40 Jahre Genfer Luftreinhaltekonvention

Nachgefragt: Genfer Luftreinhaltekonvention

Nachgefragt: Genfer Luftreinhaltekonvention

Im Dezember 2019 begeht die Genfer Luftreinhaltekonvention ihr 40-jähriges Bestehen. Als internationales Übereinkommen trägt sie seit 1979 wesentlich dazu bei, weiträumige grenzüberschreitende Luftschadstofftransporte und durch sie hervorgerufene Umweltprobleme zu mindern. Die enge Verknüpfung wissenschaftlicher und politikorientierter Arbeitsgruppen erweist sich bis heute als Erfolgskonzept.

Inhaltsverzeichnis

 

Umweltwirkungen weitab vom Verursacher erfordern internationales Handeln

In den 1970 er Jahren rüttelten Schlagzeilen über das “Waldsterben” in Deutschland und Mitteleuropa oder große Fischsterben in skandinavischen Gewässern die Öffentlichkeit auf. Umweltbeobachtung und Atmosphärenforschung wiesen nach, dass Luftschadstoffe weiträumig und grenzüberschreitend transportiert werden und fernab vom Emissionsort Umwelt- und Gesundheitsrisiken verursachen. Um diese grenzüberschreitenden Umweltbelastungen zu mindern, unterzeichneten 1979 dreißig europäische Länder, die USA und Kanada unter Schirmherrschaft der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (⁠UNECE⁠) die Genfer Luftreinhaltekonvention (Convention on Long-range Transboundary Air Pollution, CLRTAP ). Inzwischen arbeiten 48 Staaten Europas und Vorderasiens, die USA und Kanada sowie die Europäische Union als „Vertragsparteien“ erfolgreich in der Konvention zusammen.

 

Die Genfer Luftreinhaltekonvention erarbeitet international verbindliche Abkommen zur Luftreinhaltung

In den 40 Jahren ihres Bestehens brachte die Konvention acht völkerrechtlich verbindliche Protokolle hervor. Darin verpflichten sich die Mitgliedsstaaten den Schadstoffausstoß in die ⁠Atmosphäre⁠ durch Anwendung moderner Technologien zu mindern sowie die Emissionssituation regelmäßig zu erfassen und an die Konvention zu berichten. Die konkreten Anforderungen an die einzelnen Staaten werden so ausgehandelt, dass möglichst ein Optimum zwischen geringem volkswirtschaftlichen Aufwand für die Minderungsmaßnahmen und hohem Nutzen für die Umwelt erreicht wird. Die Protokolle enthalten auch Festlegungen zur Umweltbeobachtung, zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit sowie zum Informationsaustausch zwischen den Parteien. Das jüngste ist das 2005 verabschiedete Göteborg-Protokoll, dessen aktualisierte Fassung am 07.10.2019 völkerrechtlich in Kraft getreten ist . Es zielt auf die gemeinsame Verminderung von ⁠Versauerung⁠, ⁠Eutrophierung⁠, Feinstaub und den Vorläuferstoffen des bodennahen Ozons ab. Auch in Zukunft wird die Genfer Luftreinhaltekonvention ihre Arbeit besonders auf diese Schadstoffgruppen ausrichten, wobei die zu hohen Stickstoffemissionen, die zu zahlreichen Umweltproblemen führen, einen besonderen Schwerpunkt bilden werden. Darüber hinaus befasst sich die Konvention mit Schwermetallen und persistenten organischen Verbindungen. Ein strategisches Ziel ist es, in ihrer Arbeit Luftreinhaltung, ⁠Klimaschutz⁠ und Schutz der biologischen Vielfalt noch besser miteinander zu verknüpfen.

Drei aktuelle Protokolle der CLRTAP
Tabelle 1: Drei aktuelle Protokolle der CLRTAP
Quelle: UBA
 

Eine besondere Erfolgsgeschichte: Versauerung ist heute vielerorts kein Thema mehr.

Die Luftreinhaltekonvention trug wesentlich zur Durchsetzung emissionsmindernder Maßnahmen in den Unterzeichnerstaaten bei. Durch die Einführung der Rauchgasentschwefelung und schwefelarmer Brennstoffe konnte der Ausstoß von Schwefel in die ⁠Atmosphäre⁠ in Europa und Deutschland seit 1990 um etwa 80 beziehungsweise 90 Prozent verringert werden. Die geringeren Einträge von Säure wirken sich positiv in den Ökosystemen aus. Die Ökosystemflächen Deutschlands mit Versauerungsrisiko (⁠Critical Loads⁠-Überschreitung siehe Abbildung) verminderten sich im Zeitraum von 2005 bis 2015 um 25 Prozent. Oberflächengewässer in Deutschland erholen sich allmählich von den Schäden durch ⁠Versauerung⁠, empfindliche Organismen kehren in die Lebensräume zurück . Böden reagieren langsamer als Gewässer. Die Ergebnisse der zweiten Bodenzustandserhebung im Wald (Thünen Report 43, 2016) belegen jedoch im Vergleich zur ersten Erhebung in den 1990er Jahren erste Erholungstendenzen. In den noch verbliebenen Regionen mit Versauerungsrisiko kann eine Verbesserung vor allem durch Minderung der Stickstoffeinträge in die Ökosysteme erreicht werden.

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Eine einzigartige Verbindung von Wissenschaft und Politik

Die Genfer Luftreinhaltekonvention stützt ihre politischen und strategischen Beschlüsse auf sehr breit angelegte wissenschaftliche Untersuchungen und deren Ergebnisse.  Zu diesen gehören umfangreiche Umweltbeobachtungsprogramme, die nach abgestimmten Methodenvorschriften arbeiten und wesentlich durch die Vertragsparteien finanziert werden. Einige Programme sind durch ihre räumliche Ausdehnung und Dichte sowie die Länge der Beobachtungszeitreihen weltweit einzigartig. Weitere wissenschaftliche Arbeitsgruppen modellieren Luftschadstofftransporte und -einträge in Böden und Gewässer oder bewerten und kartieren die Risiken für Ökosysteme, die menschliche Gesundheit oder für Bauten und Kulturdenkmäler. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Modellierung ökologischer Belastungsgrenzen, englisch „Critical Loads “.  ⁠Critical Loads⁠ und die Berechnung ihrer Überschreitung durch die tatsächlichen Einträge sind zentrale Instrumente der Risikobewertung für die ⁠Versauerung⁠, ⁠Eutrophierung⁠ sowie für Schwermetalleinträge in Ökosysteme. Eine Arbeitsgruppe für Integrierte Bewertungen (Task Force on Integrated Assessment Modelling, TFIAM) schafft wichtige Informationsgrundlagen für die angestrebten politischen Regelungen, indem sie für unterschiedlich ambitionierte und kostenaufwändige Emissionsminderungen den Nutzen für Umwelt und Gesundheit berechnet und optimiert.

Das enge Zusammenwirken der wissenschaftlichen Programme mit politisch-strategisch ausgerichteten Arbeitsgruppen der Konvention, die die internationalen Vereinbarungen vorbereiten, die starke Unterstützung durch die mitwirkenden Parteien,  der umfangreiche Austausch von Wissen zwischen ihnen sowie die Unterstützung wirtschaftlich schwächerer Länder bei ihren Bestrebungen für saubere Luft sind  wichtige Bausteine des Erfolgs. Die Europäische Union und einige weltweite Konventionen zum Umweltschutz, beispielsweise das ⁠UN⁠ Übereinkommen von Minamata über Quecksilber, greifen auf Ergebnisse und Erfahrungen der Luftreinhaltekonvention zurück und stützen ihre eigenen Regelungen auf dieses Wissen.

Abb. Struktur der CLRTAP
Abb. Struktur der CLRTAP
Quelle: UBA
 

Wie das Umweltbundesamt in der Genfer Luftreinhaltekonvention mitwirkt

Mitarbeitende im Umweltbundesamt vertreten Deutschland in zahlreichen Arbeitsgruppen der Konvention. Das Umweltbundesamt berichtet jährlich über die Emissionen der Luftschadstoffe sowie Daten aus Umweltbeobachtungsprogrammen des Bundes und der Länder an die jeweils zuständigen europäischen Datenzentren. Beispiele dafür sind das Luftmessprogramm des Umweltbundesamtes, das dem Europäischen ⁠Monitoring⁠- und Bewertungsprogramm für Luftschadstoffe (EMEP ) unter der Konvention zuarbeitet, die Mitarbeit in der Task Force on ⁠Emission⁠ Inventories and Projection (TFEIP) bzw.  das Nationale Zentrum für das Internationale Kooperativprogramm für Wirkungen von Luftverunreinigungen auf Gewässer, das Daten aus dem Versauerungsmonitoring der Länder an das Datenzentrum des Programms in Norwegen berichtet.  Ein solches Datenzentrum ist auch das im Jahr 2018 im Umweltbundesamt etablierte „Coordination Centre for Effects“, in welchem Daten und Hintergrundinformationen zu ⁠Critical Loads⁠ aus den Mitgliedsländern der Konvention zusammengeführt und europäische Auswertungskarten erstellt werden. Facheinheiten des Umweltbundesamtes organisieren jährliche Tagungen der Arbeitsgruppen sowie wissenschaftliche und strategische Workshops oder unterstützen andere Länder über Beratungshilfeprogramme.