KlimaMORO – Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel (Phase I)

Hintergrund und Ziele

Um die konkreten Handlungsmöglichkeiten der Raumplanung insbesondere auf der regionalen Ebene zur ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ zu erforschen und zu erproben, wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS: jetzt ⁠BMVI⁠) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und ⁠Raumordnung⁠ (BBR) das Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“, kurz KlimaMORO, initiiert.

Im Modellvorhaben sollten in acht Modellregionen von Juni 2009 bis März 2011 Klimaanpassungsstrategien unter Einsatz des formellen und des informellen regionalplanerischen Instrumentariums entwickelt und mit ersten Umsetzungsschritten erprobt werden.

  • Im Bereich des formellen regionalplanerischen Instrumentariums sollte geprüft werden, ob zur Anpassung an den Klimawandel in Regionen das derzeitige Instrumentarium ausreichend oder eine gesetzliche Erweiterung notwendig ist. Daneben sollten Vorschläge zur Weiterentwicklung des bestehenden Instrumentensets erarbeitet werden. Grundsätzlich sollte ein Beitrag dazu geleistet werden, das formelle Instrumentarium zu stärken und entschlossener einzusetzen.
  • Auf informeller Ebene war eine Stärkung der Position der Regionalplanung in Regional Governances, u. a. durch den Aufbau regionaler Netzwerke, das Ziel. Hierfür sollte ein regional adäquater Instrumentenmix ausgewählt und eingesetzt werden.
  • Dabei sollte insbesondere auch aufgezeigt werden, wie sich formelle und informelle Instrumente zur regionalen Klimaanpassung ergänzen und wie das Zusammenspiel mit raumbedeutsamen Fachplanungen gestaltet werden muss.
  • Grundsätzlich sollten die Modellregionen Mut zum Experimentieren mitbringen und innovative Ansätze erproben. Hierbei ging es bewusst auch darum, Fehler und Probleme aufzuzeigen, um weiteren Forschungsbedarf für die Raumplanung abzuleiten.
  • Erste Pilotprojekte in den Modellregionen sollten den praktischen Nutzen für die kommunale Ebene verdeutlichen und einen Beitrag zur breiten Sensibilisierung der Kommunalpolitik und der Fachöffentlichkeit leisten.

Die von den Modellregionen jeweils selbständig mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteten Klimaanpassungsstrategien sollten

  • auf die regionalen Besonderheiten und zu erwartende spezifische regionale Betroffenheit durch den Klimawandel zugeschnitten sein,
  • verschiedene Themenfelder aufgreifen und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Handlungsansätzen berücksichtigen, also fachübergreifend bzw. integriert sein,
  • in einem Prozess unter Einbindung der relevanten Akteure erarbeitet werden,
  • nicht nur die Gefahren, sondern aktiv auch die Chancen des Klimawandels berücksichtigen,
  • nicht im Gegensatz zu Klimaschutzmaßnahmen stehen und
  • durch erste Umsetzungsschritte erprobt werden.

Nach Ablauf des Modellvorhabens sollten sich in den Modellregionen selbsttragende, dauerhafte Strukturen entwickelt haben.

Die acht Modellregionen sind:

  • Vorpommern: In der Küstenregion wurden die Handlungsfelder unter Berücksichtigung des Meeresspiegelanstiegs und Landverlusts und der dadurch notwendigen Anpassung der Flächennutzungsstrukturen bearbeitet und Handlungsansätze in einer integrierten Raumentwicklungsstrategie unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen zusammengefasst.
  • Havelland-Fläming: Die Region konzentrierte sich auf eine informelle Vorgehensweise durch Bildung einer Plattform zum Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis, Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung der Akteure.
  • Westsachsen: Aufbauend auf eine ⁠Vulnerabilitätsanalyse⁠ wurden regional bedeutsame Handlungsräume und –schwerpunkte abgegrenzt, in denen spezifische Fragestellungen durch Expertisen vertieft und mit regionalen Akteuren Projekte initiiert wurden.
  • Oberes Elbtal/Osterzgebirge: Ein Schwerpunkt der Region lag in der Arbeit in zwei Teilregionen (ILE-Regionen – Integrierte Ländliche Entwicklung) zur Vertiefung spezifischer Fragestellungen und zur Initiierung von Schlüsselprojekten.
  • Mittel- und Südhessen: Aufbauend auf eine Expertenbefragung und eine Evaluierung klimawandelrelevanter Aussagen der Regionalpläne wurden Konsequenzen für die Weiterentwicklung des formellen regionalplanerischen Instrumentariums abgeleitet, ein kommunaler Handlungsleitfaden Siedlungsklima und ein Konzept für ein ⁠Biotopverbundsystem⁠ erarbeitet.
  • Mittlerer Oberrhein/Nordschwarzwald: Im Vordergrund stand der Aufbau eines regionalen Netzwerkes zum Klimawandel für die Themenbereiche Siedlungsklima und Hochwasser, in denen in der Region hohe spezifische Vulnerabilitäten bestehen.
  • Region Stuttgart: Aufbauend auf eine Vulnerabilitätsanalyse und ein regionales Klimainformationssystem (KISS) wurden diskursiv Empfehlungen und Maßnahmenvorschläge für die Schwerpunkte Siedlungsklima, ⁠Biodiversität⁠ und Land-/Forstwirtschaft erarbeitet.
  • Landkreis Neumarkt: In der kleinsten Modellregion wurde in Workshopreihen ein Handlungskonzept für die Themenbereiche Siedlungsklima, Land-/Forstwirtschaft, Naturschutz und Energie aufgestellt.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Baden-Württemberg
  • Berlin
  • Hessen
Naturräumliche Zuordnung
  • Alb und nordbayerisches Hügelland
  • Erzgebirge, Thüringer und Bayrischer Wald
  • Links- und rechtsrheinische Mittelgebirge
  • Nordostdeutsches Tiefland
  • Oberrheingraben
  • Südostdeutsche Becken und Hügel
  • Zentrale Mittelgebirge und Harz
Räumliche Auflösung / Zusatzinformationen 

Modellregionen in Deutschland: Vorpommern, Havelland-Fläming, Westsachsen, Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Mittlerer Oberrhein/Nordschwarzwald, Region Stuttgart, Landkreis Neumarkt i.d.Opf.

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Der Deutscher Wetterdienst (⁠DWD⁠, Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMVBS: Jetzt ⁠BMVI⁠) stellt für die KlimaMORO-Projekte die erforderlichen Klimadaten als Grundlage für Klimafolgenabschätzungen bereit. Angaben zu den verwendeten Klimaszenarien finden sich bei den jeweiligen Modellprojekten.

Parameter (Klimasignale)
  • Flusshochwasser
  • Hitzewellen
  • Veränderte Niederschlagsmuster
  • Höhere mittlere Temperaturen
  • Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten
  • Starkniederschlag (inkl. Hagel, Schnee)
  • Sturm
  • Trockenheit
Weitere Parameter 

Wasserbilanz, Bewölkung, Luftfeuchtigkeit,

Zeithorizont
  • kurzfristig = die nächsten Jahre/Jahrzehnte
  • mittelfristig = bis 2050

Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)

Analyseansatz 

die betrachteten Klimafolgen sind bei den jeweiligen Modellregionen dargestellt

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

Als Grundlage der Klimafolgenbewertung sind Vulnerabilitäts- und Betroffenheitsanalysen unerlässlich. Sie sind erforderlich, damit

  • sich der Diskurs zu Klimaänderungen und regionalen Auswirkungen auf eine anerkannte Datenbasis stützen kann,
  • Handlungsdruck in der Politik erzeugt wird,
  • Risiko- und Handlungsräume abgegrenzt werden können,
  • belastbare Handlungsbedarfe und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können und
  • neue oder bestehende regionalplanerische Ausweisungen fachlich fundiert und vor allem rechtlich belastbar begründet werden können.

Die zugrundeliegenden Annahmen sowie die eingesetzten Methoden und erzielten Ergebnisse müssen gegenüber den beteiligten Akteuren und der Öffentlichkeit verständlich kommuniziert werden, um Akzeptanz für erforderliche Maßnahmen und Motivation zu deren Umsetzung herzustellen.

Sofern bindende raumplanerische Ziele ausgewiesen werden sollen, müssen Vulnerabilitätsanalysen zu ihrer Begründung belastbar im Sinne der Rechtsprechung, also gerichtsfest sein. Dafür müssen sie mit wissenschaftlich anerkannten Methoden nachvollziehbar und transparent erarbeitet werden. Andernfalls können Vulnerabilitätsanalysen nur zur Festlegung von Grundsätzen oder informatorisch genutzt werden, beispielsweise indem Hinweise an Kommunen gegeben werden.

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Die betrachteten Anpassungsmaßnahmen/-strategien sind bei den jeweiligen Modellregionen dargestellt.

Übergreifende Ergebnisse:

Aufgrund ihrer sektorübergreifenden und integrativen Perspektive und ihrem breiten Spektrum an formellen und informellen Instrumenten ist die Regionalplanung ein potenziell geeigneter Akteur für die Entwicklung und Koordination von Anpassungsstrategien und -maßnahmen in Regionen. Die Regionalplanung kann zur Klimaanpassung ihr formelles Instrumentarium nutzen, also die Regionalpläne mit Zielen (Vorranggebieten), die verbindlich für die kommunale Planung sind, und Grundsätzen (Vorbehaltsgebieten), die in der Abwägung berücksichtigt werden müssen.

Hierbei gilt es, bestehende Raumkategorien anzupassen und zu qualifizieren, indem die Ausweisungskriterien der Kategorien an die geänderten oder zu erwartenden Verhältnisse angepasst werden (z.B. Veränderung der Schwellenwerte) mit entsprechender Veränderung der Gebietskulisse. Zudem sollten verstärkt verbindliche Ziele der ⁠Raumordnung⁠ genutzt werden, um die Effektivität regionalplanerischer Festlegungen zur Umsetzung von Anpassungsstrategien zu verbessern. Ihre Begründung muss allerdings belastbar im Sinne der Rechtsprechung, also gerichtsfest, sein. Im Sinne einer Vorsorgeplanung sollten zusätzlich Vorbehaltsgebiete ausgewiesen werden, die mit ihrer geringeren Steuerungs- und Restriktionswirkung den Unsicherheiten in den Klimaszenarien und den Vulnerabilitätseinschätzungen Rechnung tragen. Je nach Entwicklung des Klimas oder des fachlichen Erkenntnisfortschritts können sie zu gegebener Zeit zu Vorranggebieten hochgestuft werden.

Zusätzlich kann eine Erweiterung der Gebietskategorien und Planzeichen zur ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ erfolgen, insbesondere zur nachrichtlichen Darstellung von Gefahrenpotenzialen. So können z. B. sturzflutgefährdete Bereich, Hochwasserrisikobereiche, extremwitterungsgefährdete Infrastrukturen oder Klimakomfortinseln im Regionalplan gekennzeichnet werden.

Zeithorizont
  • 2011–2040 (nahe Zukunft)
  • 2021–2050 (nahe Zukunft)
  • 2036–2065
  • 2051–2080 (ferne Zukunft)
  • 2071–2100 (ferne Zukunft)

Schritt 4: Maßnahmen planen und umsetzen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Umgesetzte Maßnahmen finden sich zum Teil bei den Modellregionen.

Ein wichtiger Handlungsschwerpunkt ist insgesamt die Steuerungswirkung der Regionalplanung auf den Siedlungsbestand. So können sich z. B. Vorranggebiete für Hochwasserschutz in den Siedlungsbestand erstrecken, wobei zu berücksichtigen ist, dass Entschädigungspflichten entstehen können, wenn keine reale Gefahr vorhanden ist. Daher müssen Ausweisungen im Bestand sauber und gerichtsfest begründet werden. Daneben kann die Regionalplanung durch Hinweise die Politik informieren, wo Gefahrenpunkte im Siedlungsbestand vorhanden sind.

Der Einsatz des formellen regionalplanerischen Instrumentariums erfordert eine intensive Vorbereitung und Begleitung durch die ganze Bandbreite informeller Instrumente. Allerdings darf sich die Regionalplanung nicht nur auf informelle Governance beschränken, sondern den informellen Instrumenten müssen auch formelle Ausweisungen folgen, damit die Regionalplanung schlagkräftig aufgestellt ist.

Die Regionalplanung kann als querschnittsorientierter Akteur im Governance-Prozess eine wichtige Rolle als Koordinator, Informator, Unterstützer und Vermittler einnehmen. Dabei sollte zum einen auf bereits bestehende Netzwerke aufgebaut werden, die um relevante Akteure erweitert werden, zum anderen sollte die kommunale Ebene als Handlungsebene mit einbezogen werden, um die Umsetzungsfähigkeit zu verbessern. Der Prozess ist zugleich durch eine gezielte Informationsstrategie der Politik und Öffentlichkeit zu begleiten.

Eine große Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit den raumbedeutsamen Fachplanungen. Ansatzpunkte bestehen u. a. in der Nutzung und Abstimmung einer gemeinsamen Datenbasis, der Abstimmung von Methoden und Konzepten, der Entwicklung gemeinsamer Szenarien, der Abstimmung regionaler Vulnerabilitätsanalysen und gemeinsamen Fortschreibungs- und Rückkopplungszeiträumen.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS: jetzt BMVI - Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) und Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Projektleitung 

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Referat I 5 - Verkehr und Umwelt

Beteiligte/Partner 

Nationale Forschungsassistenz (FoA):

- Raum & Energie, Institut für Planung, Kommunikation und Prozessmanagement GmbH;

- Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr (ISB) der RWTH Aachen;

- Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Geographie;

Ansprechpartner

Raum & Energie
Institut für Planung, Kommunikation und Prozessmanagement GmbH
Hafenstraße 39
22880 Wedel

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Handlungsfelder:
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