RO-R-5: Siedlungs- und Verkehrsfläche

Das Bild zeigt eine große offene Bodenfläche auf einer Baustelle. Im Hintergrund steht rechts neben einem aufgeschütteten Erdhügel ein Bagger auf der Fläche, links sieht man Teile einer Industriehalle. zum Vergrößern anklicken
Verbaute Böden können wichtige Ökosystemleistungen nicht mehr erbringen.
Quelle: Superingo / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

RO-R-5: Siedlungs- und Verkehrsfläche

Der Höhepunkt der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke wurde, bezogen auf den Vierjahresdurchschnitt, im Jahr 2000 überschritten. Vor allem der Zuwachs der Gebäude- und Freiflächen hat sich deutlich verlangsamt, er zieht allerdings in den letzten Jahren wieder an. Zu berücksichtigen ist, dass Umstellungen in den amtlichen Liegenschaftskatastern die Zeitreihen der Flächenkategorien in ihrer Aussagekraft einschränken.

Die Stapelsäulen-Grafik zeigt von 1997 bis 2015 die tägliche Zunahme in Hektar pro Tag bei der Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche ohne Abbauland mit quadratisch steigendem Trend, der Erholungs- und Friedhofsfläche mit quadratisch fallendem Trend sowie der Verkehrsfläche ohne Trend.
RO-R-5: Siedlungs- und Verkehrsfläche

Die Stapelsäulen-Grafik zeigt von 1997 bis 2015 die tägliche Zunahme in Hektar pro Tag bei der Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche ohne Abbauland mit quadratisch steigendem Trend, der Erholungs- und Friedhofsfläche mit quadratisch fallendem Trend sowie der Verkehrsfläche ohne Trend. Bis 2004 überwiegt deutlich die Kategorie Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche ohne Abbauland, von 2005 bis 2009 die Erholungs- und Friedhofsfläche. Von 2013 bis 2015 gelten korrigierte Daten wegen Methodenumstellungen in einzelnen Bundesländern. In 2016 gibt es aufgrund von Umgruppierungen zwischen Nutzungsarten nur einen 4-Jahres-Mittelwert 2013 bis 2016, der nicht nach den Kategorien differenziert ist. Zusätzlich ist als Linie der gleitende Vierjahresdurchschnitt der täglichen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche abgetragen. Der Wert für 2016 liegt bei 60 Hektar. Die Zeitreihe zeigt einen signifikant fallenden Trend.

Quelle: StBA (Indikatoren zur nachhaltigen Entwicklung in Deutschland)
 

Sparsame Flächenneuinanspruchnahme – ein Beitrag auch zur Anpassung

Die unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist eine begrenzte und begehrte Ressource, um die u. a. Land- und Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr, Naturschutz sowie Rohstoffabbau und Energieerzeugung konkurrieren. Mit der Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten verfolgt die ⁠Raumordnung⁠ das Ziel, die Entwicklung der Flächenneuinanspruchnahme zu steuern und die verschiedenen Nutzungsansprüche zu moderieren. Nicht zuletzt gilt es dabei, wichtige Dienstleistungen der Ökosysteme für Mensch und Natur zu erhalten oder weiter zu entwickeln.

Im Zusammenhang mit den sich ändernden Klimaverhältnissen ist mit diesen Ökosystemdienstleitungen zunächst das Potenzial unversiegelter Flächen angesprochen, Niederschläge zu versickern und das Wasser – auch in Hochwassersituationen – zeitweilig zurückzuhalten. Unverbaute Auenflächen bieten den Flüssen Raum und entlasten die unterliegenden Bereiche der Flussgebiete bei Hochwasser. In bioklimatisch belasteten Räumen steht die Versorgung von Siedlungsräumen mit frischer und kühler Luft im Vordergrund. Über Wiesen- und Ackerflächen im Umland kann sich in den Sommermonaten warme Luft schneller abkühlen als innerhalb von Siedlungen. Luftleitbahnen, z. B. offene Talbereiche, transportieren die kühle Luft in die angrenzenden Siedlungsbereiche und können dort die thermischen Belastungen abmildern. Für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe ist es vor allem relevant, fruchtbare Böden zu schützen und produktive Flächen für die Zukunft zu erhalten. Tiere und Pflanzen wiederum sind auf unverbaute Flächen und vernetzte, unzerschnittene Landschaftsstrukturen als Lebensräume angewiesen. Verändern sich die Lebensraumbedingungen infolge des Klimawandels, benötigen ⁠Fauna⁠ und ⁠Flora⁠ einen funktionierenden ⁠Biotopverbund⁠, um sich anpassen zu können.

Während diese Potenziale bei einer (Um-)Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, für die regenerative Energieerzeugung oder für den Naturschutz erhalten bleiben oder vergleichsweise kurzfristig wiederhergestellt werden können, gehen sie bei einer Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr oder durch Abgrabungen z. B. bei großflächigen Abbauvorhaben dauerhaft verloren. Die Flächeninanspruchnahme mit ihren verschiedenen nachteiligen Wirkungen zu reduzieren, kann daher als eine generelle ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ angesehen werden, die die räumliche Planung mit ihrem Instrumentarium in ihrer Umsetzung unterstützen kann. Die Verringerung der Flächenneuinanspruchnahme ist zugleich eines der zentralen Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung: Die tägliche Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke soll bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar und für 2030 auf unter 30 Hektar (minus X) gesenkt werden. Die Flächenneuinanspruchnahme ist seit dem Jahr 2000 rückläufig. Dies ist vor allem auf einen verlangsamten Zuwachs der Entwicklung der Gebäude- und Freiflächen sowie Betriebsflächen ohne Abbauland zurückzuführen, der sich nach dem Jahr 2000 innerhalb weniger Jahre halbiert und seit 2005 zwischen 30 und 40 Hektar pro Tag einpendelt hat. Derzeit zieht die Bautätigkeit allerdings wieder an, wobei vor allem der flächensparende Geschosswohnungsbau zugelegt hat und weniger der flächenzehrende Ein- und Zweifamilienhausbau. Die Zunahme der Verkehrsflächen lag bis zum Jahr 2007 infolge des anhaltenden Ausbaus der überörtlichen Straßenverkehrsinfrastruktur weitgehend konstant zwischen ca. 20 und 25 Hektar pro Tag. Seit 2008 verläuft der Zuwachs langsamer, 2012 war mit rund 11 Hektar täglich der bislang niedrigste Stand erreicht, wobei wegen methodischer Umstellungen der Flächenstatistik größere Unsicherheiten bestehen. Die starke Zunahme der Erholungs- und Friedhofsflächen zwischen 2003 und 2009 ist dagegen z. T. keine reale Flächennutzungsänderung, sondern auf Umstellungen in den amtlichen Liegenschaftskatastern vor allem in den neuen Bundesländern zurückzuführen, die der Erhebung zugrunde liegen. Die reale Flächenneuinanspruchnahme lag in diesen Jahren daher tendenziell niedriger, als es die Flächenstatistik ausweist.

In welchem Umfang die räumliche Planung mit ihren Instrumenten zu der insgesamt verlangsamten Flächenneuinanspruchnahme beiträgt, lässt sich anhand der flächenstatistischen Zahlen nicht abschätzen. Die Gründe für das verhaltene Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen der letzten Jahre werden in der demographischen und der konjunkturellen Entwicklung gesehen. Das bis 2020 angestrebte Nachhaltigkeitsziel wird sich allerdings auch bei einer Fortsetzung des aktuellen Entwicklungstrends mit zwischenzeitlich hoher Zuwanderung nicht ohne weitere Anstrengungen erreichen lassen. Die notwendigen zusätzlichen Bemühungen um eine sparsame Flächenentwicklung müssen möglichen Klimawandelfolgen Rechnung tragen. Unter anderem sollten aus einer verstärkten Siedlungsentwicklung nach Innen, z. B. durch Flächenrecycling oder Nachverdichtung, keine höheren bioklimatischen Belastungen resultieren.

 

Schnittstellen

BAU-I-1: Wärmebelastung in Städten

WW-I-3: Hochwasser

RO-R-6: Siedlungsnutzung in Hochwassergefahrenbereichen

 

Ziele

Verbesserung der Versickerungsmöglichkeiten durch Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme und planerische Unterstützung von Rückbau und Entsiegelung (⁠DAS⁠, Kap. 3.2.14)

Flächeninanspruchnahme unter 30 Hektar pro Tag im Jahr 2030 (⁠NHS⁠ 2016, Teil C, II 11)83

Sparsamer und schonender Umgang mit Grund und Boden, Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen, Vorrang der Innenentwicklung (BauGB, § 1a (2))

Verringerung der erstmaligen Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke, insbesondere durch quantifizierte Vorgaben zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme (ROG, § 2 (2) 6)

Naturgüter, die sich nicht erneuern, sind sparsam und schonend zu nutzen. (BNatSchG, § 1 (3))

83 - Die Bundesregierung 2016: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016. Berlin, 258 S.
www.bundesregierung.de/resource/blob/975274/318676/3d30c6c2875a9a08d364620ab7916af6/2017-01-11-nachhaltigkeitsstrategie-data.pdf