Nachhaltige Waldwirtschaft

Rund ein Drittel der Landfläche in Deutschland ist mit Wald bedeckt. Dieser erfüllt vielfältige Funktionen für Mensch und Umwelt. Eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Waldbewirtschaftung soll diese Funktion jetzt und zukünftig erhalten und sicherstellen.

Inhaltsverzeichnis

 

Die vielfältigen Funktionen des Waldes

Nach den Ergebnissen der dritten Bundeswaldinventur 2011/2012 ist Deutschland mit rund 11,4 Millionen Hektar (Mio. ha) etwa zu einem Drittel mit Wald bedeckt. Der Wald erfüllt zahlreiche Funktionen für Mensch und Natur – vielfach gleichzeitig und auf derselben Fläche (siehe Schaubild „Funktionen der Wälder“).

Umweltbelastungen, ⁠Klimawandel⁠ und menschliche Nutzung können aber die natürliche Leistungsfähigkeit der Wälder überfordern. Insbesondere die Auswirkungen des Klimawandels sind in den letzten Jahren deutlich sichtbar geworden und haben zu großflächigen Waldschäden und hohen Mengen an Schadholz in den Wäldern Deutschlands geführt. So fielen seit 2018 bis Mitte 2022 rund 245 Mio. Festmeter Schadholz vor allem aufgrund von Insektenkalamitäten an (⁠BMEL⁠ 2022). Um sowohl die Leistungen und die Produktivität der Waldökosysteme dauerhaft zu erhalten als auch den Erhalt der biologischen Vielfalt auf der ganzen Waldfläche zu gewährleisten, ist eine nachhaltige, naturnahe und multifunktionale Waldbewirtschaftung Voraussetzung.

Das Schaubild zeigt verschiedene Bereiche, in denen der Wald Funktionen für Mensch und Umwelt erfüllt. Dazu gehören die Bereiche Wasserschutz, Klimaschutz, Bodenschutz, Biodiversität, Lebensraum sowie Freizeit und Erholung.
Schaubild: Funktionen der Wälder
Quelle: Umweltbundesamt Schaubild als PDF
 

Nachhaltige Waldbewirtschaftung

Heute verstehen wir unter nachhaltiger Waldwirtschaft weit mehr als die Sicherstellung der Holzmengen. Die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (FOREST EUROPE) hat 1993 in der Helsinki-Deklaration eine nachhaltige Waldbewirtschaftung definiert als „die Betreuung und Nutzung von Wäldern und Waldflächen auf eine Weise und in einem Ausmaß, welche deren biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsfähigkeit und Vitalität erhält und ihre Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, gewährleistet, ohne dass dies zu Schäden an anderen Ökosystemen führt“. FOREST EUROPE hat in diesem Zusammenhang sechs übergreifende Kriterien einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung erarbeitet:

  • Erhaltung und angemessene Verbesserung der forstlichen Ressourcen und Sicherung ihres Beitrags zu den globalen Kohlenstoffkreisläufen,
  • Erhaltung der Gesundheit und Vitalität von Waldökosystemen,
  • Erhaltung und Förderung der Produktionsfunktion der Wälder, sowohl für Holz als auch für Nicht-Holzprodukte,
  • Erhaltung, Schutz und adäquate Verbesserung der biologischen Vielfalt in Waldökosystemen,
  • Erhaltung, Schutz und angemessene Verbesserung der Schutzfunktion bei der Waldbewirtschaftung, vor allem in den Bereichen Boden und Wasser,
  • Erhaltung sonstiger sozio-ökonomischer Funktionen und Konditionen.

Dies wird aus Sicht des Umweltbundesamtes (⁠UBA⁠) nur durch eine umweltverträgliche, naturnahe und multifunktionale Waldbewirtschaftung ermöglicht.

 

Naturnähe der Wälder

Ziel der Bundesregierung ist eine naturnahe Waldbewirtschaftung auf möglichst der gesamten forstwirtschaftlichen Fläche zum Erhalt der vielfältigen ⁠Ökosystemleistungen⁠ des Waldes. Dieses Ziel hat sie sich bereits in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 gesetzt und mehrfach bekräftigt, zuletzt in der Waldstrategie 2050. Ergänzend hat die Bundesregierung in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eine Vielzahl weiterer waldbezogener Ziele formuliert, wie zum Beispiel 5 % der Wälder einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Mit der Naturschutz-Offensive 2020 sollte dieses Ziel bereits bis 2020 erreicht werden. Ende 2020 lag der Flächenanteil von Wäldern, für die die natürliche Entwicklung dauerhaft gesichert ist, bei 3,1 %, womit das Ziel nicht erreicht werden konnte.

Eine Möglichkeit die Naturnähe der Wälder zu ermitteln, ist der Vergleich der aktuellen Bestockung der Waldfläche mit der natürlichen Waldgesellschaft. Dies gibt Auskunft über die Naturnähe der Baumartenzusammensetzung und ermöglicht Aussagen zur ökologischen Stabilität des Waldes.

Nach den Ergebnissen der dritten Bundeswaldinventur 2011/2012 sind rund 36 % der Waldfläche als sehr naturnah (14,5 %) oder als naturnah (21,3 %) einzustufen (siehe Abb. „Naturnähe der Baumartenzusammensetzung“). Der Anteil naturnaher Waldflächen liegt dabei im Staatswald mit 40 % deutlich über dem Anteil der naturnahen Waldflächen im Privatwald (30,5 %).

Besonderen Anteil an der sehr naturnahen oder naturnahen Bestockung haben ungleichaltrige Wälder und Bestände der höheren Altersklassen. Während Bestände mit einem Alter ab 120 Jahren zum überwiegenden Anteil eine naturnahe Bestockung aufweisen (zwischen 60 und 80 %), weisen junge und jüngere Bestände mit einem Alter unter 60 Jahren nicht einmal zu einem Drittel eine naturnahe Bestockung auf (zwischen 23 und 32 %) (siehe Abb. „Anteil sehr naturnaher und naturnaher Bestockung an der Waldfläche nach Altersklasse“). Es ist jedoch festzustellen, dass die jüngste Altersklasse den Trend eines Rückgangs der Naturnähe bei Abnahme des Alters durchbricht. Dies kann als ein Indiz für erste Erfolge beim Umbau der Wälder hin zu naturnahen Beständen gewertet werden. 

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Holznutzung nahe am Zuwachs

Mit dem Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung 2021 konkrete Ziele zur Kohlenstoffspeicherung im Sektor ⁠Landnutzung⁠, ⁠Landnutzungsänderung⁠ und Forstwirtschaft (⁠LULUCF⁠) festgelegt. Der Wald in Deutschland spielt hierfür eine herausragende Rolle. Gleichzeitig sieht die Waldstrategie 2050, die Bioökonomiestrategie sowie die Charta für Holz 2.0 eine Steigerung der Holznutzung, vor allem im Baubereich, vor. Die Waldgesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes macht deutlich, dass bereits seit 2002 die Holzentnahme deutlich angestiegen ist und bereits ein Großteil des nutzbaren Zuwachses auch eingeschlagen wird.

Wurden im Jahr 1993 mit rund 51 Millionen Kubikmetern (Mio. m³) nur rund 49 % des nutzbaren Zuwachses auch tatsächlich genutzt, stieg die Holzentnahme bis zum Jahr 2007 auf 113 Mio. m³ an, was 112 % des nutzbaren Holzzuwachses entspricht. Dies war auch der bisherige Höchststand der Holzentnahme, bevor sich der genutzte Zuwachs nach 2009 auf Werte zwischen 80 und 90 Mio. m³ einpendelte (was in etwa 80 % des nutzbaren Zuwachses entspricht). Im Jahr 2010 wurden größere Waldflächenanteile im Rahmen der Übergabe „Nationales Naturerbe“ an die Bundesländer, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt oder Naturschutzorganisationen übergeben und damit aus der Nutzung herausgenommen. Der Zuwachs dieser Flächen stand somit 2010 theoretisch zur Holzproduktion zur Verfügung, war aber aufgrund des in diesem Jahr vereinbarten Nutzungsverzichts real nicht mehr nutzbar. Hierdurch erklärt sich die große Diskrepanz zwischen Bruttozuwachs und nutzbarem Zuwachs und somit auch die Nutzung von rund 135 % des Zuwachses in diesem Jahr (siehe Abb. „Anteil der Nutzung des nutzbaren Zuwachses“).

Mit dem Berichtsjahr 2014 erfolgte eine methodische Umstellung bei der Erfassung des Holzuwachses und seiner Nutzung von der „Waldgesamtrechnung“ auf die sogenannten „European Forest Accounts“. Hierdurch ist die bisherige Zeitreihe nicht mehr unmittelbar mit der Zeitreihe ab 2014 vergleichbar. Während die bisherige Zeitreihe den Bruttozuwachs darstellt, zeigt die Zeitreihe ab 2014 den Nettozuwachs. Der Nettozuwachs wird aus dem Bruttozuwachs abzüglich der Mortalität berechnet. Der Bruttozuwachs ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis der natürlichen Wachstumsprozesse und entspricht der biologischen Produktion. Der nutzbare Zuwachs ist der Teil des Bruttozuwachses (bzw. ab dem Berichtsjahr 2014 des Nettozuwachses) auf den für die Holzproduktion verfügbaren Flächen, der nach Abzug von nicht verwertbarem Holz, Mortalität und des Zuwachses auf ungenutzten Flächen verbleibt. Betrachtet man explizit den Nettozuwachs, dann ist noch deutlicher erkennbar, dass bereits nahezu der gesamte nutzbare Zuwachs in Deutschlands Wäldern auch genutzt wird. So wurden im Jahr 2015 rund 96 % des nutzbaren Nettozuwachses für die Holzproduktion verwendet. Bis zum Jahr 2017 sank er auf 88 % des Nettozuwachses, um 2018 deutlich auf 101 % und 2019 auf 109 % zu steigen. Im Jahr 2020 stieg die Nutzung des nutzbaren Zuwachses sogar auf 147 %, wobei hier zu berücksichtigen ist, dass unter anderem aufgrund Beschlüsse mehrerer Landesregierungen (z.B. Hessen und Sachsen) Waldflächen aus der forstlichen Nutzung genommen wurden, im Jahr 2020 insgesamt rund 63.000 Hektar (Destatis 2022, Tabelle 1). Dennoch lässt sich feststellen, dass seit dem Jahr 2018 mehr Holz genutzt als rechnerisch netto zugewachsen ist (siehe Abb. „Anteil der Nutzung des nutzbaren Zuwachses“). Dies kann zu großen Teilen auf die seit diesem Zeitpunkt gestiegene Zwangsnutzung wegen Sturm, Trockenheit und vermehrten Insektenbefall zurückgeführt werden (siehe Artikel „Forstwirtschaft“).

Die Abbildung zeigt den Anteil des nutzbaren Zuwachses 1993-2013 sowie 2014-2020. Während vor der 2. Bundeswaldinventur der Vorratsaufbau überwog, lag die Holzentnahme nach 2003 häufig über 80 % des nutzbaren Zuwachses und übersteigt diesen seit 2018.
Anteil der Nutzung des nutzbaren Zuwachses
Quelle: Statistisches Bundesamt Diagramm als PDF
 

Zertifizierung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung

Die Zertifizierung ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Forstbetriebe, über die gesetzlichen Mindestanforderungen der Wald- und Naturschutzgesetze hinaus weitere Mindestnormen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich einzuhalten. Mit der Zertifizierung nach einem anspruchsvollen Zertifizierungssystem dokumentieren die Waldbesitzer ihre Bereitschaft, bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen Erfordernisse der ⁠Nachhaltigkeit⁠ sowie des Natur- und Artenschutzes über den gesetzlich vorgegebenen Standard hinaus zu berücksichtigen.

Daher hat auch die Bundesregierung in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt das Ziel festgelegt, dass 80 % der Waldfläche bis 2010 nach hochwertigen ökologischen Standards zertifiziert sein sollen (siehe Abb. „Anteil nach PEFC bzw. FSC zertifizierter Waldfläche“). Dieses Ziel wurde 2010 jedoch verfehlt, mittlerweile aber erreicht. In der aktuellen Koalitionsvereinbarung hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Wälder im Bundesbesitz mittelfristig mindestens nach FSC- oder Naturland-Standards zu bewirtschaften.

In Deutschland sind derzeit drei forstliche Zertifizierungssysteme etabliert: Das Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) ist mit einer Fläche von aktuell rund 8,77 Millionen Hektar (Mio. ha) das System mit der größten zertifizierten Fläche (PEFC-Website 2024). Der deutliche Anstieg der nach PEFC zertifizierten Fläche im Jahr 2021 kann u.a. auf die Bindung der Waldprämie an eine Zertifizierung zurückgeführt werden (FNR 2021).

Nach dem System des Forest Stewardship Council (FSC) sind aktuell rund 1,61 Mio. ha zertifiziert (FSC International-Website 2024). Nach den Kriterien zur ökologischen Waldnutzung von Naturland sind derzeit 53.000 ha zertifiziert (Naturland-Website 2022). Diese sind zugleich auch FSC-zertifiziert.

Der Anteil der nach PEFC und FSC zertifizierten Waldfläche an der Gesamtwaldfläche wird als ⁠Indikator⁠ der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt verwendet. Es ist dabei zu beachten, dass Waldflächen sowohl nach PEFC als auch nach FSC zertifiziert sein können und das Ausmaß der Überschneidung nicht ermittelbar ist. Ferner sind die nach Naturland zertifizierten Flächen in den Zahlen des FSC enthalten.

Ein Diagramm zeigt den Anteil der nach Nachhaltigkeits-Standards PEFC und FSC zertifizierten Waldfläche von 2000 bis 2023. PEFC lag 2023 bei 79,4 Prozent, FSC bei 14,6 Prozent. Das Diagramm zeigt auch das Ziel für das Jahr 2010.
Anteil nach PEFC bzw. FSC zertifizierter Waldfläche
Quelle: FSC und PEFC Diagramm als PDF
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