GE-I-4: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie

Das Bild zeigt die Großaufnahme einer Tigermücke, die gerade in menschliche Haut sticht.zum Vergrößern anklicken
Die Asiatische Tigermücke kann eine Vielzahl von Krankheitserregern übertragen
Quelle: emodeath / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

GE-I-4: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie

Wärmere Klimabedingungen können die Etablierung und Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke in Deutschland begünstigen. Damit sind erste Voraussetzungen geschaffen, dass sich dieser Erreger lokal auch hierzulande weiter verbreiten kann, sofern er durch infizierte Personen eingeschleppt wird. Die Funde von Eiern und Mücken in Fallen und positive Beprobungen im Oberrheingebiet haben deutlich zugenommen.

Die Säulen-Grafik zeigt seit 2005 den Prozentanteil von Beprobungen sowie den Anteil von Fallen mit positiven Befunden der Tigermücke. Aufgrund der noch kurzen Zeitreihen kann noch keine Trendanalyse durchgeführt werden. Die positiven Befunde nehmen aber zu.
GE-I-4: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie

Die Säulen-Grafik zeigt seit 2005 den Prozentanteil von Beprobungen sowie den Anteil von Fallen mit positiven Befunden der Tigermücke. Aufgrund der noch kurzen Zeitreihen kann noch keine Trendanalyse durchgeführt werden. Die positiven Befunde nehmen aber zu.

Quelle: Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage KABS e.V. (Mückenmonitoring)
 

Exotische Mücken bergen neue Gesundheitsrisiken


Weltweit sind wir mit neuen und wieder auftretenden Infektionserregern konfrontiert, die oft zwischen Tier und Mensch übertragen werden können und sich aufgrund der stetig wachsenden globalen Mobilität rasch verbreiten. Sowohl langfristige Klimaänderungen (Temperatur, Niederschlag) als auch die Zunahme von Extremwetterlagen sind von Bedeutung. Bei ⁠Vektor⁠-übertragenen Infektionskrankheiten wie Malaria, Dengue, Leishmaniose, Zika, Chikungunya oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist zu befürchten, dass in Deutschland unter veränderten Klimabedingungen sowohl für die tierischen Überträger wie z. B. Stechmücken oder Zecken als auch für die Erreger günstigere Bedingungen herrschen und infolge dessen auch das Infektionsrisiko für Mensch und Tier steigt. Dies zeigt, wie eng die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt miteinander verknüpft sind (One Health).

Die Mechanismen von Aufnahme, Entwicklung und Vermehrung von Krankheitserregern in Vektoren und die Übertragung auf Tiere und Menschen sind in vielen Fällen noch nicht vollständig aufgeklärt. Veränderte klimatische Verhältnisse können an mehreren Stellen dieses Zusammenwirkens von Krankheitserregern und Vektoren Einfluss auf die Entwicklungen nehmen. Veränderte klimatische Verhältnisse können unter anderem Änderungen in der Vermehrungsrate der tierischen Vektororganismen, ihrer Lebensdauer, ihrem Verhalten oder ihrer Populationsdichte zur Folge haben. Auch ihre Effizienz bei der Übertragung von Krankheitsüberträgern kann beeinflusst sein. Kurze Winter können dazu führen, dass die Tiere längere Zeit im Jahr aktiv sind, sich schneller vermehren und mehr Generationen ausbilden. Es kann dazu kommen, dass sich ursprünglich in Deutschland nicht heimische Vektorarten, die aus warmen Ländern eingeschleppt werden, hier etablieren und verbreiten.

Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen ⁠Klimawandel⁠ und Vektor- bzw. Erregerausbreitung ist noch im Aufbau. Während die Erfassung der meisten mit Vektoren assoziierten Infektionskrankheiten aufgrund der Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (u. a. Meldepflichten) bereits systematisch und i. d. R. auch bundesweit stattfindet, mangelt es noch an Daten zum Vorkommen und zur Verbreitung von Vektorarten und deren Durchseuchung mit den Erregern. Aufgrund dessen beschränkt sich die Darstellung beispielhaft nur auf einen Vektor, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), eine ursprünglich aus Südostasien stammende Stechmückenart. Sie gilt als hocheffizienter Vektor, der über 20 unterschiedliche Viren übertragen kann.

Die Tigermücke ist in Südeuropa sowie in Teilen Mitteleuropas inzwischen in einer aus den USA stammenden, bereits an nicht tropische Verhältnisse angepassten Form weit verbreitet. In Deutschland werden seit einigen Jahren regelmäßig Eier, Larven und erwachsene Tiere gefunden. Der Eintrag erfolgt nach derzeitigem Kenntnisstand über den Kraftverkehr aus dem Süden kommend (z. B. Italien). Dort, wo die Tigermücke günstige Bedingungen vorfindet, kann sie sich etablieren und weiter ausbreiten. Begünstigt wird die Ansiedlung der Tigermücke, wenn sie in unmittelbarer Nähe ihrer Freisetzungsstelle genügend Brutstätten, Blutwirte und Rückzugszonen findet, wie z. B. in Kleingärtenanlagen und Siedlungsbereiche mit hohem Gartenanteil.

Für das Chikungunya-Virus konnte bereits gezeigt werden, dass eine Übertragung durch Ae. albopictus auch in Deutschland weniger durch die Außentemperaturen, sondern insbesondere durch das ausreichende Auftreten der Stechmücken begrenzt wird7. Für das Zika-Virus zeigen Laborversuche, dass die Vektorkompetenz von Ae. albopictus bei Temperaturen von 27 °C deutlich gegenüber niedrigeren Temperaturen von 18 °C erhöht ist8. Mit der Etablierung dieser Stechmücken sind so erste Voraussetzungen geschaffen, dass sich dieser Erreger lokal auch hierzulande weiterverbreiten kann, sofern er durch infizierte Personen eingeschleppt wird.

Die Rheinebene ist innerhalb Deutschlands eine wärmebegünstigte Region. Sie gilt auch über den Kraftfahrverkehr als eine wichtige Eintrittspforte wärmeliebender Arten aus den Nachbarländern (u. a. der Schweiz und Italien) nach Deutschland. Seit dem Jahr 2005 wird das Auftreten der Tigermücke im Oberrheingebiet erfasst. Im Jahr 2007 gab es einen ersten Nachweis. Damals wurden 105 Fallen untersucht und in einer von über tausend Beprobungen fünf Eier der Tigermücke nachgewiesen. Nach einer Unterbrechung des ⁠Monitoring⁠ in den Jahren 2010 und 2011 und der Aufstellung neuer Fallentypen kam es im Jahr 2012 erneut zu positiven Befunden, es wurden insgesamt acht Tiere gefunden, damit war ein Prozent aller Fallenbeprobungen positiv. Ab 2012 wurde die Anzahl der Beprobungen ausgeweitet, ab 2014 wurden jährlich etwa 1.500 Beprobungen im Oberrheingebiet durchgeführt. Im Jahr 2013 ergaben bereits 13 % aller Fallen und etwas über 2 % aller Beprobungen Nachweise von Eiern oder ausgewachsenen Mücken. In den Folgejahren ist die Zahl positiver Befunde weiter angestiegen. Im Jahr 2014 konnte bei ca. 18 % und 2017 bereits bei ca. 34 % der Fallen an den Autobahnen ein Ae. albopictus-Nachweis geführt werden. Darüber hinaus spricht man in Baden-Württemberg mittlerweile von mindestens vier etablierten Populationen. An den Standorten in Heidelberg und Freiburg haben nachweislich drei aufeinanderfolgende Überwinterungen von 2015 auf 2016, 2016 auf 2017 und 2017 auf 2018 stattgefunden. Seit 2015 wird bundesweit ein Stechmückenmonitoring aufgebaut9.

Die Durchseuchung mit Ae. albopictus in Deutschland ist dennoch niedriger als in Südeuropa. Auch die Warmwetter Perioden fallen in Deutschland immer noch kürzer aus. Da selbst in Südeuropa neben zwei Chikungunya-Virus-Ausbrüchen in Italien nur seltene Einzelfälle und kleine Cluster an Übertragungen von Dengue- und Chikungunyavirus identifiziert wurden, kann insgesamt das Risiko einzelner Übertragungen für Deutschland zwar nicht ausgeschlossen werden, die Gefahr größerer Ausbrüche scheint aber begrenzt zu sein.

7 - Heitmann A., Jansen S., Lühken R., Helms M., Pluskota B., Becker N., Kuhn C., Schmidt-Chanasit J., Tannich E. 2018: Experimental risk assessment for chikungunya virus transmission based on vector competence,
distribution and temperature suitability in Europe, 2018. Euro Surveill. 2018;23(29):pii=1800033.
https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2018.23.29.1800033

8 - Heitmann A., Jansen S., Lühken R., Leggewie M., Badusche M., Pluskota B., Becker N., Vapalahti O., Schmidt-Chanasit J., Tannich E. 2017: Experimental transmission of Zika virus by mosquitoes from central Europe.
Euro Surveill. 2017;22(2):pii=30437.
https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2017.22.2.30437

9 Seit 2015 wird in Deutschland ein kontinuierliches, aktives Stechmückenmonitoring in Deutschland aufgebaut, das mit Hilfe von speziellen Mückenfallen und gesonderten Larvalsammlungen das geografische und
saisonale Auftreten von Stechmücken-Arten und der von ihnen übertragenen tier- und humanpathogenen Krankheitserreger in Deutschland erfasst. Ebenfalls seit 2015 wird das Citizen-Science Forschungsvorhaben
„Mückenatlas“ durchgeführt (s. auch https://mueckenatlas.com). Bis zum Frühjahr 2019 hatten mehr als 22.000 Teilnehmende mehr als 120.000 Stechmücken für die Forschung gefangen und an die Expertinnen
und Experten beim Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und am Friedrich-Loeffler-Institut geschickt. Dadurch wurde es möglich, zahlreiche weitere Nachweise der Tigermücke abseits der Autobahnen zu
führen und sogar Populationen zu entdecken, die in Thüringen, Heidelberg und Erding überwintert haben.

 

Ziele

Bund und Länder sollten zusätzliche Daten gewinnen und analysieren, um epidemiologische Entwicklungen in Deutschland rechtzeitig zu erkennen, ihre Ursachen und Zusammenhänge zu verstehen, Risiken besser abschätzen zu können und Präventions- und Interventionsstrategien zu entwickeln. (⁠DAS⁠, Kap. 3.2.1)