Übersicht Bewuchsschutzsysteme

Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

Die in der Schifffahrt und im Sportbootbereich vorherrschenden Bewuchsschutz-Systeme basieren auf Beschichtungen, die meist jährlich oder alle zwei Jahre erneuert werden. Bis auf die Regionen, für die die Wakenitz-Verordnung gilt, sind in Deutschland schätzungsweise 95 % biozidhaltige Produkte in Gebrauch. Nicht-biozide bzw. biozidfreie Systeme, die ohne die toxisch wirkenden Biozide auskommen, stellen einen kleinen, aber wachsenden Produktanteil dar. Im Sportbootbereich werden alle Beschichtungen hochgradig, zu schätzungsweise 90 %, in „do it yourself“ Verfahren mit Pinsel und Rolle aufgebracht [2]. Alle biozidhaltigen Produkte bestehen aus Beschichtungen, aus denen die Biozide bei Hartantifouling-Produkten durch Diffusion, bei erodierenden und polierenden Produkten durch die kontinuierliche Auflösung des Bindemittels in das Wasser abgegeben werden. In der Regel ist ihre Wirksamkeit für mehrere Saisons ausreichend, aber es ist sehr verbreitet trotz der hohen Preise jedes Jahr neue Lagen der Beschichtungen aufzutragen in dem Glauben die Wirksamkeit zu erhöhen [1].

Im Gegensatz zu den biozidhaltigen Beschichtungen unterteilen sich die biozidfreien Systeme in Beschichtungen und sehr verschiedene Vorrichtungen. Bei vielen biozidfreien Verfahren ist eine Aktivität der Bootseigner während der Saison vonnöten. So bestehen nicht nur hinsichtlich der Wirksamkeit Bedenken gegenüber biozidfreien Verfahren, sondern auch hinsichtlich eines notwendigen persönlichen Einsatzes während der Saison [3].

Im Folgenden sind die wichtigsten biozidfreien Verfahren und biozidhaltigen Beschichtungen aufgelistet, die im Sportbootbereich eine Rolle spielen. Einige Tipps, was Sie bei der Auswahl eines geeigneten Antifouling-Systems beachten sollten, finden Sie im Antifouling-Leitfaden. Seit 2022 gibt es zudem Kriterien für den Blauen Engel für umweltfreundliche Unterwasserbeschichtungen und andere Bewuchsschutzsysteme (DE-UZ 221). Im November 2022 gab es allerdings noch keine Produkte, die mit diesem blauen Engel ausgezeichnet worden sind.

 

Biozidfreie Systeme und Beschichtungen

Antihaftbeschichtungen und –folien

Antihaftbeschichtungen basieren meist auf Silikonpolymeren, denen wasserlösliche Gele oder Wachse zugesetzt werden, um eine sowohl hydrophobe wie hydrophile Grenzfläche zu schaffen. Die Beschichtungen sind weich wie Gummi und daher nicht beständig gegen hohe mechanische Belastungen. Im Schadensfall gibt es Möglichkeiten zur lokalen Reparatur. Die Anwendung ist jedoch komplex und es wird empfohlen, die Anwendungshinweise sehr genau zu befolgen, um ein qualitativ gutes Ergebnis zu erreichen. Da die Gele oder Wachse ausschwitzen, empfehlen die Hersteller eine jährliche Auffrischung. Feldversuche mit diesen Beschichtungen haben jedoch gezeigt, dass sie viele Jahre ohne Auffrischung halten können, ohne ihre Wirksamkeit zu verlieren. Im Laufe der Saison ist mit einer Biofilmbildung und leicht haftendem Makrobewuchs durch Seepocken oder Muscheln zu rechnen. Diese können sich aber schon bei häufiger Fahrt oder durch einen Schwamm/Lappen im Wasser bzw. nach dem Herausheben des Bootes leicht entfernen lassen. Es ist auch üblich, diese Beschichtungen im Herbst mit einem Hochdruckreiniger zu bearbeiten, aber es sollte kein Druck über 100 bar verwendet werden, um eine Beschädigung der Beschichtung zu vermeiden. Aus ökologischer Sicht ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Produkte keine auslaugbaren Substanzen enthalten sollten, die persistent sind. Die verwendeten Gele oder Wollwachse sollten daher abbaubar sein. Die Antihaftbeschichtungen auf Silikonbasis können im Süß-, Brack- und Salzwasser sowie auch in Häfen mit sehr hohem Bewuchsdruck eingesetzt werden.

Reinigungsfähige Hartbeschichtungen

Dieser Beschichtungstyp kann aus Epoxidharzen, Epoxidharz/Silikonhybriden oder aus Methacrylaten und -Silikonen bestehen. Wenn Silikone enthalten sind, wurden diese chemisch gebunden, so dass auch bei der Reinigung keine Silikonverbindungen ausgewaschen werden können. Sie sind einfach zu verarbeiten, erfordern aber für die Applikation Temperaturen über 10 °C und haben lange Trockenzeiten. Diese Beschichtungen sind so hart und widerstandsfähig, dass sie mehrfach ohne Beschädigung gereinigt werden können. Sie haben Eigenschaften, die die Haftung der Organismen so stark reduzieren, dass sie leicht zu reinigen sind. Je nach Gewässertyp sind unterschiedliche Reinigungsintervalle zu wählen. Im Süßwasser ist es manchmal ausreichend, das Boot nur am Ende der Saison zu reinigen. Im Brackwasser ist es ratsam, eine Kontrollplatte am Liegeplatz anzubringen, um die Bewuchsentwicklung zu beobachten und frühzeitig z. B. einen Larvenfall von Seepocken oder Miesmuscheln zu erkennen. Im Salz- bzw. Brackwasser mit hohem Bewuchsdruck sollten diese Beschichtungen nur eingesetzt werden, wenn eine wöchentliche Reinigung gewährleistet werden kann. Bisherige Erfahrungen im Brackwasser zeigen, dass Segelboote ca. 3-mal pro Saison gereinigt werden müssen, während dies für Motorboote je nach Fahrgeschwindigkeit 3-mal oder sogar nur 1-mal pro Saison notwendig ist. Nach bisherigen Erfahrungen hält diese Beschichtungsart mindestens 3 Jahre, eventuell sogar länger. Es können alle Arten von mobilen oder stationären Reinigungsverfahren eingesetzt werden. Umgekehrt wird empfohlen, Reinigungsverfahren nur in Kombination mit dieser Art von Beschichtung zu verwenden. Weder Epoxid-Primer noch biozidhaltige Antifouling-Produkte sind für Reinigung geeignet.

Erodierende Beschichtungen ohne toxische Zusätze

Diese Beschichtungen enthalten hauptsächlich Kolophonium (welches aus Baumharz gewonnen wird), das sich langsam auflöst und den Bewuchsorganismen keinen Halt gibt. Sie sind einfach zu verarbeiten, aber ihre Lebensdauer beträgt nur eine Saison. Außerdem werden sie nur für Süßwasser empfohlen. Es muss mit einem schwachen Bewuchs aus kurzfädigen Algen und/oder flach wachsenden Moostierchen gerechnet werden.

Erodierende Beschichtungen mit anorganischen Zinkverbindungen

Erodierende Beschichtungen mit Zinkoxid gelten als biozidfreie Beschichtungen, da Zinkoxid nicht als Biozid eingestuft worden ist. Dennoch kann das freigesetzte Zinkoxid die Gewässer schädigen. Diese Beschichtungen sind zudem sehr einfach aufzutragen, ihre Konsistenz ist durch den hohen Zinkoxidgehalt von bis zu 50 % sehr weich. Deshalb sollten diese Beschichtungen während der Saison nicht im Wasser gereinigt werden. Ihre Wirksamkeit im Süßwasser ist ausreichend, im Brackwasser auch, im Salzwasser ist ihre Nutzung nur eingeschränkt möglich.

Hebe- und Liftanlagen für Boote

Vor allem im Süßwasser sind Bootshebesysteme regional weit verbreitet. Sie werden als fertige Systeme für Boote bis zu einer Länge von 10 Metern angeboten, aber auch selbstgebaute Vorrichtungen für Boote bis zu 500 kg sind oft zu finden. An der Küste in Brack- und Süßwasser sind sie als Mini-Slip Anlagen in geschützten Buchten, insbesondere an der Ostsee, zu finden. An der Nordseeküste sind diese Anlagen aufgrund ihrer Labilität eher eine Ausnahme.

Reinigungsanlagen und Werkzeuge

Stationäre Reinigungssysteme sind in Deutschland zwar verfügbar, aber noch nicht eingesetzt worden. Dagegen sind sie an der schwedischen West- und Ostküste bereits relativ weit verbreitet. Sie sind sowohl für Motor- als auch für Segelboote geeignet. Die Reinigung basiert auf rotierenden Bürsten, die sanft gegen die Boote geschoben oder die Boote über sie gefahren werden. Es gibt auch eine Reihe von Reinigungsgeräten auf dem Markt, die vom Boot oder Steg verwendet werden können.

Abbildungen: Bewuchsschutz

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  1. Jollenkreuzer mit Antihaftbeschichtung nach der Saison - ungereinigt
  2. Jollenkreuzer mit Antihaftbeschichtung nach der Saison - gereinigt
  3. Erodierende Beschichtung ohne toxische Zusätze nach einer Saison im Süßwasser
  4. Selbstgebaute Bootshebeanlage, Ratzeburger See, Schanzenberg
  5. Selbstgebaute Bootshebeanlage, Ratzeburger See, Schanzenberg
 

Biozidhaltige Beschichtungen

Regulatorik

Zurzeit sind noch alle auf dem Markt befindlichen biozidhaltigen Antifouling-Produkte behördlich ungeprüft. Sie sind aufgrund von Übergangsregeln bis zur Entscheidung über deren Zulassung lediglich verkehrsfähig. In Deutschland müssen jedoch verkehrsfähige Biozid-Produkte bei der Bundesstelle für Chemikalien (BfC) gemeldet werden. Es findet dabei jedoch keine Prüfung der Produkte auf Wirksamkeit, Umweltauswirkungen oder Ähnliches statt. Diese erfolgt erst im Rahmen des Zulassungsverfahrens, welches für die ersten Antifouling-Produkte bereits begonnen hat.

Gemeldete Biozid-Produkte sind anhand einer Registriernummer (zum Beispiel N-12345) erkenntlich. Informationen über die in Deutschland gemeldeten Antifouling-Produkte, deren Hersteller, enthaltene Wirkstoffe, Verkehrsfähigkeit und Fristen finden Sie in der Datenbank der gemeldeten Biozid-Produkte auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Zukünftig werden alle in Deutschland zugelassenen biozidhaltigen Antifouling-Produkte nach Abschluss des Produktzulassungsverfahrens in einer Datenbank auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht werden.

Bisher sind von der BAuA nur die zugelassenen Wirkstoffe für Antifouling-Produkte veröffentlicht worden:

https://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/DE/Biozide/Wirkstoffe/Genehmigte-Wirkstoffe/Genehmigte-Wirkstoffe-0.html#PT21

Ob und welchen Biozid-Wirkstoff Ihr Antifouling-Produkt enthält, erfahren Sie zum Beispiel hier:

  • auf dem Aufdruck auf der Dose (zum Beispiel „Wirkstoff: xxx“)
  • im Sicherheitsdatenblatt des Produkts (zum Beispiel unter „Aktive Stoffe“)
  • auf der Internetseite oder bei der Kundenhotline des Herstellers
  • in der Datenbank der gemeldeten Biozid-Produkte der BAuA:

https://www.ebiomeld.de/DE/Offen/offen_node

Welche Produkte sind wofür geeignet

Bisher liegt es noch im Wesentlichen bei den Herstellern und Vertreibern, wofür sie ihre Produkte ausloben. Es gibt bisher, und es wird in Zukunft solche oder ähnliche Empfehlungen geben:

  • Für harte Bewuchsverhältnisse im Salzwasser geeignet
  • Für mäßig starke Bewuchsverhältnisse im Brackwasser wie auch in der Ostsee und in Flussmündungen geeignet
  • Für schwachen Bewuchs im Süßwasser erlaubt und geeignet

Die Empfehlung „für alle Gewässer von Salz- bis Süßwasser geeignet“ bedeutet, dass diese Antifouling-Produkte, die im Salzwasser wirksam sind auch im Brack- und Süßwasser effektiv sind. Dennoch gilt, dass die Freisetzungsrate im Salzwasser höher ist und bei Befahren eines Brackwassers oder Süßwasserreviers absinkt, wenn das Produkt nicht für alle Bereiche formuliert wurde. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Produkte für hohen Bewuchsdruck eine höhere Konzentration von Haupt- und Kobioziden aufweisen und auch eine höhere Leaching-Rate besitzen, und damit zu höheren Einträgen von schädlichen Bioziden in die Umwelt führen. Zudem ist darauf zu achten, dass nicht alle Biozide/Wirkstoffe auch für das Süßwasser genehmigt sind.

Grundsätzlich ist die Leaching-Rate, also die Freisetzung der in der Matrix enthaltenen Biozide, von der ⁠Erosion⁠ oder Polierung des Bindemittels abhängig. Da fast alle erodierenden oder polierenden Sportbootantifouling-Beschichtungen Kolophonium enthalten, wird dessen Löslichkeit im Wasser durch einen Zusatz von Zinkoxid reguliert. Die Löslichkeit des Kolophoniums ist wiederum stark von der Alkalinität, dem ⁠pH-Wert⁠ und der Salinität abhängig. Diese Beziehung ist besonders für Biozidprodukte in der Ostsee relevant, da die Salinität von West nach Ost abnimmt und ebenso die Leaching-Rate [4]. Gleichermaßen sinkt die Leaching-Rate bei steigender Alkalinität bzw. steigendem pH-Wert. Dies ist häufig der Grund, weshalb hochgefüllte Kupferprodukte z. B. in eutrophierten Flussmündungen wie der Trave oder der Warnow versagen. Die Salinität nimmt ab, der pH steigt, aber der Bewuchsdruck bleibt hoch. Absterbende Planktonblüten wie in Flussmündungen an der Ostsee oder in eutrophierten Meeresgebieten im Spätsommer erhöhen den pH-Wert und verringern die Leaching-Rate und somit die Wirksamkeit der Beschichtung. Daher ist eine Konzentrationsbegrenzung von Bioziden in Antifouling-Produkten nur begrenzt sinnvoll, wesentlich entscheidender ist die Leaching-Rate in den für den Einsatz empfohlenen Gewässern. In dem EU-Projekt CHANGE wurden für die Ostsee mehrere Vorschläge zur Begrenzung der Kupfer Leaching-Raten formuliert. Auf Grund von Messungen an exponierten Testplatten und Leaching-Raten-Bestimmungen mit Hilfe der Röntgenspektralanalyse wurden als kritische – als noch wirksame – Leaching-Raten empfohlen:

► 4,9 – 10,8 μg/cm2 Kupfer /Tag für die westliche Ostsee mit vorherrschender Salinität von 14 ‰

► 3,3 - 5,0 μg/cm2 Kupfer /Tag für die östliche Ostsee mit vorherrschender Salinität von 5 ‰

Anders sind Hartantifouling Produkte auf der Basis von Teflonverbindungen und inkorporierten Kupferverbindungen zu beurteilen. Bei diesem Produkttyp, der in vielen Süßwasser- und Brackwasser-Regionen in Deutschland sehr hohe Marktanteile besitzt, erodiert die Teflonmatrix nur geringfügig und die Leaching-Rate z. B. des Kupfers hängt von der Strecke ab, die das Kupfer im Bindemittel in Richtung Oberfläche zurücklegen muss. Daher sinkt die Leaching-Rate bei diesem Produkt-Typ mit der Zeit ab, unabhängig von Salinität und pH-Wert. Ähnliches gilt für Epoxidharze, die Kupferverbindungen in hohen Konzentrationen enthalten.

Erst in jüngster Zeit ist auch der Aspekt des Mikroplastikeintrags durch erodierende und selbstpolierende Antifouling-Produkte stärker beachtet worden [5]. Da sich im Einsatz alle Bestandteile der Beschichtung auflösen, werden somit die gesamten Bindemittel und Additive in das Wasser eingetragen. Bisher wurde ungeprüft davon ausgegangen, dass sich diese Polymere im Wasser vollständig abbauen. Dieses ist aber nicht der Fall, wie in mehreren Publikationen gezeigt werden konnte. Auch aus diesem Grunde sind Beschichtungen, die sich nicht auflösen, egal ob biozidhaltig oder biozidfrei, den klassischen Antifouling-Produkten vorzuziehen. Einige Hersteller haben angekündigt, biozidfreie, erodierende Beschichtungen auf den Markt zu bringen, die vollständig abgebaut werden können. Bei einem Kauf sollten hierzu Nachweise angefragt werden.

 

Referenzen

  1. Eklund, B., Watermann, B. (2018): Persistence of TBT, and copper in excess on leisure boat hulls around the Baltic Sea. Sci. Pollut. Res. (eingereicht)
  2. Martin, D.M., Bergman, K., Harju, A.A., Koroschetz, B., Salminen, E., Sóler, C., Ziegler, F. (2008): Understanding antifouling parctice and consumption patterns. Changing antifouling practice in the Baltic Sea. CHANGE-Project.
  3. Wrange, A.L., Dahlström, M., Dahlström, M., Koroschetz, B., Sóler, C., Watermann, B. (2018): We can change products and infrastructures but not marine organisms. Changing antifouling practice in the Baltic Sea. CHANGE-Project.
  4. Ytreberg, E., Bighiu, M.A., Lundgren, L., Eklund, B. (2016): XRF measurements of tin, copper and zinc in antifouling paints coated on leisure boats. Environmental Pollution, 213.
  5. Turner, A. (2021): Paint particles in the marine environment: An overlooked component of microplastics. Water Research X 12 (2021) 100110
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