Eine Frage der Perspektive: Anpassung an Trockenheit im Planspiel

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Eine Frage der Perspektive: Anpassung an Trockenheit im Planspiel
Quelle: IÖW

Lösungen für komplexe Problemlagen wie die Anpassung an lange Trockenperioden, erfordern eine Diskussion, die unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze zusammenbringt. Dafür kann ein Planspiel wertvolle Impulse liefern. Beim Stakeholderdialog „Landnutzung und Flächenbewirtschaftung bei Trockenheit – Wie können Akteure in der Stadt und auf dem Land vorsorgen?“ wurde genau dies umgesetzt.

Inhaltsverzeichnis

 

Impulse zur Erhöhung der Eigenvorsorge der handelnden Akteure

Der ⁠Klimawandel⁠ erhöht die Wahrscheinlichkeit von längeren Trockenheitsperioden in Deutschland (⁠UBA⁠, 2015, 77 ff.). Zu welchen konkreten Folgen dies führen kann, wurde im Sommer 2018 deutlich und zeigt sich erneut seit diesem Frühjahr. In ländlichen Gebieten kam es zu verdorrten Weideflächen, Feld- und Waldbränden sowie Ertragsausfällen in der Landwirtschaft. In urbanen Räumen litten die Grünflächen und Bäume sichtbar unter dem Wassermangel. Um dies zukünftig abzumildern, muss die Art und Weise der ⁠Landnutzung⁠ und die Flächenbewirtschaftung an die Folgen von langanhaltender Trockenheit angepasst werden. Darüber hinaus gilt es mit geeigneten nachhaltig wirksamen Maßnahmen vorzubeugen.

Diese Thematik wurde im Rahmen eines Planspieles in dem Stakeholderdialog „Landnutzung und Flächenbewirtschaftung bei Trockenheit – Wie können Akteure in der Stadt und auf dem Land vorsorgen?“ diskutiert, der vom Kompetenzzentrum ⁠Klimafolgen⁠ und Anpassung (⁠KomPass⁠) des Umweltbundesamtes am 17. Juni 2019 in Berlin veranstaltet wurde. Der Dialog sollte nicht nur Impulse für die Weiterentwicklung der Deutschen ⁠Anpassungsstrategie⁠ an die Folgen des Klimawandels liefern, sondern auch ganz konkret das Wissen und die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure erhöhen.

Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter von Naturschutz- und Interessensverbänden sowie aus der Verwaltung, Wirtschaft und Forschung, um in einen Austausch zu treten und kooperative Maßnahmen für die Anpassung an die Folgen von Trockenheit zu diskutieren. Dafür wurde die Methode des Planspiels gewählt, da sie sich besonders gut eignet, um Abläufe zu simulieren und den Teilnehmenden ermöglicht die Konsequenzen ihrer Handlungen innerhalb eines sicheren Umfelds zu erfahren.

 

Zukunftsnarrative und Rollenperspektiven stimulieren den Austausch

Im ersten Teil der Veranstaltung standen die trockenheitsbedingten Herausforderungen sowie mögliche Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen im urbanen und im ländlichen Raum im Vordergrund. Herbert Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) teilte dafür seine Einsichten aus langjähriger Arbeit im Bereich Anpassung an ⁠Klimafolgen⁠ in Berlin. Julia Aspodien vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) stellte Herausforderungen und Lösungsansätze der Landwirtschaft insbesondere des Ackerbaus bei der Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an Trockenheit vor.

Im anschließenden Planspiel wurde jeweils ein Zukunftsnarrativ für den urbanen und den ländlichen Raum vorgestellt. Die Szenarien zeigten die Auswirkungen von Trockenheit auf Böden und ⁠Biodiversität⁠ im Jahr 2030 auf und verdeutlichten die Notwendigkeit zum Handeln. Mit spezifischen Rollenkarten versetzten sich die Teilnehmenden in die Rolle von Umweltverbänden, Verwaltung/Politik und Wirtschaft. Aus diesen unterschiedlichen Rollenperspektiven heraus mussten sie sich auf wesentliche Ziele für die Anpassung einigen. Die Methode des Planspiels ermöglichte es den Teilnehmenden ein Bewusstsein für die Perspektiven der anderen Akteursgruppen sowie potenzielle Konflikte zu entwickeln, die sich aus den verschiedenen Positionen ergeben können.

In der ersten Planspielphase handelten die Teilnehmenden drei Kernziele für ein integriertes Grünflächenmanagement in der Stadt und für eine integrierte ⁠Landnutzung⁠ in ländlichen Gebieten aus. Die zweite Planspielphase diente dann der Entwicklung konkreter Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen, um die ausgehandelten Zielsetzungen zu erreichen.

 

Anpassung erfordert integrativen Ansatz bei Landwirtschaft und städtischem Grünflächenmanagement

In den beiden Phasen zeigte sich: Um den beschriebenen Folgen von Trockenheit im urbanen und ländlichen Raum zu begegnen, erfordert es einen integrativen Ansatz, der die verschiedenen Anforderungen an die Flächennutzung und Landbewirtschaftung in ein ausgewogenes Verhältnis bringt. Für die Stadt wurden als wesentliche Zielsetzungen beispielsweise klimaangepasstes Bauen und klimagerechte Stadtplanung identifiziert. Beim Themenfeld Landwirtschaft wurden unter anderem die Einhaltung gesetzlicher Schutzziele, der Erhalt landwirtschaftlicher Produktionsgrundlagen und die Attraktivitätssteigerung des ländlichen Raums als Ziele festgehalten. Darauf aufbauend gab es eine Diskussion zu Maßnahmen und Umsetzungsschritten. Dazu gehörten zum Beispiel die Verringerung des Wasserabflusses, die Personalaufstockung in Behörden oder Betriebskooperationen zur Risikominimierung.

Im Themenfeld Stadt wurde die Problematik der bestehenden und durch Wohnungsbau anwachsenden Versiegelung diskutiert, welche die Folgen von Trockenheit verschärft. Im Hinblick auf das Grünflächenmanagement kommt hier deshalb Maßnahmen wie der Fassaden- und Dachbegrünung sowie der Entsiegelung öffentlicher und privater Flächen eine besondere Bedeutung zu. Zusätzlich wurden beispielsweise eine verbindliche Freiraumplanung und ein Entsiegelungs-Kataster vorgeschlagen. Auch die Hemmnisse in beiden Themenfeldern konnten identifiziert werden. In der Stadt argumentierten Akteure in ihren Rollen, dass die Nutzungskonkurrenz auf urbanen Flächen zu hoch, das öffentliche Geld zu knapp und die Prozesse in der Verwaltung zu langsam sind. Sowohl die Teilnehmenden aus den Umweltverbänden als auch die Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaftsverbände plädierten für mehr Empathie und den Abbau von ideologischen Grabenkämpfen. Letztlich sei eine verbesserte Zusammenarbeit untereinander sowie mit der Wasserwirtschaft und Lebensmittelindustrie wichtig. 

 

Simulation und Reflexion von Planungsprozessen ist nützlich für die Praxis

Die im Dialog festgehaltenen Ziele, Maßnahmen, Umsetzungsschritte und Hemmnisse waren das Ergebnis einer sehr offenen und respektvollen ⁠Atmosphäre⁠ während der Veranstaltung. Diese wurde bewusst durch die Methode des Planspiels geschaffen, da die Teilnehmenden in ihren Rollen frei argumentierten konnten. Durch das Planspiel war es auch möglich, die Konflikte zwischen den Akteuren eindeutig zu identifizieren.

Viele Teilnehmende gaben in der Veranstaltungsevaluation an, daraus etwas für ihren Arbeitsalltag mitgenommen zu haben. Zudem konnten sie den sicheren Raum des Planspiels nutzen, um Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen gemeinsam zu entwickeln. Während die Konfliktlinien aus Sicht der Teilnehmenden sehr gut sichtbar wurden, wünschten sich viele eine tiefergehende Herausarbeitung der konkreten Maßnahmen. Ein größerer zeitlicher Umfang des Planspiels erscheint hierfür angebracht.

Grafik zeigt die Zustimmung der Teilnehmenden zu folgender Frage: Bei der heutigen Veranstaltung ist es gut gelungen, erste Ansatzpunkte zu identifizieren, wie es zu einem Ausgleich bzw. zu Kompromisslösungen zwischen unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen von Akteuren aus Zivilgesellschaft, öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft kommen könnte.
Bewertung des Dialogformates durch die Teilnehmenden
Quelle: Torsten Grothmann

Nichtdestotrotz ging die Mehrzahl der Teilnehmenden mit mehr Wissen und Motivation aus dem im Planspiel simulierten Prozess. Insgesamt konnte die Methode des Planspiels im Rahmen des Stakeholderdialogs sehr gut angewandt werden. Dadurch war eine vielfältige Entwicklung von Problem- und Lösungsperspektiven für die ⁠Landnutzung⁠ und Flächenbewirtschaftung bei Trockenheit möglich. Im nächsten Stakeholderdialog des Umweltbundesamtes – am 5. September in Berlin –, wird daher wieder ein Planspiel durchgeführt, das sich auf das Thema der Katastrophenvorsorge bei trockenheitsbedingten Trinkwasserengpässen und Niedrigwasser konzentriert.

Weitere Informationen zum Stakeholderdialog finden Sie unter: https://www.umweltbundesamt.de/service/termine/landnutzung-flaechenbewirtschaftung-bei-trockenheit

Autorin und Autor: Friederike Rohde, Marc Beckmann (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW))

Literatur:
UBA⁠ [Umweltbundesamt] (2015): ⁠Vulnerabilität⁠ Deutschlands gegenüber dem ⁠Klimawandel⁠. Website: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikatio... (Zugriff: 26.07.2019).

Der Artikel ist als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 62 erschienen. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

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Schlagworte:
 Klimawandel  Anpassung  Trockheit  Landwirtschaft  Landnutzung  Flächenbewirtschaftung