzeuge mehr und mehr in den Markt. Inzwischen ist jeder fünfte neue Pkw ein SUV. Dies spiegelt sich bei der Leistung und beim Gewicht der Neuwagenflotte wider: Mit 120 kW und 1.701 kg lagen 2016 Diesel-Pkw 21 kW bzw. 387 kg über den Werten von Benzin-Pkw. Die entsprechend höheren Verbräuche dieser schweren und leistungsstarken Dieselautos zehren den CO2-Vorteil auf. Die Folge: Neue Diesel haben im Flottendurchschnitt schlechtere CO2-Werte als neue Benziner. 

Wie es anders geht, zeigen die Niederlande: Dort waren 2018 die durchschnittlichen CO2-Emissionen der Pkw-Neuwagenflotte mehr als 20 g CO2/km niedriger als in Deutschland (im damals noch zugrunde liegenden Fahrzyklus NEFZ: Niederlande 107 g CO2/km, Deutschland 128 g CO2/km). Noch 2004 waren die CO2-Flottenwerte beider Länder im NEFZ identisch [ca. 172 g CO2/km]. Dabei haben die Holländer wenig Lust auf Diesel: Nur knapp 13 % der neu zugelassenen Autos waren 2018 Selbstzünder, bei uns waren es fast jedes dritte (rund 32 %). Worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen? Die Niederlande haben, anders als in Deutschland, die Besteuerung für den Kauf und den Besitz der Fahrzeuge stark an CO2-Emissionen ausgerichtet, selbst die Dienstwagenbesteuerung. Der Kauf hochmotorisierter Fahrzeuge mit hohem Verbrauch wird in den Niederlanden also finanziell bestraft, in Deutschland hingegen nicht.

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