Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen: Fragen und Antworten

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Was sind die Hintergründe der derzeitigen Diskussion um den sogenannten C.A.R.E.-Diesel®?
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Klimaschonender Diesel aus „altem Frittenfett“? Paraffinische Dieselkraftstoffe versprechen klimafreundliche Mobilität und saubere Luft. Was sind paraffinische Dieselkraftstoffe? Wie umweltfreundlich sind sie? Wo können sie sinnvoll eingesetzt werden? Warum sind sie in Deutschland als Reinkraftstoffe nicht zugelassen? Und wer ist für die Zulassung zuständig? Unsere Fragen und Antworten zum Thema.

Inhaltsverzeichnis

 

Was sind paraffinische Dieselkraftstoffe?

Paraffinische Dieselkraftstoffe können aus sehr unterschiedlichen Stoffen hergestellt werden. Dazu sind verschiedene Synthese- oder Hydrierungsverfahren notwendig. Die Ausgangsstoffe für den Kohlenstoff im paraffinischen Dieselkraftstoff reichen von biogenen Rest- und Abfallstoffen und Pflanzenölen über eigens angebaute ⁠Biomasse⁠ oder CO2 bis zu Erdgas und Kohle. Die Produkte daraus sind chemisch annähernd identisch; die verwendete Kohlenstoffquelle ist daher über das Produkt nicht ersichtlich. Paraffinische Dieselkraftstoffe als Endprodukt werden für den Einsatz in Verbrennungsmotoren in der DIN EN 15940 genormt, um einen störungsfreien Betrieb sowie die Dauerhaltbarkeit der Motoren und der Abgasreinigung sicherzustellen. Bis auf die abweichende Dichte erfüllen paraffinische Dieselkraftstoffe alle Anforderungen an die Qualität „herkömmlicher“ Dieselkraftstoffe im Straßenverkehr, die ebenfalls über Normen festgelegt sind. 

 

Ist Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen klimaschonend?

Werden paraffinische Dieselkraftstoffe ausschließlich aus biogenen Rest- und Abfallstoffen hergestellt, könnten die Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsmotoren deutlich reduziert werden – vorausgesetzt die Stoffe sind ausreichend verfügbar. Die Mengen sind aber in jedem Fall begrenzt – selbst „altes Frittenfett“ fällt nicht in unbegrenzten Mengen an. Werden paraffinische Dieselkraftstoffe aus anderen fossilen Quellen beigemischt, ist die Klimabilanz des Kraftstoffs zudem von der ⁠Klimawirkung⁠ der fossilen Beimischung abhängig. 

Viele Ausgangsstoffe für paraffinische Dieselkraftstoffe, darunter Abfälle werden heute aber schon sowohl stofflich als auch energetisch anderweitig sinnvoll genutzt. Setzt man sie im Verkehr ein, kann es erforderlich sein, in der bisherigen Anwendung fossile Ausgangstoffe zu nutzen. Der Klimanutzen würde also nur in den Verkehrssektor verlagert. Zudem kann der Einsatz der Abfallströme in anderen Bereichen wie Kraftwerken sinnvoller sein, da dort höhere Wirkungsgrade als im Verbrennungsmotor eines Autos erzielt werden – und damit im Kraftwerk eine höhere Treibhausgasminderung als im Auto. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, wie weit die Abfall- und Reststoffe vor der Nutzung transportiert werden müssen und wie aufwändig die Verarbeitung ist, bevor man entscheidet, wo sie bevorzugt eingesetzt werden sollten.

 

Stoßen Fahrzeuge, die Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen tanken, im Betrieb weniger Luftschadstoffe aus?

Ja, bei älteren Fahrzeugen ist das durchaus möglich; neue Fahrzeuge mit moderner Abgasreinigung werden durch paraffinischen Diesel jedoch nicht oder kaum sauberer. Paraffinische Dieselkraftstoffe sind – unabhängig von der Kohlenstoffquelle – im Vergleich zu fossilem Diesel in ihrer chemischen Zusammensetzung deutlich homogener. Das heißt, es ist zum einen eine geringere Anzahl von Stoffen im paraffinischen Diesel enthalten, die zum anderen aus weniger komplexe Strukturen bestehen. 

Zu paraffinischen Dieselkraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen liegen dem Umweltbundesamt zwar keine Messdaten vor, allerdings zeigen in der Literatur veröffentlichte Messungen anderer Institutionen und Forschungseinrichtungen, dass gerade bei Fahrzeugen ohne moderne Abgasnachbehandlung beim Einsatz von paraffinischen Dieselkraftstoffen die Emissionen einiger Luftschadstoffe sinken können. Bei aktuellen Pkw und Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotor und modernen Abgasnachbehandlungssystemen zur Reduzierung von Partikeln und Stickoxiden ist aber zu erwarten, dass die Emissionen am Endrohr und damit am Auspuff weitgehend unabhängig von den Rohgasemissionen des Motors sind. 

 

Kann man Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen in Deutschland tanken?

Nach aktueller Gesetzeslage ist es erlaubt, neben den 7 Prozent Biodieselanteil paraffinischen Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen mit einem Anteil von bis zu rund 26 Prozent in fossil-stämmigen Diesel beizumischen und damit zu tanken. In dieser Zusammensetzung wird die Dichteanforderung der Straßendieselnorm eingehalten. Das Inverkehrbringen von Dieselkraftstoff mit höherem paraffinischen Dieselkraftstoffanteil ist hingegen nach heutiger Gesetzeslage unzulässig. 

Geregelt ist das in der 10. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (10. ⁠BImSchV⁠), die im Dezember 2019 neu gefasst wurde. Die Verordnung verweist bei der Zulassung zum Inverkehrbringen von Kraftstoffen lediglich auf technische Normen (z.B. DIN EN 590). Im Fall von paraffinischen Dieselkraftstoffen kann aufgrund der Vielfältigkeit der Ausgangsstoffe und damit der Kohlenstoffquelle sowie der Herstellungspfade damit allein nicht sichergestellt werden, dass gegenüber fossilem Diesel eine Verbesserung in Bezug auf ⁠Nachhaltigkeit⁠ bzw. ⁠Klima⁠- und Umweltwirkung gegeben ist. Ein dafür notwendiges Zertifizierungssystem ist derzeit nicht implementiert, wäre zudem aufwendig und fehleranfällig. Deswegen wird paraffinischer Dieselkraftstoff derzeit als Reinkraftstoff nicht zugelassen.

 

Verträgt mein Fahrzeug überhaupt paraffinischen Dieselkraftstoff?

Fahrzeughersteller garantieren unter Verwendung bestimmter genormter Kraftstoffe den einwandfreien Betrieb des Fahrzeugs. Paraffinische Kraftstoffe haben eine andere Dichte als konventionelle Kraftstoffe. Kommt es zu Motorschäden unter Verwendung von paraffinischem Diesel, verfällt die Fahrzeuggarantie und der Fahrzeughalter haftet selbst. Derzeit gibt es kaum Altfahrzeuge, für die der Hersteller die Verwendung von reinem paraffinischen Dieselkraftstoff der Norm DIN EN 15940 freigegeben hat. Dies sind derzeit ausschließlich Nutzfahrzeughersteller.

 

Wo können paraffinische Dieselkraftstoffe sinnvoll eingesetzt werden?

Die Mengenpotentiale von nachhaltigen und umweltschonenden paraffinischen Dieselkraftstoffen sind weltweit beschränkt, weil die Ausgangsstoffe nur begrenzt verfügbar sind und die Nutzung im Verkehr mit anderen Nutzungen konkurriert. Der Einsatz von paraffinischen Dieselkraftstoffen ist aus Sicht des Umweltbundesamtes im Verkehr mittelfristig nur dann sinnvoll, wenn wie bei Flugzeugen oder Schiffen eine Elektrifizierung bei Langstreckenflügen und internationalen Schiffsrouten nicht möglich ist und erneuerbarer Strom daher als klimafreundliche Alternative nicht direkt genutzt werden kann. Selbst dann ist aus Sicht der Umweltwirksamkeit und ⁠Nachhaltigkeit⁠ zu klären, ob mit der verfügbaren Menge an Rest- und Abfallstoffen sich nicht in anderen Sektoren (z. B. im Energie- und Industriebereich) mehr Treibhausgasemissionen einsparen lassen bzw. Einsparungen leichter realisiert werden können. So kann die Nutzung von Stroh als Brennstoff zur (Prozess-)Wärmeerzeugung sinnvoller sein als eine Nutzung im Verkehr. Eine direkte stoffliche Nutzung der Rest- und Abfallstoffe im Sinne der Nutzungshierarchie wäre zudem einer energetischen Nutzung zu bevorzugen. 

 

Verhindert das Umweltbundesamt die Zulassung von paraffinischen Dieselkraftstoffen, wie beispielsweise sogenanntem C.A.R.E.-Diesel®?

Nein! Das Umweltbundesamt ist, anders als in einigen Medienberichten falsch und irreführend dargestellt, gar nicht für die Zulassung von Kraftstoffen zuständig. In Deutschland gibt es kein „Zulassungsverfahren“ für Kraftstoffe. Der Kraftstoff muss gesetzlich festgeschriebene Qualitätsanforderungen erfüllen. Paraffinischer Diesel als Reinkraftstoff erfüllt die gesetzlichen Vorgaben nicht. Eine Beimischung ist jedoch, wie bereits beschrieben, bis zu einem gewissen Anteil (etwa 26 Prozent) erlaubt. Die Überarbeitung der Bundesimmissionsschutzverordnung erfolgt durch die Bundesregierung unter Beteiligung aller zuständigen Ministerien.

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