KUNTIKUM - Klimatrends und nachhaltige Tourismusentwicklung in Küsten- und Mittelgebirgsregionen

Hintergrund und Ziele

Der Tourismus ist ein äußerst wettersensibler Wirtschaftszweig. Wie diese Branche auf den ⁠Klimawandel⁠ reagieren, Bedrohungen abwenden und neue Erfolgspotenziale bilden kann, sind die wichtigsten Forschungsfragen dieses Projekts. Laut Klimaprojektionen werden sich in der Modellregion Hochschwarzwald die Wintersportbedingungen verschlechtern. Die Modellregion Nordseeküste ist u.a. mit einem Anstieg des Meeresspiegels konfrontiert. Überdies ist deutschlandweit eine Zunahme von Extremwetterlagen zu erwarten.

Bisherige Studien über Tourismus und Klimawandel lassen darauf schließen, dass die Tourismuswirtschaft bisher Effekte des Klimawandels nicht umfassend in Managementprozesse integriert hat. Vor diesem Hintergrund wurden die zwei Modellregionen ausgewählt - Nordsee und Schwarzwald - und folgende Ziele formuliert:

  1. Analyse von Trends für Klimawandel und Tourismus in den Modellregionen;
  2. Entwicklung von Strategien für neue Produkte und Infrastrukturen in den Modellregionen;
  3. Kompetenz-Bildung für klimarelevante Entscheidungsfindung in den Modellregionen;
  4. Synthese der Ergebnisse in einem integrierten Konzept.

Daraus ergibt sich folgende Projektstruktur:

  1. Diagnose: In der ersten Phase werden der Status quo und die zu erwartenden Trends in Tourismus und ⁠Klima⁠ analysiert. Die Projektpartner aus Wissenschaft und Praxis legen fest, welche Daten relevant für die Entscheidungsfindung sind und wie die bisherige Tourismuswirtschaft und -politik beschaffen ist.
  2. Bewertung: In der zweiten Phase werden die (vorläufigen) Ergebnisse der Diagnose in Bezug zu den spezifischen Herausforderungen der Modellregionen und den wirtschaftlichen Ziele der Praxispartner bewertet. Basierend auf dieser Bewertung werden Handlungsfelder identifiziert.
  3. Gestaltung: Die dritte Phase widmet sich der Strategieentwicklung für neue Infrastrukturen und Tourismusprodukte. Eine Kombination von Partizipation und Brainstorming-Methoden wird zur Förderung des gemeinsamen Lern- und Entscheidungsfindungprozess eingesetzt.
  4. Evaluation: In der abschließenden Phase werden schließlich die Umsetzungsmöglichkeiten und -grenzen erörtert sowie der Ertrag der transdisziplinären Forschung für eine vorausschauende Anpassung des Tourismussektors an den Klimawandel von Wissenschaft und Praxispartnern evaluiert.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Baden-Württemberg
  • Niedersachsen
Naturräumliche Zuordnung
  • Alb und nordbayerisches Hügelland
  • Küste
  • Nordwestdeutsches Tiefland

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Simulationsberechnungen aus regionalen Klimamodellen und aus empirischem "⁠Downscaling⁠"; Analyse von thermischen/human-biometeorologischen (z.B. Physiologisch-Äquivalente-Temperatur), physikalischen (z.B. Niederschlag und Wind) und ästhetischen (Sonnenschein und Bewölkung) Faktoren in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung.

Parameter (Klimasignale)
  • Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten
Weitere Parameter 

Verschiebung von Schneezonen und Eiszonen, Zunahme extremer Wetterlagen;

auch Bioklima, thermische Behaglichkeit und Wahrnehmungsaspekte des Klimas/Wetters

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

Betrachtete ⁠Klimafolgen⁠ sind die Verschlechterung der Wintersportbedingungen, die Gefährdungen der touristischen Infrastruktur durch den Meeresspiegelanstieg, die negativen Auswirkungen von Extremwetterereignissen sowie aus dem ⁠Wetter⁠ und ⁠Klima⁠ resultierende begünstigende Faktoren für den Tourismus.

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung stellen gerade den Tourismussektor vor große Herausforderungen. Dabei können die klimatischen Veränderungen einerseits sehr direkt Wettersituation und Saisonverlauf in den Reisedestinationen beeinflussen. Da es hier um mehr als nur Niederschlag und Sonne geht, werden im Projekt alle klimawandelbedingten Aspekte des Tourismuspotenzials betrachtet und analysiert. Darüber hinaus gibt es aber auch eine Vielzahl indirekter klimatischer Einflüsse. So sind im Zuge der globalen Erwärmung auch Veränderungen von Landschaftsbild und Naturhaushalt der Destinationen zu erwarten. Die Voraussetzungen für die touristische Nutzung einer Region können also durch den ⁠Klimawandel⁠ gravierend verändert werden. Daher werden auch die Folgen für Landschaften und Ökosysteme analysiert. Aus veränderten Bedingungen am Reiseort lässt sich allerdings nicht direkt auf Veränderungen der touristischen Nachfrage schließen. Hier spielen weitere Kriterien eine Rolle. Ganz besonders wichtig ist, wie die Destination aus Sicht der Touristen wahrgenommen und beurteilt wird.

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

wird anhand von Expertenworkshops analysiert

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

In zwei Modellregionen Deutschlands soll der Tourismus an die sich wandelnden Klimabedingungen angepasst werden. In diesen Modellregionen ist die Innovations- und Lernfähigkeit in Tourismuswirtschaft und -politik so zu stärken, dass zukunftsfähige Produkte und Infrastrukturinnovationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung entstehen. Als Endergebnis soll ein Konzept zur Förderung von Kompetenzen im Themenfeld "Tourismus und ⁠Klimawandel⁠" vorliegen, von dem auch andere Tourismusregionen profitieren können (Aufbau einer Informations- und Kommunikationsplattform mit einem Weiterbildungsmodul).

Maßnahmen und Strategien im Bereich Küste hinsichtlich Anstieg des Meeresspiegels und Küstenerosion sowie Extremwetterereignisse und Stürme sind z.B.:

  • Verzicht auf den küstennahen Bau von Tourismusinfrastruktur, -einrichtungen und verkehrlicher Infrastruktur;
  • Verbesserung der baulichen Infrastruktur (z.B. Gebäude auf Stelzen bauen) und Bau von sturmsicherer Tourismusinfrastruktur und -einrichtungen (z.B. Fensterläden);
  • Versicherungsabdeckung von Infrastrukturschäden und anderen Schäden;
  • vorsorgende Regionalplanung zur Abdeckung von Kosten für Anpassungsmaßnahmen und Versicherungszahlungen;
  • Einführung eines Risikomanagements;
  • Entwicklung eines Frühwarnsystems;
  • Erstellung von Evakuierungsplänen und Notfallversorgungsplänen;
  • Preisdifferenzierung der Haupt- und Nebensaison verändern;
  • Angepasste Tourismusattraktionen durch Mischung aus Outdoor- und wetterunabhängigen Indoor- Angeboten;
  • Ansprache des Themas in den Tourismusangeboten durch z.B. "Schlecht-⁠Wetter⁠-Tipps" mit Alternativtätigkeiten;
  • Gründung von Organisationen, die das Thema Klimawandel in Küstenregionen in der Öffentlich bekannt machen.

Maßnahmen und Strategien für Mittelgebirge sind z.B.:

  • Technische Lösungen: künstliche Beschneiung (teuer, schmilzt bei höheren Temperaturen);
  • höhere und nördliche Hänge nutzen;
  • Ausweitung des touristischen Angebots auf Herbst und Frühling (z.B. bei Rundreisen, Wellness, Kulturreisen);
  • Skitourismus auf wenige geeignete Wintersportzentren konzentrieren;
  • skiunabhängigen Wintersportangeboten (z.B. Eislaufmöglichkeiten, Rodelbahn, Winterwanderwege, Eisstockbahnen, Loipen, Biathlon, Trimm-Parcours)
  • Veränderung des Image;
  • flexible Preispolitik bei Skipässen;
  • Sportangebote (geführte Wanderungen, Schlittschuh fahren, Mountainbiketouren, Fitness, Sauna, Golf, Squash, Reiten, Indoor-Tennis);
  • Kulturangebote (Filme, Diaabende, Musikveranstaltungen, Konzerte, Kunstausstellung);
  • Plastikplanen gegen Gletscherschmelze (kostspielig, kann das Schmelzen nicht aufhalten);
  • Versicherung (hilft nicht langfristig gegen die Schäden);
  • Snow-Framing-Techniken, wie Snow-fencing (Schneetransport von schneereichen Lagen zu schneedünnen Stellen) und Snow-grooming (kann die minimale benötigte Schneedecke auf 10 bis 20 cm reduzieren); Probleme: keine Lösung bei Schneemangel, ökologische Folgen, ⁠Erosion⁠ und negative Auswirkungen auf den Ganzjahrestourismus, Einschränkungen der Landschaftsoptik).
Zeithorizont
  • 2071–2100 (ferne Zukunft)
Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Entwicklung von zukunftsfähigen Produkten und Infrastrukturinnovationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und Beispiele für einen nachhaltigen Tourismus.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

BMBF⁠-Fördermaßnahme "klimazwei - Forschung für den ⁠Klimaschutz⁠ und Schutz vor Klimawirkungen"

Projektleitung 

Institut für Umweltkommunikation (INFU), Leuphana Universität Lüneburg

Beteiligte/Partner 

Meteorologisches Institut der Universität Freiburg;

Zusammenarbeit: Vertreter der Tourismuswirtschaft und der Tourismuspolitik

Ansprechpartner

Leuphana Universität Lüneburg,
Institut für Umweltkommunikation (INFU)
Scharnhorststr. 1
D-21335 Lüneburg

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Handlungsfelder:
 Tourismuswirtschaft