Das Erdschollen-Archiv

Schwarz-weiß-Aufnahme eines Gebirges, darin in Rot: ein Rahmen, mit dem die Künstlerin einen Abdruck des Bodens macht.zum Vergrößern anklicken
Betty Beiers Erdschollen-Archiv setzt verschwindenden Landschaften ein Zeichen der Erinnerung.
Quelle: Betty Beier

Eine Spurensicherung verschwindender Landschaften

14.11. bis 18.12.2013

Klimawandel⁠, Urbanisierungsprozesse in den Entwicklungsländern und anderswo, der Hunger nach Rohstoffen und Energie sowie der Verbrauch an natürlichen Ressourcen wirken sich entscheidend auf das Landschaftsbild aus. Betty Beier, bildende Künstlerin und Bildhauerin, setzt verschwindenden Landschaften ein Zeichen der Erinnerung. Für ihre Studie „Das Erdschollen-Archiv“ begleitet sie seit Mitte der 90er Jahr landschaftsverändernde Prozesse – in Deutschland, Island, China und zuletzt in Alaska.

Bei ihrer Spurensuche in Zeiten des Umbruchs steht der Boden im Mittelpunkt. Betty Beiers Erdschollen sind Abdrücke von Bodenoberflächen vor Ort, die sie anschließend im Atelier dauerhaft in Acryl oder Kunstharz fixiert. Ihre Bildskulpturen tragen exotische Namen wie Kivalina, Kárahnjúkar oder Xiaolangdi. Sie dokumentieren Projekte wie die Talsperre am Gelben Fluss in China, einen Staudamm mitten im größten Naturschutzgebiet Islands oder eine Insel im Nordwesten Alaskas, die infolge von Erderwärmung zunehmend vom Wasser bedroht wird. Zeichnungen, Fotografien und Filme liefern Informationen zum jeweiligen Fundort und geben Einblick in den künstlerischen Arbeitsprozess.


Zur Eröffnung der Ausstellung im Umweltbundesamt am Donnerstag,
14. November 2013, um 18 Uhr, laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.

Begrüßung
Dr. Thomas Holzmann, Vizepräsident, Umweltbundesamt

Aktuelles zum Bodenschutz
Dr. Frank Glante, Fachgebietsleiter, Umweltbundesamt

Führung durch die Ausstellung / Gespräch mit Betty Beier

Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Montag bis Freitag: 9 bis 19 Uhr
Samstag bis Sonntag: 9 bis 16 Uhr

Eintritt frei

<>

Drei Fragen an Betty Beier

Frau Beier, mit der Studie „Erdschollen-Archiv“ dokumentieren Sie seit 1996 von Menschen hervorgerufene Veränderungen der Erdoberfläche. Was treibt Sie an? Und nach welchen Gesichtspunkten suchen Sie konkrete Landschaften für Ihr Projekt aus?

Betty Beier: Landschaft ist heutzutage immer Kulturlandschaft und Spiegel menschlicher Entwicklungen. Natur, Wildnis existiert nur noch in Teilstücken. Was sind Landschaften, was unterscheidet sie von anderen und was wird mit und aus ihnen gemacht?. Mit meinen Kunstprojekten möchte ich diesem ständigen Wandlungsprozess nahe kommen und begleite deshalb Baustellen weltweit. Die Auswahl der Bodenausschnitte (Landnahmen) erfolgt zunächst einmal anhand der Medienberichterstattung. Mich interessieren in erster Linie Regionen, für die ein gravierender Wandel prognostiziert wird oder die bereits durch den ⁠Klimawandel⁠ gezeichnet sind. Das isländische Staudammprojekt Kárahnjúkar zum Beispiel hatte eine hohe Aufmerksamkeit in nationalen und internationalen Medien. An diesem Bauprojekt berührte mich vor allem, dass die betroffene Region bislang als Wildnis, d.h. als weitgehend frei von menschlichen Einflüssen, klassifiziert wurde. Solche Gebiete sind in Europa selten geworden und außerhalb von Island nur noch vereinzelt in Nordskandinavien zu finden.

Bei Ihrer Spurensuche bewegen Sie sich oftmals durch unwegsames Gelände. Wie gelangen Sie zu Großbaustellen wie dem Kárahnjúkar-Staudamm und wie muss man sich Ihre Arbeit vor Ort vorstellen?

Beier: Nun, bei meinen Exkursionen bin ich allein mit meinen selbstgebauten Handwagen unterwegs, bestimme den Standort mithilfe von GPS und mache vor Ort unter nicht gerade leichten Bedingungen Gipsabdrücke. Dieser Arbeitsprozess wird von mir fotografisch festgehalten. Meine Arbeit steht immer im Diskurs und Auseinandersetzung mit Raum und Personen vor Ort. Mich als neutraler Beobachter der Materie zu fügen, sich auf der Baustelle entsprechend zu verhalten, setzt eine offene und nicht von Vorstellungen besetzte Erwartung und Haltung voraus. Also suche ich den Kontakt zu den Verantwortlichen der Bauleitung, wie auch zu den Betroffenen und Protestierenden. Diese Gespräche führen mich in die Landschaft und ihre Geschichte ein. Dies evoziert viele Fragen, und ich suche daher auch das Gespräch und die Auseinandersetzung mit Fachleuten sowie deren Rat. In Island etwa habe ich mir auf der Baustelle Kontakte erschlossen, um diese betreten und besichtigen zu können. Letztendlich kam es zu einer guten Zusammenarbeit, was mir ein langfristiges Arbeiten in Kárahnjúkar erst möglich machte.

Ihre Erdschollenbilder sind detailgetreue Ausschnitte längst verloren gegangener Bodenoberflächen, die an naturwissenschaftliche Anschauungspräparate erinnern. Doch was ist bei Ihren Reliefbildern Natur, also Vorgefundenes, und was Ergebnis eines künstlerischen Prozesses?

Beier: Landschaft, Erde sind etwas Lebendiges und Bodenzustände also vielfältig. Trockenheit, Wind, Feuchtigkeit, Licht und Zeit oder mechanische Einflüsse verändern das Bodenstück minütlich. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Ein schwerer Klei-Boden ist im feuchten Stadium ein Speichermedium für Spuren jeglicher Art – getrocknet verbleibt davon nichts. Sonneneinwirkungen sowie Feuchtigkeit lassen Erdpigmente anders und farbiger erscheinen, herausgerissen aus diesem Kontext offenbart sich ein anderes Erscheinungsbild. Dort hört die Arbeit eines Präparators auf – er konserviert. Mir hingegen geht es um die Begegnung mit der Erdoberfläche – gefolgt von einem mühseligen Erinnerungsprozess. Dazu benutze ich verschiedene Hilfsmittel wie den Gipsabdruck, den ich weiterentwickelt habe und als dreidimensionale Bildmaschine bezeichne. Der Abdruck, so finde ich, kommt dem Netzfenster von Albrecht Dürer nahe. Als Erinnerungshilfe dienen Notizen, Farbproben, Zeichnungen und Fundstücke. Insbesondere Farbproben, da der Mensch kein Farbengedächtnis hat. Mein konzeptueller Ansatz besteht aus verschiedenen Prozessen: Die Erstellung der Erdscholle schließt einen malerischen Prozess ein, die Abnahme mit meinem Arbeitsmodul (roter Rahmen) ist ein skulpturaler. Die nun seit 2012 durchgeführten mobilen Aktionen mit einer Erdscholle in verschieden Städten sind ein interaktiver, performativer Prozess, um in Solidarität mit den Menschen zu stehen, die den Boden unter den Füßen verlieren oder denen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

RAN1: UBA-Ausstellung „Das Erdschollen-Archiv“
Quelle: Regionalfernsehen Anhalt RAN1 vom 14.11.2013

RAN1: UBA-Ausstellung „Das Erdschollen-Archiv“

Teilen:
Artikel:
Drucken
Schlagworte:
 Kunst und Umwelt  Bodenschutz  Bodenbewusstsein