Stoffmonitoring in der Umwelt durch die Umweltprobenbank

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Leitfaden Nachhaltige Chemikalien
Quelle: Umweltbundesamt

Die Umweltprobenbank des Bundes
In den 1980er Jahren begannen Umweltfachleute in der Umweltprobenbank des Bundes (UPB) systematisch Proben des Menschen und der Umwelt zu sammeln und zu archivieren. Biologische und nicht-biologische Proben bilden in der UPB Ökosysteme ab; insgesamt 13 dieser Ökosysteme legen sich wie ein Netz über Deutschland. Menschliche Proben ergänzen die Umweltdaten mit Informationen zur Belastung der Bevölkerung. Zusammen erlauben die proben die zeitliche sowie die räumliche Betrachtung der Belastung des Menschen in seiner Umwelt durch Chemikalien.

Alle Proben lagern in Kryobanken unter Bedingungen, die biologische und/oder chemische Veränderung ausschließen sollen. Das ermöglicht die retrospektive Untersuchung der chemischen Belastung der Nahrungsnetze und des Menschen. Derzeit lagern in der UPB etwa 190 000 menschliche Einzelproben sowie 220 000 Teilproben aus der Umwelt. In den vergangenen 20 Jahren entwickelten die Fachleute der UPB optimierte Standardarbeitsanweisungen für das Sammeln, Aufbereiten und Lagern der Proben. Chemische Messungen, die alle Probennahmen begleiten ("Real-Time ⁠Monitoring⁠") verlängern Jahr für Jahr die Zeitreihen für eine Auswahl bekannter Elemente und organischer Chemikalien. Die archivierten Proben nutzte das Umweltbundesamt bislang vornehmlich um die Notwendigkeit der behördlichen Regulierung ausgewählter Chemikalien zu beurteilen und ggfs. die Wirkung dieser Maßnahmen zu prüfen.

Studierende der vier deutschen Universitätsstädte Münster, Halle, Greifswald und Ulm spenden der UPB jedes Jahr Blut-, Urin- und Haarproben. Jede Gruppe Studierender besteht aus 100-150 Personen beider Geschlechter, die zwischen 20 und 29 Jahre alt sind. Zusammen ermöglichen die Daten einen Überblick zur Chemikalienlast einer nicht spezifisch belasteten deutschen Bevölkerungsgruppe. 2006 begannen die UPB Fachleute in einer Pilotstudie Nabelschnurblut, Plazenta- und Urinproben von Neugeborenen zu sammeln und auf Chemikalien zu untersuchen.

Für die UPB lässt das Umweltbundesamt Umweltproben verschiedener taxonomischer Gruppen an festgelegten Standorten sammeln, um verschiedene Ökosysteme abzubilden. Ein Netz von 13 Probenahmeflächen deckt die Nord- und Ostsee ab, die großen Flüsse Rhein, Elbe und Donau mit ihren Zuflüssen sowie verschiedene ländliche Gebiete mit Agrar-, Wald- und stadtnahem Charakter. Auch die Probenarten sind festgelegt: Es sind Blasentang, (F. vesiculosus), Miesmuschel (M. edulis), Aalmutter (Z. viviparous), Silbermöwe (L. argentatus), Brasse (A. brama), Derikantmuschel (D. polymorpha), Stadttaube (C. livia f. domestica), Pappel (P. nigra ,Italica'), Buche (F. sylvatica), Kiefer (P. sylvestris), Fichte (P. abies), Regenwurm (L.terrestris/A. longa) und das Reh (C. capreolus). Im Anschluss an die Probenahme werden zwei Kilogramm des Probematerials - beispielsweise Vogeleier, Brassenmuskulatur oder Kieferntriebe - jedes Probenahmestandortes für die Langzeitlagerung homogenisiert und in 10 Gramm-Portionen für die Lagerung eingelagert. Mittlerweile lagert in der UPB auch nicht-biologisches Material, nämlich Boden-, Sediment- und Schwebstoffproben.

Probenbanken als Instrument des Chemikalienmanagements
Die EU reguliert Chemikalien auf zwei Wegen: Über die Sicherheitsdaten in der Anmeldung/Zulassung der Stoffe und Produkte vor der Vermarktung sowie über Qualitätsziele und Grenzwerte, die nach der Markteinführung für Stoffe in den Umweltmedien gelten. In Zukunft werden Umweltprobenbanken zunehmend wichtig, da sie die beiden Säulen der Chemikaliensicherheit stützen können. Auslöser sind zwei jüngere und von einander unabhängige Entwicklungen im Chemikalienmanagement: Der Blick der ⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ auf die Anreicherung der Chemikalien in Umweltorganismen sowie die neuen ⁠REACH⁠ Verpflichtungen für Stoffe mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften (substances of very high concern, SVHC). Bei der Unterstützung des REACH Prozesses können Probenbanken an drei Hebeln ansetzen:

Bislang bietet das neue Regelungsinstrument für Chemikalien REACH im Vergleich zu dem Umwelt- und Arbeitsschutzteil nur wenig Unterstützung für die Bewertung der Belastung des Konsumenten durch Chemikalien. Daten der Umweltprobenbanken können helfen und die Modellierung der Wege der Chemikalien aus der Luft, dem Wasser oder den Nahrungsnetzen zu den KonsumentInnen hin ermöglichen. Solche Modelle können auch die Ansätze der integrierten Risikobewertung verbessern.

Persistente Stoffe, die zusätzlich bioakkumulierende Eigenschaften aufweisen, sind häufig unberechenbar. Die etablierten Bewertungsansätze können die Verteilung und das Verhalten dieser Stoffe dann nicht abbilden. Standardisierte Umwelt- und menschliche Proben verbessern unser Verständnis für die Verteilungswege dieser Stoffe. Das gilt auch für die Anreicherung der Chemikalien in Nahrungsnetzen. Die Bewertungskonzepte für Bioakkumulation fußen auf (lipohiliebasierten) Ansätzen, die nicht alle Substanzen mit bioakkumulierenden Eigenschaften sicher identifizieren. Fachleute können mit Daten der Umweltprobenbanken die Biomagnifikation der Chemikalien quantifizieren, indem sie gemessene Konzentrationen in verschiedenen Ebenen eines Nahrungsnetzes in ein Verhältnis zueinander setzen.

Wenn die REACH-Mechanismen eine Chemikalie mit besonderem Gefährdungspotenzial identifizieren, dann ist es eine Option des Risikomanagements, bestimmte Anwendungen einzustellen oder zu untersagen. In diesem Fall müssen die Hersteller mit eigenen Monitoringkampagnen nachweisen, dass die Maßnahmen wirken. Aufgabe der Umweltprobenbank ist es, die Daten der Unternehmen eingehend zu prüfen und gegebenenfalls mit eigenen Zeitreihen zu ergänzen. Dazu gehört auch, die Qualitätsanforderungen an Monitoringergebnisse transparent zu machen und Unternehmen im Vorfeld ihrer Studien zu beraten.

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 REACH  Stoffmonitoring