Anpassungsstrategien für die deutsche Landwirtschaft

abgeerntetes Getreidefeld mit gelben Stoppeln und Strohballen. Am Himmel türmen sich bedrohlich dunkle und niedrig hängende Wolken.zum Vergrößern anklicken
Trockenheit und Unwetter machen auch der Landwirtschaft zu schaffen.
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Welche Klimarisiken gibt es für die deutsche Landwirtschaft? Welche Maßnahmen braucht es für eine klimaresiliente Landwirtschaft? Und welche unterstützende Rolle können verschiedene Akteure einnehmen? Diese Fragen diskutierten im November 2017 etwa 30 Teilnehmende beim Stakeholderdialog „Von Starkregen bis Trockenheit – Anpassungsstrategien für die deutsche Landwirtschaft".

An dem Dialog, den das Umweltbundesamt (⁠UBA⁠) gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) veranstaltete, nahmen Personen aus Verwaltung, Landwirtschaftskammern, Verbänden, Versicherungswirtschaft und der angewandten Wissenschaft teil.

Klimarisiken und -chancen für die deutsche Landwirtschaft

Veränderte Witterungs- und Klimabedingungen beeinflussen die deutsche Landwirtschaft schon jetzt. Die Auswirkungen des Klimawandels werden in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich noch zunehmen. Veränderte Temperaturen, Niederschläge und erhöhte ⁠CO2⁠-Konzentration verändern die Umweltbedingungen für Pflanzen, Böden und Nutztiere. Das kann sich direkt auf Ertrag und Qualität von landwirtschaftlichen Produkten auswirken (Weigel 2011). Ein besonderes Risiko sind häufigere und intensivere Extremwetterverhältnisse wie ⁠Starkregen⁠, Spätfröste oder lange Hitzeperioden. Von besonderer Bedeutung ist, dass Extremwetterlagen in ihrer Variabilität häufig nicht vorhersehbar sind: das kann für Betriebe ein Planungsrisiko darstellen (Gömann et al. 2015).

Die steigende Durchschnittstemperatur in Deutschland beeinflusst das Pflanzenwachstum im Jahresverlauf und führt zu längeren und zeitlich verschobenen Vegetationsphasen. Zwar können dadurch neue Pflanzenarten, z.B. Soja oder Hartweizen, angebaut werden. Aber es bestehen auch Risiken, beispielsweise kann sich die Kornfüllung von Getreide verringern (Gömann et al. 2017). Zudem kann die mildere ⁠Witterung⁠ Lebensbedingungen von Schadorganismen wie der Kirschessigfliege begünstigen und so die Pflanzengesundheit bedrohen. Der Temperaturanstieg führt voraussichtlich zu verstärktem Unkrautdruck durch wärmeliebende Unkräuter wie Melde und Unkrauthirsen (LTZ Augustenberg 2008).

Veränderte Niederschlagsmuster mit feuchteren Wintern und teils trockeneren Sommern wirken sich direkt auf die klimatische Wasserbilanz aus. Welche Risiken damit für die Landwirtschaft einhergehen, hängt stark von der lokalspezifischen Wasserspeicherkapazität von Böden und der lagespezifischen ⁠Erosion⁠ in Hanglagen ab. Kritisch betroffen sind vor allem Standorte mit sandigen Böden, die künftig voraussichtlich mit noch weniger Niederschlag auskommen müssen, zum Beispiel in Regionen Nordostdeutschlands. Positiv hingegen könnte sich die steigende atmosphärische CO2-Konzentration auf das Pflanzenwachstum und ihre Wassernutzungsfähigkeit auswirken (Gömann et al. 2017).

Nutztiere können vom ⁠Klimawandel⁠ direkt durch steigenden ⁠Hitzestress⁠ und neue vektorübertragene Krankheiten betroffen sein. So steigt für alle Tierarten das Übertragungsrisiko von wärmeliebenden Krankheitserregern wie Salmonellen, unter anderem weil das tierische Immunsystem bei Hitzestress abbaut (Döll and Schulze 2010). Indirekt wirkt sich die veränderte Pflanzenproduktion positiv auf die Futtermittelwirtschaft aus: Die erhöhte atmosphärische CO2-Konzentration könnte zu mehr Grünlandwachstum führen (Weindl et al. 2015).

Wie landwirtschaftliche Betriebe klimaresilient arbeiten können

Auf der Basis dieser Risiken und Chancen erarbeiteten die Teilnehmenden des Stakeholderdialogs Handlungsansätze für die deutsche Landwirtschaft und identifizierten zahlreiche Anpassungsmaßnamen auf Betriebsebene. Schon jetzt setzen einige Betriebe etwa auf wassereffiziente, schonende Bodenbearbeitung. Bei den meisten Betrieben gibt es aber noch großes Potenzial, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Denkbar ist zukünftig etwa die standortangepasste Sorten- und Artenwahl und der Anbau von neuen, wärmeliebenden und trockenheitsresistenten Arten wie Sorghumhirsen.

Durch den Einsatz von Untersaaten und den Anbau von Zwischenfrüchten, wie bereits vielfach in der Biolandwirtschaft und auch in der konventionellen Landwirtschaft praktiziert, kann eine verbesserte Bodenbedeckung gewährleistet werden und so die Erosionsgefahr und der Stickstoffaustrag insbesondere von leichten Böden verringert werden. Eine höhere Bodenschutzorientierung durch Mulchsaatverfahren und stärkere Bodenbedeckung kann Wasseraufnahmevermögen fördern und Erosion, Nährstoffaustrag und ⁠Verdunstung⁠ vermindern. Dadurch ließe sich insbesondere den veränderten Niederschlagsregimen und Extremwetterereignissen wie Starkregen proaktiv begegnen. Gleichzeitig wird der Gewässerschutz stärker berücksichtigt, da die Stickstoffbelastung von Gewässern gemindert werden kann.

Eine diversifizierte Landwirtschaft erscheint resilienter gegenüber klimawandelbedingten Risiken. Beispiel Anbau: Mehrjährige Fruchtfolgen, erhöhte Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten und verstärkter Einsatz von Hecken, Bäumen und Sträuchern schaffen ⁠Resilienz⁠ und beugen Schäden durch Erosion oder Schädlinge vor. Auch betriebswirtschaftliche Diversifizierung, etwa durch erweiterte Absatzmärkte und mehr Einkommen aus nicht landwirtschaftlichen Quellen, trägt zu einem resilienten Landwirtschaftssektor bei. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Landwirte sich gegen finanzielle Schäden durch Extremwetterereignisse versichern.

Eine ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ in der Tierhaltung sind veränderte Fütterungsstrategien, die sowohl Hitzestress reduzieren als auch zu weniger Umweltbelastung führen können. Im Bereich des Futterbaus gewinnt die Nachsaat im Grünland mit klimaresilienten, standortortangepassten Sorten an Bedeutung.

Unterstützung durch Verbände, Versicherungen und den Staat

Die Teilnehmenden des Stakeholderdialogs benannten Akteure, die landwirtschaftliche Betriebe unterstützen sollten. Neben den Landwirtschaftskammern sollten Verbände und (private) Beraterinnen und Berater gezielt auf regionalspezifische Risiken und Chancen durch den Klimawandel hinweisen, Wissen über konkrete Maßnahmen zur Klimaanpassung vermitteln und Landwirtinnen und Landwirte zu klimaresilientem Handeln motivieren.

Die Politik auf EU-, Bundes- und Länderebene kann die Resilienz des Landwirtschaftssektors unterstützen, wenn sie langfristige kohärente Landwirtschaftskonzepte entwickelt und fördert, die die ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ als eine wesentliche Aufgabe behandeln und in die Breite tragen. Besonders relevant sind laut den Teilnehmenden langfristige Fördermaßnahmen. Zudem wurde angemerkt, dass die bestehende Förderung zur Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (⁠GAK⁠-Förderung) teilweise von den Ländern nicht vollständig abgerufen werde, obwohl sie gut für Verbundprojekte der landwirtschaftlichen Wasserinfrastruktur genutzt werden könnte und damit der Klimaanpassung der Landwirtschaft dienen würde. Durch eine intensivere Vernetzung von zuständigen Behörden des Bundes und der Länder könnten dezentral gesammelte Daten für die genauere Modellierung von ⁠Klimafolgen⁠ besser aufbereitet werden. Zudem erhofften sich die Teilnehmenden, dass Landwirte einen verbesserten Zugang zu aktuellen Wetterdaten haben sollten.

Die Versicherungswirtschaft kann durch Produkte zur finanziellen Existenzsicherung für unabwendbare Schadensfälle die Resilienz der Landwirtschaft erhöhen. Da extreme Wettereignisse nur schwer vorhersehbar sind, ist die Nachfrage nach solchen Produkten bisher jedoch noch sehr gering. 

Zur ausführlichen Dokumentation der Veranstaltung

Quellen:

Döll, S., & Schulze, S. (2010). Klimawandel und Perspektiven der Landwirtschaft in der Metropolregion Hamburg (HWWI Research Paper, No. 1-34).
Gömann, H., Bender, A., Bolte, A., Dirksmeyer, W., Englert, H., Feil, J.-H., … Zimmer, Y. (2015). Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (⁠BMEL⁠). Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut. Abgerufen von http://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn055248.pdf
Gömann, H., Frühauf, C., Lüttger, A., & Weigel, H.-J. (2017). Landwirtschaft. In G. Brasseur, D. Jacob, & S. Schuck-Zöller (Hrsg.), Klimawandel in Deutschland: Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven (S. 183–191). Berlin: Springer Spektrum.
LTZ Augustenberg (2008). Herausforderung Klimawandel Chance oder Risiko für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg? Karlsruhe: Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg.
Weigel, H.-J. (2011). Klimawandel – Auswirkungen und Anpassungsmöglichkeite n. In G.Rahmann & Schumacher, Ulrich (Hrsg.), Praxis trifft Forschung Neues aus dem Ökologischen Ackerbau und der Ökologischen Tierhaltung 2011. Braunschweig: vTI
Weindl, I., Lotze-Campen, H., Popp, A., Müller, C., Havlík, P., Herrero, M., … Rolinski, S. (2015). Livestock in a changing climate: production system transitions as an adaptation strategy for agriculture. Environmental Research Letters, 10(9), 094021.

Autorinnen: Lea Kliem und Katja George, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

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