Anpassung: Handlungsfeld Biologische Vielfalt

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Änderungen des Klimas können für viele Arten und Ökosysteme negative Folgen mit sich bringen.
Quelle: patzita/photocase.com

Der Klimawandel verändert teils tiefgreifend die Lebensräume von Tieren und Pflanzen und bedroht so auch direkt und indirekt die Artenvielfalt. Mit unterschiedlichen Anpassungsmaßnahmen lässt sich dem Verlust an biologischer Vielfalt entgegenwirken.

Anpassung im Bereich Biodiversität und von Arten

Anpassungsmassnahmen im Bereich ⁠Biodiversität⁠ haben zum Ziel, die Überlebens- und Funktionsfähigkeit von Organismen zu steigern und unerwünschte Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität zu vermeiden oder zu minimieren. Anpassungsmassnahmen können die Risiken des Klimawandels nicht völlig beheben, aber die ⁠Anpassungsfähigkeit⁠ von Ökosystemen und ihren Arten erhöhen. Besonders bedeutend für die ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ ist die selbstständige Anpassung der Ökosysteme und Arten. Nach aktuellem Wissensstand verläuft diese umso erfolgreicher je intakter die Ökosysteme und je höher ihre Biodiversität ist, da damit die ⁠Resilienz⁠ der Ökosysteme steigt. Der Mensch kann das Potenzial zur selbstständigen Anpassung (Selbstregulation) unterstützen, indem ein guter Zustand und die Funktionsfähigkeit der Biodiversität gesichert und die Vielfalt auf allen Stufen gefördert werden. Maßnahmen zur Maximierung des Anpassungspotenzials und zur Stärkung der Resilienz von Artenpopulationen erfordern angesichts des Klimawandels eine Reduzierung der Bedrohungen und eine Änderung bestehender Naturschutzrichtlinien und -strategien. Ein umfangreicher ⁠Biotopverbund⁠ zur Verbesserung der ökologischen Vernetzung und genetischen Vielfalt, der Schutz und die Sanierung von Lebensräumen sowie die Erhaltung der biologischen Vielfalt in produktiven Landschaften sind weitere Strategien, um das Anpassungspotenzial von Arten zu maximieren.

Auf der Ebene der Arten gibt es prinzipiell mehrere Möglichkeiten wie Arten und Populationen in einem ⁠Ökosystem⁠ auf den Klimawandel und damit auf eine Veränderung des Temperaturverlaufs reagieren können. Sie können entweder ausweichen, sich anpassen oder aussterben. Die Anpassung hängt also maßgeblich davon ab, inwiefern Arten in der Lage sind, entweder neue klimatisch geeignete Lebensräume zu besiedeln oder sich durch entsprechende physiologische oder phänologische Veränderungen an die neuen Bedingungen anzupassen, ohne dabei ihren Lebensraum zu verlassen. Wenn Ausweichen oder genetische Anpassung nicht möglich sind und die klimatischen Bedingungen den Toleranzbereich der Art überschreiten, kann die Art im betroffenen Gebiet aussterben. Faktoren, die das Ausweichen (Migration) von Arten in neue Lebensräume erschweren kann, ist die räumliche Zerschneidung geeigneter Ausweichlebensräume durch Straßen sowie die fehlende Durchgängigkeit der intensiv genutzten Agrarlandschaft für Ausbreitungs- und Wanderungsbewegungen. Im Gebirge können Tiere in höhere Lagen wandern, wenn es ihnen zu warm wird. Je höher die Tiere wandern, desto enger wird jedoch der Raum, den sie zur Verfügung haben sowie das verfügbare Nahrungsangebot.

Eine weitere Anpassungsmöglichkeit ist die phänotypische Plastizität, worunter das bei vielen Pflanzen und Tieren auftretende Phänomen verstanden wird, dass Individuen mit dem gleichen Genotyp (Erbinformation) unterschiedliche Phänotypen ausbilden, je nach den gerade vorherrschenden Umwelt- oder Klimabedingungen. Der Phänotyp bezieht sich nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und ggfs. auf Verhaltensmerkmale. Weiterhin kann eine Anpassung in Merkmalen durch genetische Veränderungen verursacht werden, d. h. letztlich durch Evolution. Eine evolutionäre Anpassung an den Klimawandel kann nur dann erfolgen, wenn vererbbare genetische Variation in klimarelevanten Merkmalen vorhanden ist.

Indikatoren aus dem ⁠Monitoring⁠ zur ⁠DAS⁠: Gebietsschutz | Berücksichtigung des Klimawandels in Landschaftsprogrammen

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Anpassung gegenüber der Klimawirkung „Ausbreitung invasiver Arten“

Neben teilweise sehr speziellen artbezogenen Maßnahmen sollten Maßnahmen zum Umgang mit invasiven Arten drei Ebenen berücksichtigen: 1) Vorsorge, 2) ⁠Monitoring⁠, Früherkennung, Sofortmaßnahmen, 3) Akzeptanz, Kontrolle und Beseitigung.

Vorsorge: Da die Ausbreitung gebietsfremder Arten meistens unbedacht erfolgt und das Wissen über die Wirkungen gebietsfremder Arten nicht ausreichend bekannt ist kommt der Aufklärung und der Bewusstseinsbildung eine große Bedeutung zu. So kann die Ausbreitung gebietsfremder Arten oftmals bereits verhindert werden, wenn in der freien Landschaft wirtschaftende Berufsgruppen z.B. Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau, Straßen- und Landschaftsbaubetriebe nach Möglichkeit einheimische Arten benutzen. Auch Privatpersonen sollten bewusster mit gebietsfremden Arten umgehen und das Ausbringen neuer Arten in die Natur unterlassen und keine Gartenabfälle in der freien Landschaft entsorgen. Präventive Maßnahmen setzen vor allem im Bereich der (internationalen) Verkehrswege an, da diese einen Hauptpfad für die Einbringung und Ausbreitung invasiver Arten darstellen. Als konkrete Maßnahmen kommen in Frage: die Behandlung des Ballastwassers von Schiffen mit mechanischen, physikalischen oder chemischen Methoden vor dessen Austausch, die Einrichtung ökologischer Sperren in künstlichen Wasserkörpern wie Schifffahrtskanälen, um die unbeabsichtigte Einschleppung gebietsfremder Arten zu verhindern oder freiwillige Verpflichtungen zur Einschränkung des Kaufs oder Verkaufs von potenziell invasiven exotischen Pflanzen und Tieren. Außerdem stehen verschiedene gesetzliche Regelungen zur Verfügung, z.B. ein generelles Verbot der Haltung, Zucht, Beförderung, Vermarktung und Freisetzung nach der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 für die Arten der Unionsliste sowie ein Besitz- und Vermarktungsverbot nach der Bundesartenschutzverordnung für bestimmte gebietsfremde Arten. Zusätzlich existieren in vielen Ländern rechtlich nicht bindende "Listen invasiver Arten", die nicht freigesetzt oder bei einem Auftreten beseitigt werden sollen.

Monitoring, Früherkennung und Sofortmaßnahmen: Die Beobachtung (Monitoring) der Bestandsentwicklung und Ausbreitung bereits eingeführter gebietsfremder Arten stellt die Grundlage für eventuelle rechtzeitige Kontroll- oder Bekämpfungsmaßnahmen dar. Um frühzeitig neu auftretende invasive Arten zu erkennen, ist ein Frühwarnsystem aufzubauen, um einschätzen zu können, ob sich eingeschleppte Pflanzen- oder Tierarten aggressiv ausbreiten, eine Gefahr für heimische Arten werden und mit welchen Maßnahmen ihnen begegnet werden kann. Dazu bieten sich regionale Webportale wie Neobiota-Nord an. Sollten invasive Arten neu auftreten, ist im Bundesnaturschutzgesetz (§40a Abs.1) festgeschrieben, dass Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind, um diese zu beseitigen oder ihre weitere Ausbreitung zu verhindern. Durch frühzeitiges Handeln bei neu auftretenden invasiven Arten sollen mögliche nachfolgende flächenhafte Schäden an der natürlich vorkommenden ⁠Flora⁠ und ⁠Fauna⁠ vermieden werden. Nach bisheriger Erfahrung ist die Eindämmung der von invasiven Arten ausgehenden Gefahr umso schwieriger und teurer, je länger man wartet bzw. je weiter sie verbreitet sind.

Akzeptanz, Kontrolle und Bekämpfung: Die meisten bereits in Deutschland vorkommenden gebietsfremden Arten haben sich in unsere Ökosysteme integriert und sind daher als neue Pflanzen – und Tierarten zu akzeptieren. Viele problematische Neobiota-Arten, die weiträumig etabliert sind, werden nicht mehr ausrottbar sein, so dass sie nur in begründeten Einzelfällen bekämpft werden sollten, um sie unter Kontrolle zu halten oder lokal zu beseitigen. Dazu sollten ihre Auswirkungen im konkreten Fall bekannt sein und eine Bekämpfung rechtfertigen. Bei den Bekämpfungsmaßnahmen wird zwischen verschiedenen Typen unterschieden. Bei physischer Bekämpfung werden die Neobionten z. B. regelmäßig abgesammelt, aus dem Boden entfernt oder mit Feuerwaffen getötet. Derartige Methoden sind oftmals mit hohen Kosten verbunden und bei geringer Populationsdichte des Neobionten ineffektiv. Bei der chemischen Bekämpfung werden ⁠Pestizide⁠ eingesetzt. Problematisch ist hier, dass die eingesetzten Mittel oft unbeabsichtigt heimische Pflanzen- und Tierarten oder den Menschen schädigen. Bei der biologischen Bekämpfung werden natürliche Feinde, Parasiten und Viren des Neobionten eingeführt. Unerwünschte Nebeneffekte können auftreten, wenn die zur Bekämpfung eingeführten Arten ein zu großes Wirkungsspektrum haben und dadurch der Bestand heimischer Arten verringert wird. Es ist daher wichtig, dass zur Bekämpfung eingeführte Arten eine hohe Wirkungsspezifität aufweisen. Eine weitere biologische Methode ist die Sterile-Insekten-Technik, bei der massenhaft gezüchtete sterile Männchen in einem Zielgebiet freigelassen werden. Da die sterilen Männchen gegenüber ihren frei lebenden Geschlechtsgenossen in massiver Überzahl sind, paaren sich die meisten Weibchen mit ihnen – bekommen danach aber keinen Nachwuchs. Ebenfalls können gentechnisch veränderte Varianten des Neobionten in die invasive Population eingebracht werden. Durch wiederholtes Aussetzen solcher Individuen werden schädliche Erbanlagen in den Genpool des Neobionten gebracht, die auf lange Sicht zum Aussterben des Neobionten führen sollen. Hier besteht die Gefahr, dass schädliche Gene durch Hybridisierung in den Genpool heimischer Arten gelangen.

Weitere Anpassungen

Anpassung an den Verlust an genetischer Vielfalt: Zur Eindämmung und Vorbeugung des klimawandelbedingten Verlustes genetischer Vielfalt ist allgemein ein größerer verfügbarer Genpool der Pflanzen- und Tierarten von Vorteil. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich an wechselnde ⁠Klima⁠- und Umweltbedingungen anzupassen. Die Erhaltung der heimischen und wildlebenden Tiere und Pflanzen in dauerhaft gesicherten Populationen in ihren natürlichen Lebensräumen wird als essentiell zur Erhaltung der genetischen Diversität eingestuft. Zum Erhalt der genetischen Varianz trägt maßgeblich die Sicherstellung des Austauschs von Populationen untereinander bei, was die Verbindung von Lebensräumen über einen funktionsfähigen ⁠Biotopverbund⁠ erfordert. Um den Verbund zwischen Tierpopulationen und dadurch den genetischen Austausch zu fördern, können unter bestimmten Bedingungen Arten umgesiedelt oder Barrieren (z.B. Autobahnen) durch den Bau von Grünbrücken oder die Anlage von Trittsteinbiotopen umgangen werden. Die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus ist aus Sicht des Biodiversitätsschutzes eine wichtige Strategie. Eine denkbare Maßnahme wäre hier der Erhalt und die Ausweitung extensiv bewirtschafteten Dauergrünlands. Zusätzlich trägt die Einlagerung pflanzlichen Saatguts in Genbanken zur Archivierung der genetischen Vielfalt bei.

Anpassung an die Verschiebung von Arealen und Rückgang der Bestände: Zum Umgang mit Arealverschiebungen und zur Vermeidung und Eindämmung von Bestandsrückgängen können durch die Entwicklung und Umsetzung eines funktionsfähigen Biotopverbundes Überlebensmöglichkeiten für heimische Arten und Lebensräume geschaffen werden, um auf diese Weise eine Anpassung von Organismen an klimatische Veränderungen zu ermöglichen. Bestehende Lebensräume gefährdeter und /oder klimasensitiver Arten sind zu optimieren, um diese widerstandsfähiger und anpassungsfähiger zu machen, z.B. durch das Vorhalten ausreichend großer Flächen mit Biotopschutzfunktion, der Intensivierung von Entwicklungsmaßnahmen zur Förderung einer größeren Naturnähe von Ökosystemen sowie dem Zulassen einer natürlichen ⁠Sukzession⁠ von Ökosystemen. Grundsätzlich bedarf es der verstärkten Umsetzung nationaler Programme wie der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, der Naturschutzförderprogramme, der Programme zur Wiedervernetzung und des Biotopverbundes zur Stärkung der Durchwanderbarkeit und Lebensraumvernetzung als auch landesweiter, regionaler und lokaler Förderprogramme.

Anpassung an Schäden an wassergebundenen Habitaten und Feuchtgebieten: Eine Anpassung wassergebundener Lebensräume mit einer besonderen Sensibilität gegenüber klimatischen Änderungen (z.B. Moore, Salzwiesen, kleine Bäche, Auen, Quellen) kann am Erhalt oder der Wiederherstellung dieser Lebensräume ansetzen. Dazu zählen Renaturierungsmaßnahmen an Fließgewässern und Auen (z.B. ⁠Landnutzungsänderung⁠, Deichrückverlegung, Uferrückbau, Anschluss von Altarmen, ökologische Durchgängigkeit, Erreichung des guten ökologischen Zustands, Schaffung von Biotopverbünden) und Maßnahmen zur Bestandsicherung und Wiedervernässung von Hoch- und Niedermooren (z.B. Erhalt und Wiederherstellung natürlicher Wasserstände, Ausgleichszahlungen an Landwirte, Ankauf landwirtschaftlicher Flächen, Forschung zur nachhaltigen Moornutzung).

Anpassung an Schäden an Wäldern: Ein wesentliches Ziel von Maßnahmen zur Anpassung an die ⁠Klimawirkung⁠ „Schäden an Wäldern“ ist die Schaffung und dauerhafte Sicherung standortgerechter, naturnaher, strukturreicher, klimastabiler und ökologisch hochwertiger Waldökosysteme mit überwiegend heimischen Baumarten. Darunter fallen als Maßnahmen die Anlage von naturnahen Mischwäldern, die Förderung der natürlichen Verjüngung von Wäldern gegenüber der Pflanzung auf dafür geeigneten Standorten, die Ausrichtung der Höhe der Wildbestände und der Jagd an den Bedürfnissen der Wälder, Informationsverbreitung zum Ausmaß und den Auswirkungen des Klimawandels auf Waldökosysteme sowie die Intensivierung der Forschung zu den Wechselwirkungen von ⁠Klimawandel⁠, Schaderregern und abiotischer und biotischer Schadfaktoren und deren Einflüssen auf unsere Wälder.

 

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