Produktanpassung

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Beleuchtungstechniken
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Inhaltsverzeichnis

 

Produktanpassung

Der ⁠Klimawandel⁠ wirkt sich durch das zunehmende Auftreten milder Winter und einen Rückgang der Schneebedeckungsdauer direkt auf alle schneegebundenen Aktivitäten aus. Insbesondere in skitouristisch geprägten Orten kann diese Veränderung der natürlichen Voraussetzungen ein Problem darstellen, weil Gebiete ohne ausreichende Schneesicherheit den Ansprüchen der wintersporttreibenden Personen nicht mehr gerecht werden können und somit an Attraktivität verlieren. Mit dem fortschreitenden Klimawandel wird der Aufwand für die Aufrechterhaltung dieses Tourismuszweiges immer weiter ansteigen und mittel- bis langfristig können die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr angemessen durch technische Maßnahmen (z. B. Beschneiung) ausgeglichen werden. Dies erfordert neue Strategien für den Wintertourismus. Beispiele für Produktanpassungen sind der Ausbau von Winterwanderwegen, der Rückbau von Skiliften und/oder eine Ganzjahresnutzung von Liftanlagen.
Im Gegensatz zum Wintertourismus könnten bestimmte Tourismusregionen in der Sommer- und Nebensaison von einer Temperaturzunahme, einer saisonalen Verschiebung von Niederschlagsmustern und einer Verlängerung der Sommersaison in Zukunft profitieren und dadurch insgesamt klimatisch begünstigt werden. Um die dadurch entstehenden neuen Potenziale auszuschöpfen, können Produktanpassungen notwendig sein. Einfachere Maßnahmen können zum Beispiel die flexible Anpassung der Öffnungszeiten von Freibädern, Liftanlagen oder ähnlichen Einrichtungen sein. Auch der Ausbau von Angeboten für bestimmte Zielgruppen kann eine Strategie sein. Darüber hinaus können sich durch die klimatischen Änderungen aber auch Herausforderungen ergeben, die eine Anpassung unmittelbar erforderlich machen. So musste beispielsweise die Flusskreuzfahrt auf der Elbe in Sommern mit Niedrigwasser zeitweise eingestellt werden, weil diese durch niedrige Wasserstände nicht mehr möglich war. Stattdessen wurden Reisebusse eingesetzt. Anpassungsmaßnahmen sind daher auf der einen Seite notwendig, um Kündigungen und Umbuchungen und damit verbundene Umsatzeinbrüche zu vermeiden. Auf der anderen Seite geht mit der Produktanpassung bestenfalls eine touristische Aufwertung des bisherigen Angebots einher.
Mögliche Vorgehensweise bei der Produktanpassung:

  1. Bestandsaufnahme: Welche tourismusrelevanten Angebote gibt es? Welche Zielgruppen werden angesprochen? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen?
  2. Zukunftsanalyse: Wie beeinflusst der Klimawandel die touristische Nachfrage? Welche weiteren Entwicklungen sind zu berücksichtigen? Welche Chancen und Risiken ergeben sich für den Tourismus?
  3. Strategie- und Maßnahmenentwicklung: Mit welcher Strategie soll den Herausforderungen zukünftig begegnet werden? Welche bestehenden Potenziale können für eine Neuausrichtung des Angebots genutzt werden? Welche zusätzlichen Maßnahmen sind notwendig (z. B. Schaffung neuer Infrastrukturen)?
  4. Umsetzung, ⁠Monitoring⁠ und Kommunikation: Durchführung der geplanten Maßnahmen, Kommunikationsstrategie für die Zielgruppenansprache, Kontrolle der Zielerreichung (Monitoring einzelner Maßnahmen sowie der gesamten Strategie).

Entscheidend dabei ist auch, Werte (z. B. Kultur & Tradition, Erholung, Naturverbundenheit) zu vermitteln und mögliche Alleinstellungsmerkmale (unique selling propositions) auszubauen, so können neue Zielgruppen angesprochen werden. Nachdem das neue „Produkt“ geschaffen wurde, müssen die weiteren Stationen der customer journey in der Angebotskette angepasst werden (dies reicht von der Informationsbereitstellung im Internet, der Anreise, dem Aufenthalt des Gastes, der Abreise und der Zeit nach der Reise).

 

Hauptverantwortliche Institution (Maßnahmenträger):

Destinationsmanagementorganisation

 

Zu beteiligende Akteure:

Unterschiedlich je nach Art und Reichweite des Vorhabens (z. B. Beherbergungsbetriebe, Gaststätten, lokale Wirtschaft, Alpenverein, Naturschutzverein, Kommune, Nachbarorte, interessierte Öffentlichkeit, Wissenschaft, ...)

 

Klimawandelfolgen:

Winter: Temperaturanstieg, Abnahme des Schneeniederschlags, Veränderung der Schneequalität, Verkürzung der Schneedeckendauer  (→ Verkürzung der Wintersaison und klimatische Benachteiligung klassischer wintertouristischer Aktivitäten)
Frühjahr/Sommer/Herbst: Temperaturanstieg, saisonale Verschiebung der Niederschlagsmuster (→ Verlängerung der Sommersaison und klimatische Begünstigung von Frühling und Herbst)
Ganzjährig: Zunahme von Extremwetterereignissen

 

Verwendete Steuerungsinstrumente:

Strategieentwicklung, customer journey, Beteiligungsverfahren (Workshops, Diskussionsrunde, Befragung), Marketingkonzept, ...

 

Hindernisse und Lösungen:

Da es sich bei der Produktanpassung in vielen Fällen um eine tiefgreifende Umstellung des bisherigen Angebotes handeln wird, können Interessenskonflikte die Umsetzung behindern. Dies ist besonders problematisch, da die Produktanpassung auf eine möglichst breite Unterstützung aller touristischen Akteure angewiesen ist. Die Beteiligung aller relevanten Interessensgruppen ist daher ein Mittel, um die erfolgreiche Umsetzung der Planung sicherzustellen. Zudem können aus dem gegenseitigen Austausch neue Impulse und Ideen für die Entwicklung des Tourismus entstehen.
Je nach Art und Ausmaß der Produktanpassung können außerdem größere Investitionen notwendig sein, z. B. für die Schaffung neuer touristischer Infrastrukturen. Daher ist es wichtig, die Finanzierung der Anpassung frühzeitig zu planen und sich über mögliche Fördermöglichkeiten zu informieren (siehe „Kosten“). Außerdem sollte stets berücksichtigt werden, dass es sich um langfristige Investitionen handelt, die unter Umständen erst in einigen Jahren wirksam werden. Im Idealfall wird der Tourismus durch die rechtzeitige Anpassung langfristig gesichert und plötzliche Umsatzeinbußen (z. B. durch das gehäufte Auftreten von Extremereignissen oder schneearmen Wintern) verhindert bzw. abgemildert.

 

Kosten:

Die Höhe der Kosten ist vor allem von der Ausgangssituation, also den schon bestehenden Angeboten und Möglichkeiten, sowie der Art des Vorhabens abhängig. Unter Umständen kann eine Förderung in Anspruch genommen werden, z. B. auf Landesebene (z. B. im Rahmen einer Dorferneuerung → Förderung von Schaffung, Erhaltung und Ausbau von Freizeit- und Naherholungseinrichtungen möglich), Bundesebene (kommunale Leuchtturmvorhaben)  oder EU-Ebene  (z. B. Förderungen für den ländlichen Raum).

 

Ökologische Aspekte:

Der pistengebundene Skitourismus ist generell eher den umweltbeanspruchenden Tourismusaktivitäten zuzuordnen, da hierfür eine entsprechend aufwendige Infrastruktur (Pisten, Lifte, Beschneiungsanlagen, ...) bereitgestellt werden muss, die Eingriffe in die natürliche Umgebung erfordert. Zudem ist auch der laufende Betrieb mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch verbunden. Andererseits wird argumentiert, dass beim Skisport die Tourismusaktivitäten auf einen begrenzten Bereich kanalisiert werden, wodurch die anderen Gebiete ungestört bleiben. Dies muss bei einer Umstellung auf andere schneebasierte Angebote berücksichtigt werden (z. B. entsprechende Lenkung bei Schneeschuhwanderungen und Skitouren). Bei den nicht schneebasierten Angeboten und der Anpassung von Angeboten für die Sommer- und Nebensaison können die Umweltauswirkungen sehr unterschiedlich ausfallen und sind daher für jeden Einzelfall gesondert zu bewerten.

 

Sozio-ökonomische Aspekte:

Der Wegfall von klimawandelbedingt nicht mehr zukunftsfähigen Tourismuszweigen (z. B. der klassische Skitourismus in einigen Gebieten) kann zunächst Umsatzeinbrüche bzw. -verschiebungen zur Folge haben, unabhängig davon, ob dieser Prozess geplant oder ungeplant abläuft. Allerdings können durch eine erfolgreiche Neuausrichtung und Anpassung touristischer Angebote neue Einnahmequellen erschlossen werden und plötzliche Umsatzeinbußen verhindert werden. Zudem haben Regionen, die sich frühzeitig um eine Anpassung bemühen, den Vorteil, vorausschauend planen zu können, statt nur Schadensbegrenzung zu betreiben. Zudem bleibt mehr Zeit, um das neue Produkt erfolgreich auf dem Tourismusmarkt zu platzieren.
Darüber hinaus kann sich eine touristische Aufwertung (z. B. Schaffung neuer Freizeiteinrichtungen) nicht nur positiv auf den Tourismus auswirken, sondern auch auf die lokale Bevölkerung. Im Idealfall dienen Anpassungsmaßnahmen sowohl den Interessen der Gäste als auch der Wohnbevölkerung.

 

Sonstiges:

Praxisleitfäden (z. B. Tipps zur Zukunftsforschung (⁠Szenario⁠-Arbeit) im Tourismus)

 

Quellen:

Dieser Vorschlag für eine ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „Folgen des Klimawandels für den Tourismus in den deutschen Alpen und Mittelgebirgsregionen und Küstenregionen sowie auf den Badetourismus und flussbegleitende Tourismusformen (z. B. Radwander- und Wassertourismus) “ / Seite 147.

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Schlagworte:
 Klimafolgenanpassung