Bundesregierung reist klimaneutral

UBA-Expertin Stefanie Böther im Interview, wie man schädliche Treibhausgasemissionen reduzieren, verhindern und nicht vermeidbare kompensieren kann.

Alle O-Töne können Sie als mp3-Datei herunterladen und für Medienberichte verwenden. Interview: 3:11 Minuten

Anmoderationsvorschlag: Alle reden zurzeit über den ⁠Klima⁠- und Umweltschutz, natürlich auch die Bundesregierung. Die handelt aber auch, indem sie zum Beispiel die Treibhausgasemissionen ihrer Dienstreisen vollständig ausgleicht. Exakt 309.358 Tonnen ⁠CO2⁠ waren das im Jahr 2018, wie heute (am VÖ-Datum)  bekannt wurde – damit reist die Bundesregierung also längst klimaneutral. Wie dieser Ausgleich funktioniert und was jeder von uns tun kann, um seinen persönlichen CO2-Ausstoß zu reduzieren, weiß Stefanie Böther, Klimaschutzexpertin bei der deutschen Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamts (⁠UBA⁠), hallo.

Begrüßung: „Hallo!“   

1.    Frau Böther, was heißt das genau, die Bundesregierung ist bei Dienstreisen klimaneutral unterwegs?
O-Ton 1 (Stefanie Böther, 31 Sek.): „Vorneweg: Ja, die Bundesregierung folgt dem klimaschonenden Ansatz: erst vermeiden und reduzieren, dann kompensieren. Das heißt, Dienstreisen werden durch den erhöhten Einsatz von Video- und Telefonkonferenzen sowie durch eine gewissenhafte Prüfung der Notwendigkeit von Dienstreisen vermieden und reduziert. Verständlich ist, dass Dienstreisen natürlich nicht zu vermeiden sind, wie beispielsweise die Verhandlungen bei den Klimakonferenzen. Ausgeglichen werden daher nur die verbleibenden unvermeidbaren Emissionen, die durch Dienstreisen und -fahrten mit dem Auto oder Flugreisen entstehen – und das schon seit 2014.“

2.    Wie funktioniert diese freiwillige Kompensation?
O-Ton 2 (Stefanie Böther, 27 Sek.): „Wir, also das Umweltbundesamt, wir erheben die Daten, und zwar gesammelt über ein ganzes Jahr von allen Ministerien und allen nachgeordneten Behörden, und berechnen dann die Emissionen. Und letztendlich kaufen wir  Gutschriften, sogenannte Zertifikate ein. Diese stammen aus Klimaschutzprojekten, und in Klimaschutzprojekten werden Emissionen vermieden und reduziert. Bieter von Klimaschutzprojekten können uns diese dann einreichen, wir bewerten diese, kaufen Gutschriften ein und löschen diese dann.“

3.    Wenn ich mich als Privatperson für eine freiwillige Kompensation entscheide: Wie gehe ich dabei vor?
O-Ton 3 (Stefanie Böther, 24 Sek.): „Also bei Privatpersonen gilt natürlich auch, erst vermeiden und reduzieren, dann kompensieren. Wenn ich denn zum Beispiel einen Flug kompensieren möchte, muss ich natürlich wissen, wie hoch sind meine angefallenen Emissionen? Und dafür kann ich natürlich den UBA-CO2-Rechner nutzen. Dann wählen Sie sich einen Kompensationsanbieter aus, auch dafür haben wir eine Liste. Und Sie suchen sich  danach ein Klimaschutzprojekt aus, kaufen die entsprechende Anzahl an Gutschriften – und diese werden dann stillgelegt.“  

4.    Sie haben ja jede Menge Erfahrung auf diesem Gebiet: Wie beziehungsweise woran erkenne ich einen seriösen Kompensationsanbieter?
O-Ton 4 (Stefanie Böther, 27 Sek.): „Ein seriöser Kompensationsanbieter rät seiner Kundschaft, erst zu vermeiden und zu reduzieren, dann zu kompensieren. Letztendlich möchten Sie ja auch ein transparentes Angebot erhalten mit ‚Woher stammen meine Gutschriften? Was für ein Klimaschutzprojekt ist das? In welchem Land liegt es?‘ Sie sammeln also Informationen. Auch unser Ratgeber zum Thema freiwillige Kompensation gibt Ihnen Informationen, damit Sie ein Gefühl bekommen, welche Informationen Sie erhalten sollen.“

5.    Welche Kriterien sind da besonders wichtig?
O-Ton 5 (Stefanie Böther, 29 Sek.): „Drei sind besonders entscheidend: Die Qualitätssicherung durch den Standard. Da gibt es zum Beispiel den CDM, das ist ein Projektmechanismus der Vereinten Nationen. Dann die projektspezifischen Aspekte: Wo liegt das Projekt, wie groß, ist es zum Beispiel ein kleines Kocher-Projekt in Ruanda? Und ob das Projekt gegebenenfalls über eine reine CO2-Minderung hinausgeht, einen zusätzlichen Mehrwert hat, wie Gesundheitsschutz vor Ort. Und dann natürlich Ihre eigenen Präferenzen spielen bei der Überlegung auch eine Rolle: Welches Projekt möchten Sie gerne unterstützen?“ 

6.    Kritische Stimmen nennen solche freiwilligen Kompensationen von Treibhausgasemissionen einen modernen Ablasshandel. Beruhigt man damit also nur ein bisschen sein Gewissen oder tut man damit wirklich was für Klima und Umwelt?
O-Ton 6 (Stefanie Böther, 38 Sek.): „Kompensation sollte nicht verstanden werden als  Lizenz zu einem unveränderten, klimaschädlichen Verhalten. Sie sollte nicht dazu verleiten, sich nicht mehr um eine klimaschonende Lebensweise zu bemühen, da man sich vermeintlich mit einem relativ geringen Aufwand ein reines Gewissen erkaufen könnte. Das wäre in der Tat problematisch! Es braucht dagegen eine Verhaltensänderung: Ich muss vermeiden, vermindern, reduzieren. Wenn ich aber denn doch kompensiere, hat das den Vorteil, dass ich mir auch bewusst werde über meine eigenen verursachten Emissionen. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch Klimaschutzprojekte eine zusätzliche, positive Auswirkung auf die nachhaltige Entwicklung mit sich gebracht werden kann.“

Stefanie Böther vom Umweltbundesamt mit Tipps für alle, die ihre persönliche CO2-Bilanz in Zukunft verbessern möchten. Danke Ihnen für das Gespräch!

Verabschiedung: „Sehr gerne!“

Abmoderationsvorschlag: Mehr Infos zum Thema finden Sie im UBA-Ratgeber „Freiwillige CO2-Kompensation durch Klimaschutzprojekte“. Den gibt’s auf www.umweltbundesamt.de unter dem Reiter Publikationen zum kostenlosen Download.  

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Quelle:
point of listening GmbH
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Schlagworte:
 CO2  Kompensation