Starkregeneinflüsse auf die bauliche Infrastruktur

Hintergrund und Ziele

Zahlreiche Starkregenereignisse haben in der Vergangenheit neben Personenschäden auch zu schweren Schäden an baulicher Infrastruktur geführt. Das Forschungsprojekt hat die ⁠Vulnerabilität⁠ baulicher Infrastruktur gegenüber ⁠Starkregen⁠, Hochwasser und Hagel untersucht. Nach dem Vorbild der sogenannten Schwammstadt sollten neben dem reinen Objektschutz auch für die Liegenschaft Maßnahmen erarbeitet werden, die die bauliche Infrastruktur vor Starkregeneinflüssen schützen und gleichzeitig einen nachhaltigen Umgang mit Niederschlagswasser fördern.

Eine Folge des Klimawandels sind extreme Wetterereignisse, wie Starkregen, Stürme, Hitze und lange Trockenperioden. Die gewachsenen Strukturen deutscher Städte haben diese Entwicklung lange nicht ausreichend berücksichtigt und erforderliche Maßnahmen vernachlässigt.

Moderne Ansätze berücksichtigen auch diese seltenen Ereignisse. Einige Forschungs- und Entwicklungsprojekte haben bereits die Wechselwirkung zwischen größeren Quartieren oder Stadtgebieten und Klimawandeleffekten untersucht ("Schwammstadt"). Im Forschungsprojekt des BBSR "Einflüsse von Starkregen auf die bauliche Infrastruktur" werden die Auswirkungen von ⁠Klimafolgen⁠ und die Potenziale der kleinsten möglichen Einheit, der Liegenschaft, untersucht.

In Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Reinhard Beck entwickelt das BBSR Handlungsempfehlungen zur Bewältigung von vermehrt auftretenden Starkregenereignissen. Das Schwamm-Prinzip - eine Liegenschaft, in der nahezu der komplette Niederschlag aufgefangen, gespeichert und wiederverwendet wird - hat dabei einige Synergieeffekte zu anderen Klimapotenzialen.

Eine Musterliegenschaft in Bonn, anhand der Maßnahmen entwickelt werden, wird modelltechnisch mit verschiedenen Starkregen belastet, um die Einflüsse auf die bauliche Infrastruktur aufzuzeigen. Im nächsten Schritt werden nun mögliche Maßnahmen der schadlosen Starkregenbindung und Bewirtschaftung einer "Schwammliegenschaft" entwickelt und mittels eines Modells überprüft. Neben der technischen Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese beleuchtet.

Laufzeit

bis

Untersuchungsregion/-raum

Land
  • Deutschland
Bundesland
  • Bundesweit
  • Nordrhein-Westfalen
Räumliche Auflösung / Zusatzinformationen 

Beispielliegenschaft befindet sich in Bonn.

Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel

Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben

Ansatz und Ergebnisse 

Dass sich das ⁠Klima⁠ – und damit auch das Stadtklima – ändern wird, steht mittlerweile außer Frage. Für Nordrhein-Westfalen wird bis Mitte des 21. Jahrhunderts eine Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur von ca. zwei Grad Celsius erwartet (im Vergleich zu den Jahren von 1961 bis 1990). Weil warme Luft mehr Wasser aufnehmen und transportieren kann, hat die Temperaturerhöhung auch Auswirkungen auf die Niederschlagsmengen. Auswertungen von Daten sowie Klimamodelle zeigen, dass sich die globale Menge des Niederschlags je ein Grad Temperaturanstieg um etwa zwei Prozent erhöht (Kreienkamp et al. 2016). Prognosen zufolge werden ⁠Starkregen⁠ und Sturzfluten daher, je nach Prognosemodell, zunehmen oder mindestens gleich bleiben (⁠UBA⁠, 2015b). Unstrittig ist dabei, dass sogenannte Starkregenereignisse in den vergangenen 15 Jahren zumindest regional vermehrt aufgetreten sind. Die Anpassungen an die dadurch auftretenden Probleme sind im deutschen Klimaanpassungskonzept festgelegt worden, wobei Hitze und Überflutung meist gemeinsam betrachtet werden. Fokus des Projekts sind Starkregenereignisse in Verbindung mit dem Wasserrückhalt und der Abflussminderung einzelner Liegenschaften.

Stadtklima

Dabei gibt es im Vergleich zum nur wenig oder sogar unbebauten Umland in Städten und Ballungsräumen klimatische Effekte, die als Stadtklima bezeichnet werden. Beeinflusst wird dieses Stadtklima unter anderem durch die Baustruktur und die Bebauungsdichte, den Anteil der versiegelten Flächen, die Vegetation und andere Faktoren wie Verkehr und Industrie (MKULNV, 2011). Die Entwässerungssysteme beziehungsweise die Art der Entwässerung in den Städten wirken sich dabei negativ auf den natürlichen Wasserhaushalt aus. So kann beispielsweise der durch die Versiegelung gesteigerte ⁠Abfluss⁠ bei starken Niederschlägen zu Überlastungen des Kanalnetzes und Überschwemmungen führen. Darüber hinaus ist die reduzierte ⁠Verdunstung⁠ (⁠Evaporation⁠/ Transpiration) einer der Faktoren, die im Sommer zum Aufheizen der Städte führen.

Starkregen

Von Starkregen wird dann gesprochen, wenn sehr große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit auf ein meist räumlich begrenztes Gebiet fallen; vorwiegend in Verbindung mit Gewitterfronten in der Zeit von Mai bis September. Dabei können selbst kleine Bäche zu reißenden Strömen werden (BBK, 2015). Die Definition des Deutschen Wetterdienstes (⁠DWD⁠) macht dieses Phä¬nomen anhand von Warnstufen greifbar. Er warnt vor Starkregen in drei Stufen:

  • Regenmengen von 15 bis 25 l/m² in einer Stunde bzw. 20 bis 35 l/m² in 6 Stunden (markante Wetterwarnung)
  • Regenmengen > 25 l/m² in einer Stunde bzw. > 35 l/m² in 6 Stunden (Unwetterwarnung)
  • Regenmengen > 40 l/m² in einer Stunde bzw. > 60 l/m² in 6 Stunden (Warnung vor extremem Unwetter) (DWD, 2016).

Diese Definition ist für das gesamte Bundesgebiet einheitlich, wobei Faktoren wie die Topographie, der Versiegelungsgrad und die Bebauungsdichte nicht mit in die Bewertung einbezogen werden. Sie sind aber maßgeblich für die Auswirkung und vor allem die ⁠Verletzlichkeit⁠ von Gebieten gegenüber Starkregen. Um Risiken besser einschätzen und kommunizieren zu können, ist daher ein dimensionsloser Starkregenindex entwickelt worden. Er basiert auf der örtlichen Starkregenstatistik für jeden Ort in Deutschland nach KOSTRA (Koordinierte Starkregen-Regionalisierung-Auswertung). In der Berechnung des Index wird das jährliche Auftreten stärker berücksichtigt als die Dauer der Ereignisse. Das bedeutet: Bei einer hohen ⁠Jährlichkeit⁠ und kurzer Dauer liegt bereits ein hoher Starkregenindex vor, was aufgrund der möglichen Schäden solcher Ereignisse plausibel ist (Mudersbach, 2016).

Parameter (Klimasignale)
  • Sturzfluten
  • Veränderte Niederschlagsmuster
  • Höhere mittlere Temperaturen
Zeithorizont
  • langfristig = bis 2100 und darüber hinaus
Weitere Zeitangaben 

1961-1990

Schritt 2b: Vulnerabilität, Risiken und Chancen

Ansatz und Risiken / Chancen 

Vulnerabilität⁠ ist definiert nach ⁠UBA⁠ 2015a: „das Maß, zu dem ein System gegenüber nachteiligen Auswirkungen der ⁠Klimaänderung⁠, einschließlich ⁠Klimavariabilität⁠ und Extremwerte, anfällig ist und damit nicht umgehen kann“. Das bezieht auch Klimavariabilität und Extrema wie ⁠Starkregen⁠, Hitze und Hagel mit ein (⁠DAS⁠, 2008). Ebenso wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff der ⁠Resilienz⁠. Er beschreibt die Fähigkeit eines Systems, inneren und äußeren Einwirkungen, wie in diesem Fall gegenüber extremen Wetterereignissen auf die Liegenschaft, funktionsfähig zu bleiben und die ursprünglichen Eigenschaften schnell wiederzuerlangen (BBK).

Vulnerabilität und Resilienz können durch gezielte Maßnahmen beeinflusst werden. Dazu zählen Maßnahmen auf der Liegenschaft wie Bodenschwellen oder Mulden. Ebenso wichtig ist die Anpassung der Gebäude selbst, etwa durch eine Erhöhung von Eingängen, um das Eindringen von Wasser zu verhindern. Sind solche oder ähnliche Maßnahmen nicht umsetzbar, sind vor allem geeignete Baumaterialien maßgebend für die Resilienz der Gebäude.

Schutzgüter (Baustoffe und Konstruktion):

  • Bauweise
  • Ort (Topographie, Relief, Landschaft, Versiegelungsgrad, Bebauungsdichte)
  • Niederschlagsintensität und -dauer
  • Aufnahmekapazität des Bodens und des öffentlichen Entwässerungssys­tems
  • Vorsorgeumfang, Risikominderungs- und Schutzmaßnahmen der Kommu­nen, Bauträger und Bürger (BBK, 2015).

In Tabelle 3 des Berichtes wird die Wasserempfindlichkeit von Baustoffen dargelegt. 

Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Folgende Maßnahmen werden vorgestellt:

  • Bautechnische Maßnahmen zum Schutz vor ⁠Starkregen⁠: Wegleiten des Wassers vom Gebäude, Abdichtung der Außenwände, Eindringen durch Lichtschächte, Fenster und Türen, Rückstau aus dem Kanalnetz, 
  • Speichern: Rückhaltung im Kanal, Rückhaltung auf dem Dach (Gründach/Blaudach), Unterirdische Speicherbecken, Retentionsmulden, Rückhaltung der Fläche
  • Versickern
  • Verdunstung
  • Entsiegelung
  • Entleerung

Maßnahmenbewertung: Jede mögliche Maßnahme verursacht andere Kosten und hat andere Auswirkungen im Hinblick auf den Schutz vor Starkregen und die positiven Einflüsse auf die Umwelt. Bewertungsmatrizen in Form von Tabellen stellen diese Maßnahmen gegenüber und machen sie vergleichbar.

Konfliktpotential / Synergien / Nachhaltigkeit 

Wechselwirkungen der Massnahmen: Die Maßnahmen zur Starkregenbindung haben auch positive Auswirkungen auf die Umwelt. So wirkt sich eine verringerte  Versiegelung positiv auf das Mikroklima aus, die vermehrte Versickerung des Wassers fördert die Neubildung des Grundwassers und durch die Verwendung des Niederschlagswassers beispielsweise in Gärten wird der Verbrauch von Trinkwasser vermindert.

Schritt 4: Maßnahmen planen und umsetzen

Maßnahmen und/oder Strategien 

Wirksamkeitsanalyse:
Im Rahmen des Berichts wurden für eine Beispielliegenschaft Maßnahmen simuliert. Für das Modell werden Laserscandaten verwendet und ein Oberflächenabflussmodell entwickelt. Durch die anschließende Beregnung mit einem Modellregen lassen sich Auskünfte darüber geben, wie sich der Ausgangszustand verändert und welche Maßnahmen welchen Wirkungsgrad entfalten. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Rückhaltung des Niederschlags eine entscheidende Komponente zum Schutz vor ⁠Starkregen⁠ ist. Auf der Beispielliegenschaft lassen sich diese auch verhältnismäßig einfach und wirksam durchführen. Zusätzlich wird eine rechtliche Einschätzung der Umsetzbarkeit gegeben.

Kosten 

Kostenanalyse: 
Beispielrechnungen zeigen die Kosten der Maßnahmen zur  Starkregenbindung auf. Besonders effizient dabei ist die Schaffung von Mulden und Rigolen, mit vergleichsweise niedrigen Kosten pro zurückgehaltenem Kubikmeter Niederschlag. Letztlich können auf der Beispielliegenschaft im Modell rund 70 % des Niederschlags eines 100-jährlichen Ereignisses für die Hälfte der Kosten zurückgehalten werden.

Rechtliche Aspekte 

Berücksichtigt wurden Regelungen zu Abwasserbeseitigungspflicht, Hochwasserschutz, Behandlungspflicht von Niederschlagswasser, Normen zur Dimensionierung von Entwässerungsanlagen sowie zur Nutzung von Niederschlagswasser. Außerhalb des Wasserhaushaltsgesetzes, des Baugesetzbuches wurden zudem der 

  • Trennerlass (Behandlung von Niederschlagswasser), 
  • DIN EN 752 (Dimensionierung der öffentlichen Entwässerungssysteme),  
  • DWA-A 118 (Überflutung und Überstau), 
  • DWA-M 199, 
  • DIN EN 12056 und DIN 1986-100 (Liegenschaft, Grundstücksentwässerung innerhalb der Gebäude), 
  • DWA-A 102 (natürliche Wasserhaushalt)
  • DIN 1989-1 (Regenwassernutzung)

betrachtet.

Wer war oder ist beteiligt?

Förderung / Finanzierung 

Ein Projekt des Forschungsprogrammes „Zukunft Bau“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (⁠BMUB⁠) durchgeführt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und ⁠Raumordnung⁠ (BBR).

Projektleitung 

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Beteiligte/Partner 

 

  • Reinhard Beck GmbH & Co. KG
  • Bergische Universität Wuppertal (BUW)
  • Kommunal Agentur NRW, Düsseldorf
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Handlungsfelder:
 Gebäude  Boden  Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft