Evakuierungs- und Kommunikationskonzepte erstellen

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Inhaltsverzeichnis

 

Evakuierungs- und Kommunikationskonzepte erstellen

Der ⁠Klimawandel⁠ bedingt eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Extremwetterereignissen (z. B. Sturmfluten, Hochwasser oder Waldbrände), welche im Rahmen des Krisenmanagements bewältigt werden müssen. Dazu müssen beispielsweise bestimmte Verhaltensanweisungen an die gefährdeten Personen kommuniziert werden, manche Krisensituationen können eine großflächige Evakuierung erforderlich machen. Grundlage hierfür können entsprechende Evakuierungs- bzw. Kommunikationskonzepte bilden, welche natürlich auch bei sonstigen, nicht klimatisch beeinflussten Krisenereignissen zur Anwendung kommen können.

Evakuierung:
Die Evakuierung bezeichnet den Vorgang, bei dem Menschen unmittelbar vor oder bei Eintritt einer Katastrophe aus dem gefährdeten Gebiet an einen sicheren Ort geleitet oder transportiert werden, die Evakuierung ist daher ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements. Die einzelnen Phasen des Evakuierungsprozesses sind die Entscheidung für die Evakuierung, die Warnung der Bevölkerung, der Transport, die Unterbringung und schließlich die Rückkehr der Evakuierten. Man unterscheidet zwischen der angeordneten, der empfohlenen und der selbstständigen Evakuierung. Ziel ist in erster Linie die Reduzierung oder Vermeidung von Personenschäden. Damit eine Evakuierung möglichst effektiv und effizient ablaufen kann, ist eine sorgfältige Planung des Evakuierungsprozesses Voraussetzung.  
Darauf aufbauend können dann weitere notwendige Vorbereitungen, wie zum Beispiel die sichtbare Markierung von Sammelpunkten oder die Verteilung von Informationsmaterial im potenziell betroffenen Gebiet (insbesondere auch in touristischen Betrieben, s. Maßnahme „Bevölkerung über Wetterrisiken und Naturgefahren aufklären – Gäste offen informieren“), getroffen werden.  Dies trägt zu einer Erhöhung des Bewusstseins in der Bevölkerung bei, welches sich im Falle einer Evakuierung positiv auswirken kann. Eine vorherige Planung ist aber insbesondere deshalb wichtig, weil bei einer Evakuierung Entscheidungen auf Basis begrenzter Informationen und unter Zeitdruck getroffen werden müssen.  
In einem Evakuierungskonzept werden Sammelstellen, Transportmittel, Warn- und Informationsmittel, Evakuierungsrouten/-wege sowie die Unterbringung und Versorgung (z. B. Lebensmittel und medizinische/psychologische Betreuung) der Evakuierten geregelt. In Tourismusdestinationen muss dabei besonders auf die speziellen Rahmenbedingungen bei der Evakuierung der Touristinnen und Touristen Wert gelegt werden. Studien, bei denen Gäste (und anderen Personengruppen mit hoher Mobilität) in den USA nach Krisenereignissen befragt wurden, zeigten beispielsweise, dass diese Katastrophenwarnungen erst mit Verzögerung erhalten hatten und ein Viertel der Personen nicht auf die Warnung reagierte.  
Folgende Rahmenbedingungen und Festlegungen sollten in einem Evakuierungskonzept mindestens beschrieben werden:  

  • Grundlegende Informationen über das Gebiet (Geländestruktur, Bebauung, Verkehrswege, …) und die zu evakuierenden Personen (Wie viele Menschen müssen (unter Berücksichtigung der Bevölkerungsgruppen neben der „ständigen Wohnbevölkerung“) je nach ⁠Szenario⁠ evakuiert werden? Besondere Berücksichtigung der Bevölkerungsgruppen neben der „ständigen Wohnbevölkerung“; Gibt es jahres- und tageszeitliche Unterschiede?)
  • Umgang mit „Sonderobjekten“ (z. B. Hotels), hierfür können ggf. auch eigene Evakuierungskonzepte sinnvoll sein
  • Transport- und Verkehrsmanagement (Können sich alle Touristinnen und Touristen selbst evakuieren oder sind sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen?)
  • Planung der Unterbringung und Versorgung der Evakuierten (Besonders Touristinnen und Touristen sind darauf angewiesen, dass sie geeignete Notunterkünfte nutzen können, da eine Unterkunft bei Familie oder Bekannten in den meisten Fällen nicht infrage kommt. Andererseits wäre es auch denkbar, dass diese insbesondere bei länger andauernden Krisenzuständen die Rückreise antreten oder sich für eine andere Destination entscheiden).

Kommunikation mit den zu evakuierenden Personen (Abstimmung mit Krisenkommunikationskonzept; touristische Betriebe als Multiplikator?)
Die Verwendung von Karten in dem Evakuierungskonzept kann dazu beitragen, Sachverhalte anschaulich darstellen und kommunizieren zu können. Des Weiteren ermöglicht die praktische Einübung unter Einbeziehung aller relevanten Akteure eine planvolle Evakuierung im Krisenfall.
So können vorhandene Konzepte beim Eintreten einer Krisensituation zu einer besseren und schnelleren Evakuierung und somit zur Verringerung des möglichen Schadens an Personen beitragen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kommunikation, wobei grundsätzlich zwischen der langfristig wirkenden und ereignisunabhängigen Risikokommunikation und der mit dem Eintritt einer Krise verbundenen Krisenkommunikation unterschieden werden kann. Letztere dient dabei vor allem zur Abwehr oder Begrenzung von Gefahr und Schaden und unterstützt die Rückkehr von dem Krisenzustand in den Normalzustand. Krisenkommunikation ist daher weniger planbar und findet meist unter unvorhersehbaren Rahmenbedingungen, Zeitdruck und auf Basis unvollständiger Informationen statt. Eine erfolgreiche Krisenkommunikation wird durch eine gute Risikokommunikation unterstützt (s. Maßnahme „Bevölkerung über Wetterrisiken und Naturgefahren aufklären – Gäste offen informieren“).

Krisenkommunikation:
Gegenstand der Krisenkommunikation sind Warnungen, Verhaltenshinweise, oder Maßnahmen. Voraussetzung für eine strategische und schnelle Kommunikation an die betroffene Zielgruppe ist, dass in einem Kommunikationskonzept die Rahmenbedingungen hierfür festgelegt werden. Ziel ist es, alle betroffenen Personen über das gewählte Kommunikationsmittel zu erreichen, die Botschaft verständlich zu vermitteln, sodass diese von den Empfängern akzeptiert wird und ggf. entsprechende Reaktionen auslöst. In touristischen Regionen muss dabei berücksichtigt werden, dass sich die meisten Touristinnen und Touristen durch eine schwache Ortsbindung, eine diskontinuierliche Mobilität und geringe bis fehlende Sprach- und Ortskenntnisse auszeichnen. Eine zielgruppenspezifische Kommunikation sollte also beispielsweise mehrsprachig erfolgen und für ortsunkundige Personen verständlich sein. Bei der Krisenkommunikation kann die potenzielle Krise, latente Krise, akute Krise und die Nachkrise unterschieden werden. Jede der vier Phasen stellt wiederum unterschiedliche Anforderungen an die Kommunikation, was im Krisenkommunikationskonzept geplant werden sollte.
Fragestellungen/Inhalt des Kommunikationskonzepts:

  • Bestandsaufnahme: bestehende Kommunikationsprozesse und -wege? Stärken und Schwächen?
  • Über welche Kommunikationskanäle können die Touristinnen und Touristen am besten erreicht werden?
  • Kommunikationskanäle: Klassische Kommunikationswege wie Sirenen, Telefon, Radio oder Fernsehen bilden die Basis für die Krisenkommunikation, werden aber zunehmend ergänzt durch moderne Kommunikationsmittel (Smartphone-Apps, soziale Medien, …).
  • Wer kommuniziert? Wer ist wofür zuständig? Interner Informationsaustausch und -wege? (In der Praxis hat sich die Beschränkung auf eine einzelne kommunizierende Person als schwer durchsetzbar erwiesen. Daher sollte umso mehr auf die Einheitlichkeit der Aussagen, die von verschiedenen Kommunikationskanälen bzw. verschiedenen Kommunikatoren ausgehen, geachtet werden.)
  • Grundsätze bei der Krisenkommunikation mit Touristinnen und Touristen? (Allgemeine Grundsätze: schnell, transparent, verständlich, glaubwürdig, konsistent)
  • Kommunikationsstrategien für verschiedene Szenarien (Auch die Vorbereitung von Textbausteinen, welche dann an bestimmte Krisensituationen angepasst werden können, ist sinnvoll); wichtig dabei ist, nicht nur Gefahren, sondern immer auch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Weitere Hinweise und ein Muster für die inhaltliche Gliederung eines Krisenkommunikationskonzepts finden sich im „Leitfaden Krisenkommunikation“.

 

Hauptverantwortliche Institution (Maßnahmenträger):

Katastrophenschutzbehörde

 

Zu beteiligende Akteure:

Berufs- und Freiwillige Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, Wasserwirtschaftsamt, Lawinenkommission, touristische Betriebe, Tourismusverbände, …

 

Klimawandelfolgen:

Zunahme klimatisch beeinflusster Extremereignisse (Hochwasser, Sturmfluten, Starkregenereignisse, Sturm, Brände, Lawinen, Erdrutsch, …)

 

Verwendete Steuerungsinstrumente:

Evakuierungskonzept, Kommunikationskonzept, Beteiligungsverfahren, praktische Übungen

 

Hindernisse und Lösungen:

Um die nötige Praxisrelevanz und tatsächliche Umsetzung bzw. Anwendung der Konzepte sicherzustellen, ist es wichtig, dass das Evakuierungs- und Kommunikationskonzept aufeinander abgestimmt werden und diese wiederum auf der Risikoanalyse aufbauen (s. Maßnahme „Risikoanalysen und Naturgefahrenszenarien für den Tourismus durchführen, Risikokartierung laufend aktualisieren”). Außerdem sollten sich die Konzepte zum einen möglichst auf konkrete Krisensituationen beziehen, zum anderen die notwendigen Fachexpertinnen und -experten in den Erstellungsprozess eingebunden werden. Insbesondere die touristischen Betriebe sollten dabei als wichtige Multiplikatoren und Verbindungsstelle zu den Gästen erkannt werden und dementsprechend beteiligt werden. Auch die Unterstützung der politischen Ebene sollte angestrebt werden, um die Umsetzbarkeit zu gewährleisten.
Zudem muss beachtet werden, dass nur ein Konzept, welches regelmäßig aktualisiert und an sich veränderte Rahmenbedingungen angepasst wird, im Krisenfall eine gute Entscheidungsgrundlage darstellen kann. Auch die Erkenntnisse, die aus Krisenereignissen oder Übungen gewonnen werden, sollten eingearbeitet werden.  
Hinweis: Die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bietet in diesem Zusammenhang Fortbildungen oder Seminare an, z. B. zum Thema „Risiko- und Krisenkommunikation“.

 

Kosten:

Die Erstellung der Konzepte fordert je nach Ausgangssituation und Ziel finanzielle und personelle Ressourcen in unterschiedlicher Höhe. Die Kosten, die durch die Vermeidung oder Abmilderung der Folgen einer Krisensituation eingespart werden können, können aber viel höher sein. Um ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis sicherzustellen, ist es wichtig, sich auf bestimmte Krisensituationen zu fokussieren und nicht alle theoretisch möglichen Risiken abdecken zu wollen.

 

Ökologische Aspekte:

Aus der Erstellung und Umsetzung von Evakuierungs- und Kommunikationskonzepten ergeben sich keine direkten ökologischen Folgen.

 

Sozio-ökonomische Aspekte:

Im Rahmen des Krisenmanagements können Kommunikations- und Evakuierungskonzepte dazu beitragen, Krisenereignissen erfolgreich zu bewältigen und Imageschäden, die z. B. durch eine Verbreitung negativer Schlagzeilen entstehen können, zu verhindern. Zudem kann so das Vertrauen in die Destinationsmanagementorganisation gestärkt werden. Mit der Erstellung der Konzepte an sich sind keine sozio-ökonomischen Effekte verbunden, diese zeigen sich erst mit bzw. nach dem Eintritt einer Krisensituation.

 

Quellen:

Dieser Vorschlag für eine ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „Folgen des Klimawandels für den Tourismus in den deutschen Alpen und Mittelgebirgsregionen und Küstenregionen sowie auf den Badetourismus und flussbegleitende Tourismusformen (z. B. Radwander- und Wassertourismus) “ / Seite 143.

 

Zusätzliche Anregungen:

Leitfaden Krisenkommunikation - Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat den Leitfaden Krisenkommunikation vorrangig mit dem Ziel entwickelt, den Verantwortlichen in Behörden und Unternehmen eine gedankliche Anleitung für die Planung der Krisenkommunikation zu geben.

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 Zunahme klimatisch beeinflusster Extremereignisse